Navigation überspringen
© Keenan Constance / unsplash.com

08.09.2017 / Porträt / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Timo König

Von der Spielothek ins Zentrum der Macht

Das erstaunliche Leben des Uwe Heimowski, Politikbeauftragter der ev. Allianz.

Da ist es wieder. Dieses schelmische Grinsen, das manchmal in Uwe Heimowskis Gesicht aufblitzt. In diesen Momenten wirkt der 53-Jährige so jugendlich, als zöge er gerade in seinen Lehrjahren mit den besten Kumpels um die Häuser. Und irgendwie kann ich mir vorstellen, dass es Spaß machen würde, mit ihm an der Bar zu stehen, Witze zu erzählen und die Probleme dieser Welt einfach mal hinter sich zu lassen. Wenn nur die Themen nicht so ernst wären, über die der Politik-Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz in seinen Vorträgen spricht. Da geht es um Menschenhandel, Ausbeutung, Zwangsprostitution. Themen, bei denen einem gewöhnlich das Lachen im Hals stecken bleibt. Und die Heimowski offensichtlich sehr bewegen.

Trotzdem möchte mir das Bild nicht aus dem Kopf. Von Uwe Heimowski an der Bar, wie er an einem kühlen Pils nippt. Und ich stelle mir vor, wie es wohl in seiner Jugend war, in der es meistens nicht bei einem Glas geblieben ist. Denn Heimowski war schon mit 20 alkoholabhängig. Vor allem aber war er spielsüchtig. Es begann damit, dass ihn seine damalige Freundin verließ und er merkte, dass das Spielen den Liebeskummer übertönte. Auf dem Höhepunkt der Sucht verbrachte der junge Mann täglich 16 Stunden in der Spielothek. Er verkaufte Drogen, um diese brutale Gier zu finanzieren, musste sich aber trotzdem immer mehr Geld von anderen Leuten pumpen. Bis er schließlich einen Schuldenberg von 40.000 Euro angehäuft hatte. Zum Glück ist ihm Gott in dieser Zeit begegnet.

Das Siezen liegt Heimowski nicht

Heimowski machte eine Therapie und arbeitete danach bei der Heilsarmee, um anderen Menschen zu helfen, die in Schwierigkeiten steckten. Durch diese Arbeit kam er unweigerlich mit der Politik in

Uwe Heimowski. Foto: Deutsche Evangelische Allianz, Jonathan Steinert.
Uwe Heimowski. Foto: Deutsche Evangelische Allianz, Jonathan Steinert.

Berührung. „Sozialarbeit und der Aufbau einer Aids-Beratungsstelle waren damit verbunden, in politischen Gremien mitzuarbeiten, um etwas bewegen zu können“, sagt Heimowski. Man spürt, dass die Zeit bei der Heilsarmee ihn bis heute prägt. Dass er Obdachlosen den Dreck vom Leib geschrubbt und ihnen die Fußnägel geschnitten hat. Uwe Heimowski ist nicht der distanzierte Typ, er sagt lieber „Du“ als „Sie“. „Bei uns in Nordfriesland wurde nur Plattdeutsch gesprochen. Damit sind wir im Dorf aufgewachsen. Und im Plattdeutschen gibt es kein ‚Sie‘“, erklärt er. „Deswegen muss ich bei Treffen mit Politikern auch immer aufpassen, dass ich nicht aus Gewohnheit ‚Du‘ sage.“

Friesisch-herb

Wenn ich Heimowski mit einem Wort beschreiben müsste, fällt mir das Wort „Familienmensch“ ein. Nicht nur, weil er fünf Kinder hat und auf seiner Homepage ganz selbstverständlich viele Einblicke in seinen Familienalltag gibt. Sondern weil er mit allen Menschen umgeht, als gehörten sie zur Familie. Das kann manchmal auch friesisch-herb ausfallen. Ich habe Heimowski am Rande der diesjährigen Allianzkonferenz in Bad Blankenburg getroffen, um ihn zu interviewen. Als uns eine Frau im Gespräch mehrmals dazwischen quatscht, ermahnt Heimowski sie, doch bitte mal „den Mund“ zu halten, da hier gerade eine Aufnahme laufe. Direkte Wortwahl, aber auf eine sehr liebenswürdige Art und Weise. Wie in einer funktionierenden Familie eben. Heimowski begegnet Menschen immer auf Augenhöhe. Alles in seinem Verhalten sagt anderen Christen: Ich bin einer von euch. Seine natürliche Autorität bezieht er aus seiner Persönlichkeit, nicht aus seinem hohen Posten.

