Navigation überspringen
© Allef Vinicius / unsplash.com

03.12.2007 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Andreas Meißner

Vergebung bedeutet ...

Wir zeigen, in welchen Facetten sich Vergebung praktisch zeigt und wie man Schuld vergibt.

Es war eine der Übungen in der Schulzeit, die überhaupt keinen Spaß machten: Erkläre einen Begriff, ohne das Wort selbst dabei zu verwenden. Wenn du angefangen hast: „Diagnose? – Also, Diagnose ist, wenn man Krankheiten diagnostiziert...“ kam spätestens an dieser Stelle das „Aus!“ vom damaligen Lehrer.

Genauso schwierig ist es das Wort „Vergebung“ zu definieren. Ich kann ja genauso wenig formulieren: „Vergebung ist, wenn dir jemand vergibt“.

Laut Thesaurus gibt es artverwandte Begriffe für Vergebung wie: Versöhnung, Verzeihung, Amnestie, Aussöhnung, Begnadigung, Entgegenkommen, Nachsicht, Gnade, Erlassung, Pardon

Das lässt uns schon etwas erahnen, worum es bei Vergebung geht. Noch klarer wird das Thema sicher beim Nachdenken über folgende Bibelstellen:

1. Vergebung bedeutet, Schuld nicht anzurechnen

1. Mose 18,24: „Vielleicht gibt es in Sodom fünfzig Leute, die kein Unrecht getan haben. Willst du sie auch umkommen lassen und nicht lieber die ganze Stadt verschonen wegen der fünfzig?“ (Luther übersetzt hier: „dem Ort vergeben“).
 

In der sprichwörtlichen Stadt Sodom war jede Menge Unmoral zu Hause. Gott will sich das nicht länger bieten lassen und weiht seinen Freund Abraham in seine Absichten ein. Der wiederum fängt einen berühmten orientalischen „Handel“ mit Gott an. Wenn es wenigstens 50 Gerechte gäbe („gerecht“ in den Augen Gottes, keine Selbstgerechtigkeit, die wir uns gern „zurechtbasteln“), solle Gott die Stadt verschonen. Im Sprachgebrauch der alten Völker bedeutete dieses Verschonen, dass ihnen eine erwiesene Schuld nicht angerechnet werden sollte.

2. Vergebung bedeutet, sich Last abnehmen zu lassen

Psalm 65,4: „Die Verfehlungen lasten zu schwer auf uns, aber du kannst uns die Schuld vergeben.“
 

David, der dieses Lied (Psalm) gedichtet hat, schildert in einem gut verständlichen Bild, dass Verfehlungen einen Menschen wie ein schweres Lastenbündel zu Boden drücken kann. Täglich kommen neue Belastungen hinzu und es besteht keine Chance, sich wieder aufzurichten. Es bedeutet also eine Ent-Lastung, wenn sich jemand dieser Last annimmt und mich von meinem Ballast befreit. Jeder, der einmal etwas Schweres tragen musste, weiß, wie gut es tut, das Kreuz wieder durchzudrücken und befreit durchzuatmen. Dieser Helfer von außen ist Jesus Christus.

3. Vergebung bedeutet stark zu werden

Jesaja 33,24: „Kein Mensch im Land wird noch klagen, er sei von Krankheit und Schwäche geplagt; denn die Schuld des Volkes ist vergeben.“
 

Hier geht es um die Zukunft gläubiger Juden, die großartige Zusagen Gottes bekommen haben. Gern wird Jerusalem als Beispiel genannt; die Menschen sollen dort wohnen und nicht immer wieder weiterziehen müssen (keine Zelte mehr, kein Nomadentum; 40 Jahre Wüstenwanderung des Volkes: 2. Mose 16,35, 4.Mose 14,33 und 4.Mose 32,13). Gottes Person wird dabei immer mit Macht, Herrlichkeit, Herrschaft, Königtum und Rettung in Verbindung gebracht.

