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© Toa Heftiba / Unsplash.com

20.06.2020 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Endlich Zeit zu zweit?

Der Lockdown ist Herausforderung und Chance für viele Ehen. Was wir daraus lernen können.

„Schatz, es wäre so schön, mehr Zeit mit dir zu haben.“ Wer hat diesen Satz von Ihnen auch schon einmal gesagt oder von seinem Partner gehört? Vermutlich die meisten.

Ich habe ihn selbst schon oft gesagt, besonders häufig nach einem tollen Urlaub mit dem bedauernden Schlusssatz: „Aber jetzt müssen wir ja wieder auf die Arbeit und sehen uns den ganzen Tag nicht.“

Ja, wie traurig! Es ist eine echte Ironie des Schicksals, dass man den Partner, mit dem man sein Leben verbringen will, im Alltag oft nur abends sieht, während man seine Kollegen – ob man nun will oder nicht – den ganzen Tag um sich hat. Aber Gott sei Dank – Vorsicht, Sarkasmus! – hat Corona hier ja zumindest zeitweilig Abhilfe geschaffen. Denn das einzig Gute an Lockdown, Kontaktsperre, Homeoffice und Kurzarbeit ist doch, dass man sich nun als Ehepaar viel öfter sieht.

Harmonisches Miteinander –eine Illusion?

Leider ist so viel Zeit zu zweit nur in seltenen Fällen so bereichernd, wie man es gefühlsduselig nach einem gelungenen Sommerurlaub angenommen hatte. Zumindest war es bei uns so. Dabei hatten wir uns das wirklich schön ausgemalt: Ich arbeite entspannt im Homeoffice und an seinen Kurzarbeitstagen kann mein Mann für uns kochen, putzen und Wäsche machen. Quasi eine absolute Win-Win-Situation.

Doch dann wurde ich plötzlich mit Fragen zur Waschmitteldosierung und dem Abendessen bombardiert, sobald ich mein Arbeitszimmer verließ. Oder aber ich musste einen wahren Hindernisparcour absolvieren, um nicht über Putzeimer oder Wäscheständer zu stolpern. Da platzte mir des Öfteren der Kragen und ich wurde laut – und ungerecht. Denn letztlich machte mein Mann ja gerade meinen Job als Hausfrau, während ich mich im Arbeitszimmer verkroch. Es war, als hätte jemand unsere Rollen über Nacht vertauscht, und wir fühlten uns beide nicht ganz wohl in der neuen Rolle.

Es war also längst nicht so harmonisch, wie zunächst erhofft. Vielleicht war das bei Ihnen ja ähnlich und Sie haben auch erlebt, dass ein Lockdown eben nicht nur mehr Familien- und Paarzeit bedeutet, sondern auch etliche Möglichkeiten bietet, sich noch mehr in die Wolle zu kriegen als vorher. Ich bewundere da jeden, der nicht nur mit einem Partner, sondern auch noch mit Kindern den Familienfrieden aufrechtzuerhalten sucht.

Grundvoraussetzungen für Wachstum: Ehrlichkeit, Humor und Durchhaltevermögen

Doch was hilft, wenn man sich als Paar in diesen schwierigen Zeiten mal so richtig auf die Nerven geht? Kann man vielleicht sogar etwas Gutes aus dieser besonderen Zeit für die eigene Ehe mitnehmen? Ich denke ja, aber es braucht Ehrlichkeit, Humor und eben auch ein gewisses Maß an Durchhaltevermögen.

Zunächst zur Ehrlichkeit: Gerade wenn man sich im Alltag häufiger sieht und eventuell aufgrund der zu leistenden Kinderbetreuung trotzdem weniger Zeit für sich selbst und den Partner hat, ist es wichtig, Bedürfnisse klar zu äußern. Nachdem ich meinem Mann klipp und klar gesagt habe, dass ich nicht mit Fragen zum Haushalt überfallen werden möchte, sobald ich meinen Kopf aus dem Arbeitszimmer strecke, war dieses Problem gelöst. Nun fragt er mich: „Hast du schon Feierabend?“ und legt erst los, wenn ich bestätige.

Je klarer ich also meine Bedürfnisse äußere, desto eher kann mein Partner sie erfüllen. Das ist sowieso ein Schlüssel zu einer guten Partnerschaft, aber je enger man aufeinander hockt, noch umso wichtiger. Und letztlich ist das harte Training, durch das wir – und andere Paare – im Lockdown gehen müssen, ein gutes Fundament für unsere weitere Beziehung.

Je klarer ich also meine Bedürfnisse äußere, desto eher kann mein Partner sie erfüllen. Das ist sowieso ein Schlüssel zu einer guten Partnerschaft, aber je enger man aufeinander hockt, noch umso wichtiger.

Denn Stürme kommen und gehen. Deshalb ist Durchhaltevermögen so entscheidend. Ein böser Streit zerstört eine ansonsten gute Ehe noch nicht. Und gerade in herausfordernden Tagen können und sollten wir mit uns selbst und dem anderen nachsichtig sein. Da kracht es eben mal mehr, aber es kommen auch wieder andere Zeiten.