Top qualifiziert

Während seiner Zeit bei der Heilsarmee entstand auch die Freundschaft zu Frank Heinrich, besonders bei den für Heimowski obligatorischen Saunagängen. Als Heinrich 2009 gefragt wurde, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle und wenig später in denselben gewählt wurde, bat er seinen Freund Uwe um Unterstützung. Heimowski, der inzwischen Pastor geworden war, blieb mit einer halben Stelle bei seiner evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Gera und arbeitete mit der anderen halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Menschenrechte bei dem Bundestagsabgeordneten Heinrich.

Als sieben Jahre später die evangelische Allianz einen Nachfolger für Wolfgang Baake als Beauftragter am Sitz der Bundesregierung suchte, wäre wohl kaum jemand besser qualifiziert gewesen als Heimowski: Theologe, Autor mehrerer Bücher, sieben Jahre Erfahrung im politischen Herzen Deutschlands. Alles passte. Außerdem betreibt er selbst Lokalpolitik für die CDU im Geraer Stadtrat. Wobei gerade dieser Punkt auch ein Nachteil sein kann. Der Allianz kann nicht daran gelegen sein, mit einer bestimmten Partei identifiziert zu werden.

CDU-Mitgliedschaft: Ein Hemmschuh?

Bei anderen Parteien könnte der Eindruck entstehen, die evangelische Allianz stecke zumindest mit Teilen der CDU unter einer Decke. Als Beauftragter Allianz soll er aber für alle Christen sprechen, die in dem Netzwerk organisiert sind. Oder besser gesagt: Lobby-Arbeit für Jesus machen, wie es einige ausdrücken. Dass er selbst ein Parteibuch habe, sei „sicherlich nicht förderlich“ für seine Funktion, räumt er ein. „Aber wenn ich gesagt hätte, ich trete aus der Partei aus, um den Job zu machen, hätte ich mich in den Augen der Leute erst recht unglaubwürdig gemacht.“ Wenn er mit Politikern anderer Parteien spricht, sagt er ihnen frei heraus, bei welcher Partei er Mitglied ist, „damit die das einfach wissen.“ Er tue alles, um beides voneinander zu trennen: „Ich bin nicht für die CDU in Berlin, sondern für die Allianz. Punkt.“

Ein Herz für Politiker

Dass Heimowski selbst Politiker ist, hat auch einen Vorteil: Er weiß, wie sehr dieses Geschäft einen in die Mangel nehmen kann. Wie aus der Pistole geschossen zählt er seine regelmäßigen Sitzungstermine auf: „Fraktionssitzung, Fraktionsvorstand, Kulturausschuss, Jugendhilfeausschuss, Jobcenterausschuss…“ Um die 15 verschiedene Sitzungen fallen ihm spontan ein. In Berlin ist das nicht anders: „Wer mal so eine Sitzungswoche in Berlin mitgemacht hat, ist hinterher atemlos. Der Tag beginnt um sieben Uhr morgens und endet um zwei Uhr nachts, nur selten früher.“ Heimowski hat ein Herz für Politiker, das merkt man: „Wir müssen als Christen verstehen: Das sind nicht irgendwelche Witzfiguren. Egal, welcher Partei sie angehören: Diese Menschen haben unendlich viel zu tun. Es ist wichtig, dass wir sie tragen, ermutigen, für sie beten und sie nicht ständig ins Kreuzfeuer nehmen.“

Gerade deswegen findet er es unmöglich, wenn manche Leute kurz eine Petition aus dem Internet kopieren, mit einem Mausklick an einen Abgeordneten schicken und dann wütend sind, wenn der Politiker nicht so abstimmt, wie sie es gerne hätten. Ein Mitglied des Bundestages bekomme am Tag zwischen 300 und 500 E-Mails. „Da kann man nicht erwarten, dass er auf jede Copy-Paste-Nachricht eingeht, die den Versender zwei Minuten gekostet hat“, sagt Heimowski. Daher fordert er Christen auf, ihren jeweiligen Wahlkreisabgeordneten persönlich zu besuchen und einen Kontakt aufzubauen.

Denn: Wie jeder andere hätten auch Politiker ein offenes Ohr für Menschen, die sie persönlich kennengelernt haben. Irgendwie frage ich mich, wie realistisch diese Vorstellung ist. Ich würde mir nicht die Mühe machen, einen Sprechstundentermin mit einem Politiker zu vereinbaren, nur um am 24. September sicher zu sein, wen ich wählen soll. Es geht doch nur um ein kleines Kreuzchen. Na gut, um zwei. Aber mir wird immer klarer: Das ist typisch Uwe Heimowski. Die persönliche Begegnung ist für ihn das Wichtigste. Der Mensch steht im Vordergrund. Das zeigt sich auch an den Themen, die ihm am Herzen liegen.