Darum sagt die Bibel, dass sein Volk Israel „unter der Herrschaft des Allmächtigen wohnen“ wird. Dieses Bild gipfelt in dem Nicht-mehr-schwach-Sein der Bewohner. Alle Ursachen für Versagen und Schuld, für Belastungen und Sünden sind durch den amtierenden König (Christus) beseitigt – und dadurch werden Menschen echt stark.

4. Vergebung bedeutet Erbarmen

Jesaja 55,7: „Wer seine eigenen Wege gegangen ist und sich gegen den Herrn aufgelehnt hat, der lasse von seinen bösen Gedanken und kehre um zum Herrn, damit er ihm vergibt! Denn unser Gott ist reich an Güte und Erbarmen.“
 

Dieses Kapitel bei Jesaja schildert, dass Gott sein Angebot allen Menschen anbietet. Es kostet den Menschen nichts und es steht jedem zur Verfügung. Dieser Hinweis blickt weit in die Zukunft und deutet schon früh im Alten Testament auf Jesus Christus hin. Hier präsentiert sich kein Gott, der rachesüchtig, strafend, grollend ist. Nein, ganz im Gegenteil. Gott entzieht sich nicht, sondern er lässt sich finden und wartet auf den engen Kontakt, wartet darauf, seinem Geschöpf Erbarmen entgegenzubringen.

Er möchte Gnade vor Recht ergehen lassen. Egal, welche mit welcher Art von Schuld Menschen zu Gott kommen: seine „Vergebung“ reicht für alle aus. Einzige Bedingung: Ein Mensch muss aufhören, sich gegen Gott aufzulehnen.

5. Vergebung bedeutet Vergessen und ungeschehen zu machen

Jeremia 31,34: „Niemand muss dann noch seinen Nachbarn belehren oder zu seinem Bruder sagen: Lerne den Herrn kennen! Denn alle werden dann wissen, wer ich bin, von den Geringsten bis zu den Vornehmsten. Das sage ich, der Herr. Ich will ihnen ihren Ungehorsam vergeben und nie mehr an ihre Schuld denken.“
 

Jeremia schildert Gottes Art zu denken als völlig entgegengesetzt zu unserem Denken. Wir können schon einem Anderen mal etwas verzeihen, vergeben. Aber das Ganze dann auch zu vergessen, liegt uns nicht. Meist werden Verfehlungen Anderer gut gespeichert und bei Gelegenheit hervorgekramt.
Gott ist ganz anders. Ihm liegt nichts daran, uns eine einmal geklärte Angelegenheit immer wieder vorzuwerfen.

Wenn er vergibt, dann aufrichtig, echt und endgültig. Dann wird er nie mehr daran denken. Es ist so, als wäre es nie geschehen. Für uns schwer nachvollziehbar, weil wir anders denken. Weil Gott aber einen unwahrscheinlich großen Preis für unsere Sünden bezahlt hat (sein Sohn starb dafür am Kreuz), kann er es sich leisten, daran nicht mehr zu denken.

6. Vergebung bedeutet das Bekennen von Ungehorsam, Überheblichkeit und Stolz

Lukas 15,21: „Vater, sagte der Sohn, ich bin vor Gott und vor dir schuldig geworden, ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu sein!“
 

In der Parabel vom „Verlorenen Sohn“ verlässt ein junger Mann seine Familie und lässt sich sein Erbe auszahlen. Sein Vater lässt ihn erstaunlicher Weise ohne Vorhaltungen ziehen. Er lässt ihm seinen freien Willen. Der Sohn verprasst das Geld und landet buchstäblich „bei den Schweinen“. Heruntergekommen und asozial würden wir das vielleicht nennen. In dieser Situation fällt ihm ein, dass es vielleicht noch eine Chance für ihn gäbe – im Elternhaus. Er bereut seinen Ungehorsam, seine Überheblichkeit und seinen Stolz. Er kehrt zurück und sagt dies seinem Vater gerade heraus. Und dieser vergibt ihm!

