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Mut aufzublühen

/ Wochenration / Lesezeit: ~ 4 min

Mut aufzublühen

Zurück zur Lebensquelle.

Neulich sah ich mir eine vertrocknete Blume an, die meine Tochter gepflückt und nach Hause gebracht hatte. Nur wenige Tage zuvor hatte die Blume geleuchtet, doch nun war sie braun, schrumpelig und leblos. Dieser Anblick machte mich traurig.

Kurze Zeit später, als ich durch den in der Frühlingssonne erwachenden Wald spazierte, fielen mir die Knospen auf, denen man das pralle Leben ansehen konnte: Die Kraft, der Lebenswille, der Mut, der innere Druck, die Bestimmung, die Schönheit im Verborgenen, den Schmerz und ein bisschen auch die Angst aufzubrechen und das Risiko zu erblühen. Das alles sah ich in einer Knospe, bis mir klar wurde, dass ich das eigentlich tief in mir selbst wahrnahm.

Keine Verbindung zur Lebensquelle

Ich fühlte mich selbst schon sehr lange kraftlos, ausgetrocknet und abgetrennt. Wie ein Blatt im Wind habe ich versucht, hier und da dazuzugehören und meinen Platz zu finden, doch jeder Windstoß trieb mich weg und ich vertrocknete unterwegs immer mehr. Dabei wich die Farbe aus mir wie bei einem Herbstblatt.

Mir war auch klar, dass es die Verbindung zu meiner Lebensquelle war, die gerade nicht fließen konnte. Geistlich war ich kaum noch lebendig, hatte lange keine Ambitionen mehr darin, gehabt zu wachsen, und suchte kaum Gemeinschaft mit anderen Christen. Es fiel mir sogar sehr lange schwer, zu beten.

Zu viele Herausforderungen

Wenn überhaupt, betete ich ab und zu in einer Gruppensituation, wenn es irgendwie erwartet wurde. Doch mein Herz war stumpf und still geworden. Statt mich mit Menschen in meinem Leben zu verbinden, habe ich mich täglich im Internet mit Infos über Dinge, die in der Welt los sind und dem Leben fremder Menschen abgelenkt. Sogar Gott wurde langsam immer nebensächlicher.

Zugleich wuchsen die Herausforderungen in meinem Leben. Ich wurde Mutter von zwei kleinen Kindern, hatte eine sehr konfliktreiche Ehe, meine Schwester am anderen Ende der Welt war wegen der Zeitverschiebung schwer zu erreichen, zu meinen Eltern hatte ich keine starke Beziehung. Außerdem fing ich nach meiner zweiten Elternzeit wieder an zu arbeiten – in einem Job, der mich auf vielen Ebenen herausfordert und in dem ich massiv mit Selbstzweifeln zu kämpfen hatte.

Leben im Überlebens-Modus

Dies alles ging viele Monate lang und ich wusste, ich brauche morgens und abends dringend Zeit für mich: zum Schreiben, Malen, Beten, Freunde treffen und vielem mehr. Doch ich machte nichts davon, sondern verschwendete meine Zeit mit unbedachtem Konsum. Schokolade und YouTube-Videos stumpften mich ab. Sogar im Bett hatte ich das Handy noch bei mir, um mit einem Podcast oder Hörbuch einzuschlafen.

Je stressiger der Tag gewesen war, desto unbedachter scrollte ich im Dunkeln herum, bis mir die Augen zufielen. Früh am nächsten Morgen musste ich mich wieder um die Kinder kümmern, bevor ich selbst überhaupt mal ins Bad kam. Meine Kinder spürten meine Gereiztheit und klammerten sich umso mehr an mich. Langsam, aber sicher landete ich im Überlebensmodus. Mein Nervensystem war pausenlos auf Hochspannung. Durch das Scrollen, das mich in diese Stress-Spirale führte, entfernte ich mich immer mehr von meinem Umfeld und vor allem von Gott.

Abgeschottete Gefühle

Vor einigen Monaten sagte meine Therapeutin, sie habe den Eindruck, ich sei nicht mit meiner Lebensquelle verbunden. Der Weg dorthin führe über meine Gefühle. Die aber hatte ich abgeschottet, aus Angst, dass dort zu viel Wut, Schmerz und Böses schlummern. Wenn ich eine Emotion spürte, dann war es insbesondere Wut. Die war manchmal kaum zu kontrollieren und machte mir Angst, also schob ich sie ganz weit von mir.

Doch da alle Emotionen miteinander zusammenhängen, kann man nicht nur die „schlechten“ aussortieren und ins Exil schicken. Damit schottet man nämlich immer auch die anderen lebensspendenden Gefühle wie Freunde, Begeisterung und Liebe ab. Ich lebte also fast komplett ohne Zugang zu all meinen Gefühlen - und das, obwohl ich ein sehr emotionaler Mensch bin. Irgendwann war keine Kraft mehr da, woher auch?

Gottes Gegenwart wahrnehmen

Vor wenigen Tagen fand ich mich spontan bei einem wunderbaren Lobpreis- und Heilungsabend wieder, wo ich Gottes Gegenwart nach langer Zeit wieder intensiv wahrnahm. Immer wenn ich die Augen schloss und betete, hatte ich eine Knospe vor Augen, die gerade aufbrach und aus der endlos viele Blütenblätter in den prächtigsten Farben hervorkamen. Es hörte gar nicht auf, die Blüte wuchs und wuchs und die kleine Knospe war kaum noch sichtbar in all der Pracht.

Als dann später am Abend Heilungsgebet für psychische Krankheiten angeboten wurde und man sich mit einem Handzeichen melden konnte, zögerte ich einen Moment. War es das Risiko wert, mich hier so verletzlich zu machen? Ich kannte kaum jemanden – was, wenn ich komisch angeschaut wurde? Ich sah mich kurz um, denn ich wollte nicht die Einzige sein, die sich meldete. Doch da schoss wie von selbst meine Hand hoch.

Den Kampf mit Gottes Hilfe kämpfen

Ich beschloss, diesen Kampf nicht länger alleine zu kämpfen, sondern in Verbindung zu treten – mit mir, den Menschen um mich herum und mit Gott. Er flüsterte mir zu: „Du musst nicht mehr kämpfen, ich habe bereits gesiegt.“

Ich entschied mich, aus meiner Knospe herauszubrechen und zu blühen, denn der innere Druck war nahezu unerträglich geworden. Alles in mir erbebte vor Lebendigkeit. Dann hörte ich immer wieder in dem Stimmengewirr der für mich Betenden das Wort „Freunde“ heraus. Ganz zaghaft, wie der erste farbige Zipfel einer Blüte in der Knospe, fing ich erst an zu lächeln, dann zu kichern und schließlich aus ganzem Herzen zu lachen, bis ich kaum noch stehen konnte.

Es sprudelte scheinbar ohne Ende aus mir heraus und es befreite so unfassbar viel in mir. Ich hatte das Gefühl, als wäre in den dunklen Räumen meines Herzens endlich Licht geworden. Alles in mir wurde hell und warm, jede Zelle vibrierte mit Lebendigkeit und ich wusste in dem Moment ganz genau: Ich mit verbunden mit meiner Lebensquelle. Mit Gott, der in mir lebt.

Dieser Text von Claire Gonzales wurde zuvor auf www.keineinsamerbaum.org veröffentlicht.

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