Christlich heißt nicht immer konservativ

Deutlich wird das zum Beispiel, als ich ihn frage, ob der Kampf für christlich-konservative Werte nicht ein Rückzugsgefecht sei, wie bei der Ehe für alle. Man versuche doch nur, um ein paar Jahre hinauszuzögern, was sowieso kommt. Heimowski macht klar: „Ich unterscheide deutlich zwischen christlichen Werten und konservativen Werten.“ Er räumt ein: „Bei gewissen ethischen Werten wie Ehe und Lebensschutz haben wir tatsächlich das Gefühl, Rückzugsgefechte zu kämpfen.“ Das sei tragisch, weil es letzten Endes zur Beschädigung der Menschenwürde führen könne.

Beispiel Lebensschutz: Wenn der Embryo nichts Schützenswertes ist, werde früher oder später auch Genmanipulation oder Leihmutterschaft, bei der man einen Bauch quasi vermietet, eine Rolle spielen. Davon abgesehen hält Heimowski fest: „Nicht alles, was wir sagen, ist konservativ. Zum Beispiel gibt es wieder ein Prostituiertenschutzgesetz, was es lange nicht gab. Damit wird die Würde der Prostituierten jetzt stärker geschützt als vor 15 Jahren und das unterstützen wir.“ Ja, Heimowski ist wertkonservativ. In erster Linie geht es ihm aber um Menschen.

Bei manchen Themen wird mir mulmig

Politiker in Berlin seien regelmäßig überrascht, wenn sie erfahren, dass die Allianz für mehr steht als die klassischen Streitthemen, über die Evangelikale oft wahrgenommen werden, erzählt Heimowski. Viele wüssten gar nicht, wie stark sich die evangelische Allianz für nachhaltige Entwicklung oder Flüchtlingshilfe einsetzt. Und wenn Heimowski über das Thema Menschenhandel spricht, höre ich manchmal ein leichtes, unterdrücktes Zittern in seiner Stimme. Er trägt die Themen so nah an seine Zuhörer heran, dass mir manchmal ein bisschen mulmig wird. Uwe Heimowski leidet mit Unterdrückten und Menschen, die Hilfe bitter nötig haben. Mir ringt das großen Respekt ab. Ich möchte auch, dass Kriege beendet, dass Hunger und Zwangsprostitution abgeschafft werden. Aber gleichzeitig versuche ich, eine emotionale Distanz zu diesen Themen bewahren, um nicht daran zu verzweifeln.

Wo sind die Volker Becks unter den Christen?

Insgeheim hoffe ich, dass auch Uwe Heimowski nicht emotional daran zerbricht, sich nicht selbst die Verantwortung für all das Leid der Welt auflädt. Denn dass er nicht alles wird ändern können, ist ihm natürlich klar. In der Politik braucht es oft einen langen Atem. Heimowski führt als Beispiel gerne Volker Beck an, der 23 Jahre im Bundestag für sein Anliegen – die Ehe für alle – gekämpft hat und an seinem letzten Sitzungstag erlebte, wie sein Traum Realität wurde.

Mir scheint, dass dieses Beispiel nicht willkürlich gewählt ist. Heimowski weiß, dass er viele bibeltreue Christen damit provoziert. Die Beck-Geschichte soll so etwas wie ein Stachel im Fleisch für sie sein. Nach dem Motto: „Schaut euch das an, andere setzen sich für ihre Überzeugung ein. Was ist mit euch?“ Heimowski vertritt nicht nur Christen in der Politik, sondern auch die Politik bei den Christen. Er möchte sie aus ihrer Komfortzone locken, weil er weiß: Wenn alle bekennenden Christen in Deutschland politisch aktiv wären, sähe unser Land sicher anders aus.

 

 

 Timo König

Timo König

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (2)

G W. /

Für U.H. bin ich sehr dankbar. Daß er auch auf Anfragen persönlich (m.H. seiner Sekretärin) reagiert, ist beachtlich bei all seinen Verpflichtungen!
Ich wünsche ihm die nötige Zeit für seine Ehe und Familie - das ist immerhin ein entscheidendes Lebensfundament für einen Christen...

Eva A. /

o-ja dieser Beitrag hat mir für die Wahl die Augen geöffnet und ich bin auch sehr dafür ,dass man sich mehr in der Politik einmischen sollte und nicht nur meckern<Danke Herr Heimowski für die guten mehr

Das könnte Sie auch interessieren