Auch Humor ist wichtig. Das Leben läuft nicht immer perfekt, aber je mehr wir auch über uns selbst oder eine Situation lachen können, desto besser. Wichtig hierbei ist nur: Man lacht gemeinsam über die Situation, nicht über einander. Denn das wiederum ist Gift für die Beziehung.

Nicht nur aufeinander hocken

Aber nun zu den guten Neuigkeiten: Bringen wir all diese Fähigkeiten mit oder sind zumindest bereit, darin zu wachsen, lernen wir das Gute in dem zu sehen, was uns gerade noch herausfordert. Ganz wichtig ist dabei eine gute Zeitplanung. Gerade wenn man plötzlich 24/7 aufeinander hockt und vielleicht niemanden oder nur sehr wenig andere Menschen sieht, ist dies entscheidend. Denn gerade wenn Freizeitoptionen sich zerschlagen, ist es gut, neu zu überlegen: Wieviel dieser Zeit wollen wir zusammen und wieviel jeder für sich verbringen?

Selbst im Lockdown lohnt es sich, auch Zeit ohne den Partner zu gestalten. Sonst kann man sich irgendwann nicht mehr riechen. Im Vorteil sind hier Menschen, die ein Hobby haben, das sie trotz Kontaktbeschränkungen ausüben können. Ich habe ein solches Hobby und habe im Lockdown mehr als zuvor in mein Hobby investiert. Ich wusste: Tue ich das nicht, werde ich zur Klette und treibe damit mich und meinen Mann in den Wahnsinn. So gab es trotz Lockdown Tage, da sah mein Mann mich nur zum Abendessen. Gesunde Beziehungen brauchen Distanz, noch mehr, wenn die äußeren Umstände diese nicht mehr von sich aus bieten.

Gesunde Beziehungen brauchen Distanz, noch mehr, wenn die äußeren Umstände diese nicht mehr von sich aus bieten.

Mehr gemeinsame Zeit positiv füllen

Natürlich umfasst eine gute Zeitplanung auch, dass man bewusst und klar, Zeit miteinander verbringt und diese Zeit sinnvoll füllt. Mit sinnvoll meine ich nicht, dass man sich unbedingt über irgendwelche Beziehungsfragen austauschen muss, sondern ganz schlicht: Dinge zusammen zu machen, die beide gerne tun und die man bewusst zusammen auswählt. Also nicht einfach nur die nächste Staffel „House of Cards“ zusammen schauen.

In diesem Kontext hatten wir ziemliches Glück. Denn wir hatten uns beide schon lange gewünscht, mehr Zeit zum Wandern zu haben. Bislang war dies an den Wochenenden oft daran gescheitert, dass wir zu irgendwelchen Geburtstagsfeiern, Grillparties oder Spieleabenden eingeladen waren. Uns fiel es schwer, solche Angebote auszuschlagen, da wir gerne unter Menschen sind. Gleichzeitig verhinderte genau das immer wieder, dass wir längere Ausflüge zu zweit unternahmen. Durch die Kontaktbeschränkungen hatten wir nun beste Voraussetzungen, unsere Wanderpläne in die Realität umzusetzen. Dieses gemeinsame Hobby zu haben und in einer eher angespannten Zeit weiter ausbauen zu können, hat uns als Paar viel Kraft gegeben – neben mancher Blase am Fuß.

Gut, nicht jeder ist gern auf Schusters Rappen unterwegs, aber es gibt noch andere Optionen, Zeit miteinander zu verbringen. Man kann zum Beispiel den eigenen Spieleschrank stürmen, gemeinsam in Garten und Heim werkeln oder Rad fahren. Wenn dies aufgrund der Kinder nicht möglich ist, binden Sie diese doch ein oder gönnen Sie sich zumindest jeden Tag 5 bis 15 Minuten zu zweit. Auch kurze Paarzeiten stärken nämlich unsere Beziehung. Aber nutzen sie die mögliche Mehr-Zeit in ihrer Partnerschaft und Familie! Nehmen Sie es dankbar als Möglichkeit an, ihre Beziehung zu festigen, und schielen Sie nicht zu sehr auf das, was gerade nicht möglich ist.

Nutzen sie die mögliche Mehr-Zeit in ihrer Partnerschaft und Familie! Nehmen Sie es dankbar als Möglichkeit an, ihre Beziehung zu festigen!

Die Arbeitsweise des anderen stehenlassen

Vor allem aber halten Sie sich damit zurück, den Arbeitsalltag des anderen leichtfertig zu bewerten. Mit Unglauben und leichter Ironie betrachten wir da eventuell das Verhalten des anderen. Der eine steht trotz Homeoffice oder Kurzarbeit noch vor dem Wecker auf und hat diesen vielleicht sogar noch eine Stunde früher gestellt, um zeitig in den Feierabend zu starten. Der andere dagegen wankt morgens im Schlafanzug an den Schreibtisch, schmeißt dafür aber nach dem Abendessen noch mal den Rechner an. Wenn solche Lebensformen aufeinanderprallen, kann es schon mal krachen.