7. Vergebung bedeutet, sich von den alten Verhaltensmustern zu verabschieden

2. Korinther 12,21: „Ich möchte nicht, dass mich Gott nochmals vor euch demütigt, wenn ich jetzt zu euch komme. Ich möchte nicht traurig sein müssen über die vielen, die früher gesündigt haben und die sich immer noch nicht abgekehrt haben von ihrem schmutzigen, unzüchtigen, ausschweifenden Leben.“
 

Paulus benutzt in seinen Briefen manchmal starke Ausdrücke, denn es gab immer wieder Menschen, die sich an die Unzucht, die Ausschweifung usw. so gewöhnt hatten, dass ihnen gar nicht mehr auffiel, dass solch ein Lebensstil nicht zu der empfangenen Vergebung von Gott passt. Der Mentor Paulus will darum helfen, Buße darüber zu tun (=umzukehren!). Ohne Umkehr (=Buße), gibt es keine Vergebung. Im Verhältnis zu Gott genauso, wie im zwischenmenschlichen Bereich. Buße / Umkehr und Vergebung stehen in direktem Zusammenhang.

8. Vergebung bedeutet ein möglichst schnelles Ausräumen des Zorns

Epheser 4,26: „Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet! Versöhnt euch wieder und lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“
 

Einer der besten praktischen Tipps ist die Aufforderung, keine Zwiste lange mit sich herumzutragen. Wenn ein Tag zu Ende geht, ist Vieles passiert: Schönes aber auch Streit, Spannungen und zugefügte Verletzungen. Nur ein ruhiges Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen, wusste Paulus. Darum rät er zur Vergebung und ungeklärte Spannungen schnell in Ordnung zu bringen. Deadline ist der Sonnenuntergang. Dazu muss ich zugeben, dass ich zornig getroffen und verletzt bin. Ich zeige aber auch, dass ich bereit bin, dies auszuräumen.

9. Vergebung bedeutet Stellvertretung

1. Johannes 2,1: „Meine lieben Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr kein Unrecht tut. Sollte aber jemand schuldig werden, so haben wir einen, der beim Vater für uns eintritt: Jesus Christus, den Gerechten, der ohne Schuld ist.“
 

So wie wir, obwohl frisch geduscht, uns immer wieder neuem Schmutz aussetzen, so „verunreinigen“ wir auch immer wieder die Beziehung zu Gott. Wir müssen also immer wieder in der Vergebung Gottes „duschen“ – um im Bild zu bleiben. Man könnte glatt verzweifeln, weil wir es nie schaffen, wirklich „sauber“ zu bleiben. Hier greift das Prinzip der Stellvertretung (und hier endet das Bild der Dusche):

Fazit: Vergebung hat also viele Seiten

  1. Schuld nicht anzurechnen
  2. sich Last abnehmen zu lassen
  3. stark zu werden
  4. Erbarmen
  5. Vergessen und ungeschehen zu machen
  6. Bekennen von Ungehorsam, Überheblichkeit und Stolz
  7. sich von den alten Verhaltensmustern zu verabschieden
  8. ein möglichst schnelles Ausräumen des Zorns
  9. Stellvertretung
     

Vergebung ist und bleibt einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Begriff in der Bibel – und im praktischen Leben. Vergebung ist ein tolles Prinzip, das Gott uns anbietet. Jetzt gilt es, dieses im alltäglichen Leben umzusetzen.
 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (3)

Gast /

Ein sehr schöner Artikel, jedoch habe ich bisher in Deutschland kaum jemanden kennengelernt (auch Christen) denen die Gnade Gottes überhaupt etwas wert zu sein scheint.

Marion P. /

Ich finde die Ausführungen zum Thema Vergebung sehr hilfreich und einleuchtend. Vielen Dank.

Olaf P. /

Du durchschaust alles, was in mir vorgeht, du durchforschst mich auch in der Nacht. Du prüfst mich, aber du findest nichts, was du tadeln müsstest. Ich habe mir vorgenommen, mich nicht einmal zu bösen Worten hinreißen zu lassen!
Psalm 17,3

Das könnte Sie auch interessieren