Hatte nämlich zuvor ein fester Tagesablauf den Arbeitsalltag beider bestimmt, sind die Grenzen jetzt fließender geworden. Den einen freut das, weil er nun endlich in seinen kreativen Zeiten arbeiten kann, der andere sieht mit Sorge die eigentliche Freizeit in Gefahr. Und wenn man dann noch ungewollt manches Videomeeting oder Telefonat mitbekommt, juckt es selbst den gutmütigsten Partner in den Fingern, dem anderen ein paar Tipps zu seiner Arbeitsweise zu geben, wohlgemeinte natürlich nur. Doch niemand lässt sich gerne in seine Arbeit reinreden. Denn selbst wenn mancher Hinweis grundsätzlich hilfreich sein mag, wer lässt sich von seinem Partner schon gern seinen Job erklären?

Daher gilt es, sehr behutsam zu sein, wenn man dem anderen Rückmeldung zu seinem Verhalten im Arbeitskontext geben möchte. Der unverfälschte Blick von außen kann meinem Partner helfen, aber er kann auch verletzen. Und Bemerkungen wie „Stehst du jetzt erst auf? Musst du nicht arbeiten?“ oder „Wann machst du endlich Feierabend?“ streichen wir besser ganz aus unserem Repertoire, wenn wir mit unserem Partner im Homeoffice entspannt zusammen arbeiten wollen. Sinnvoller ist, klar zu vereinbaren, wann man beginnen oder eben auch enden will und Verständnis dafür zu zeigen, wenn sich Pläne diesbezüglich ändern.

Bemerkungen wie „Stehst du jetzt erst auf? Musst du nicht arbeiten?“ oder „Wann machst du endlich Feierabend?“ streichen wir besser ganz aus unserem Repertoire, wenn wir mit unserem Partner im Homeoffice entspannt zusammen arbeiten wollen.

Keinen Ärger aufstauen lassen

Das ist das Schöne und gleichzeitig das Schreckliche an einer Ehe: der andere kennt mich genau und weiß, welche Themen für mich besonders schmerzvoll sind. Jede Beziehung kennt diese Minenfelder, von denen ich weiß: Betrete ich sie unbedacht, kann ein alltäglicher Streit schnell zu einem ausgewachsenen Konflikt eskalieren. Sind wir beide durch die Corona-Krise sowieso schon unter Stress, sollte ich mir gut überlegen, ob gerade der richtige Zeitpunkt ist, solche Minenfelder zu betreten!

Konflikte lassen sich allerdings auch in einem Lockdown nicht verhindern und werden uns als Paar auch in der „neuen Normalität“ an vielen Stellen begegnen. Vielleicht treten ja gerade durch die ungeplante gemeinsame Zeit Probleme an die Oberfläche, die wir vorher geschickt ignorieren konnten. Wir können also nicht einfach warten, bis alles wieder normal ist, bis wir mal wieder ein kritisches Thema dem Partner gegenüber ansprechen. Damit eine Ehe langfristig gelingen kann, ist es wichtig, sich diesen Konfliktthemen gemeinsam zu stellen. In einer Ehe sollte es keine Tabuthemen geben, denn auf Dauer vergiften unausgesprochene Spannungen die Beziehung. Trotzdem ist das Timing entscheidend!

Wir können nicht einfach warten, bis alles wieder normal ist, bis wir mal wieder ein kritisches Thema dem Partner gegenüber ansprechen. Damit eine Ehe langfristig gelingen kann, ist es wichtig, sich diesen Konfliktthemen gemeinsam zu stellen.

Es wird Dinge geben, die müssen geklärt werden, auch wenn gerade beiden der Kopf nicht danach steht. Wichtig ist dann, möglichst nicht drauflos zu diskutieren, sondern sich einen passenden Zeitpunkt zu suchen. Müssen Ausgaben aufgrund finanzieller Engpässe eingespart werden? Dann muss darüber gesprochen werden, aber nicht wenn einer der beiden in zehn Minuten ein wichtiges Arbeitsmeeting hat. Muss die Kinderbetreuung neu geregelt werden? Dann sprechen Sie darüber, aber in Ruhe und möglichst nicht vor den Kindern. Suchen Sie sich als Paar Zeiten, um solche wichtigen Themen anzugehen, gerne auch regelmäßig, aber lassen Sie es deswegen nicht krachen.

Falls das aber mal nicht gelingt, gibt es einen entscheidenden kleinen Satz , den wir gerade in Krisentagen gut einüben können. Er heißt: „Vergib mir.“ Als Menschen leben wir aus der Gnade Gottes und sind aufgerufen, dies auch in unseren Beziehungen zu leben. Wenn es also auch bei Ihnen vielleicht den einen oder anderen großen Krach im Lockdown gab, merken Sie sich eines: Wenn Sie es schaffen, eine Atmosphäre der Vergebung in ihrer Ehe zu etablieren, ist schon mal viel gewonnen.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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