Navigation überspringen
© Mirjam Skubski / mirisphotography, Stuke / ERF;

03.07.2024 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Kai Rinsland

Mittelmaß ist mein Leben gerade

Christiane Gabriel erzählt aus ihrem Alltag zwischen Realität und Hochglanz.

ERF: Christiane, du bist im ERF verantwortlich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Spenden und Communities. Daneben bist du verheiratet, hast zwei Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren, ihr seid in einer Gemeinde verankert. Es gibt eine Wohnung mit Garten, mit deinem Mann teilst du dir den Haushalt – soweit alles prima.

Als wir dieses Gespräch vereinbart haben, fiel der Satz „Mittelmaß ist mein Leben gerade“. Was meinst du damit?

Christiane Gabriel: Mein Alltag ist gut gefüllt mit meinen beiden Kids, Ehemann, Arbeit, Gemeinde, verschiedene Aktivitäten, Unvorhergesehenem, etc. Wenn ich versuche, alles perfekt zu machen, würde es mich krank machen. Ich will aber keinen dieser Punkte weglassen. Also brauche ich ein gutes Mittelmaß, um mit meinen Kräften einigermaßen gut klarzukommen.

Ich kann nicht immer 100% geben. 80% muss oft reichen und manchmal sogar weniger.

Nimm den Haushalt, da muss das Mittelmaß derzeit oft reichen. Fällt es mir leicht? Nein. Hilft es mir, in anderen Bereichen wenigstens auch noch was zu schaffen? Ja. – Ich kann nicht immer 100% geben. 80% muss oft reichen und manchmal sogar weniger.

ERF: Du spielst an auf die bekannte 80/20-Regel, richtig?

Christiane Gabriel: Ja, oft kann ich sehr gut mit 80% des Ergebnisses zufrieden sein. Die letzten 20% würden in den meisten Fällen das Ergebnis nicht wesentlich verbessern, gleichzeitig einen enormen Mehraufwand erfordern, um überhaupt 100% zu erreichen.

ERF: Da klingt eine große Portion Gelassenheit durch. Warst du schon immer so? Ist der Umgang mit dem Mittelmaß eine Frage des Naturells?

Christiane Gabriel: Ich war nicht immer so, und zugegeben: Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich für mich unbedingt rausfinden muss: Wer bin ich? Was kann ich? Und wo will ich hin? Diese drei Dinge. Wenn ich das weiß, kann ich gut mit Kompromissen leben.

Wer bin ich? Was kann ich? Und wo will ich hin? Wenn ich das weiß, kann ich gut mit Kompromissen leben.

ERF: Mittelmaß klingt ja trotzdem so semi-gut. Belohnst du dich hin und wieder, damit die Mittelmäßigkeit nicht so an der Seele nagt? Shopping, Urlaub, Wellness-Farm oder schick Essen gehen?

Christiane Gabriel: In den letzten drei Jahren treffe ich mich einmal im Jahr mit anderen Frauen in Leitungspositionen, um sich gegenseitig zu ermutigen.

Wir sehen uns in die Augen und sagen: „Du machst das gut! Du kannst was! Ich sehe das und ich weiß, dass es manchmal hart ist.“ Die Treffen sind mir so wertvoll geworden. Was ich da mitnehme, davon profitieren wieder andere, hier im Beruf und daheim in der Familie.

ERF: So, jetzt mal Schluss mit der Tiefstapelei! Irgendwas muss es doch geben, wo die Christiane so richtig glänzen kann. Was ist das?

Christiane Gabriel: Ich mache sehr gerne Hochzeitstorten. Das ist mein Hobby und das mach ich einfach nur, weil es mir Freude bereitet. Ich nehme mir Zeit dafür, probiere was aus, versuche den Geschmack des Brautpaares zu treffen.

Mein Ziel ist es, dass jedem Gast auf der Feier mindestens eine Etage meiner Torte schmeckt. Ich hab schon oft gehört: „Das ist ja toll! Ich hab noch nie erlebt, dass mir eine Hochzeitstorte schmeckt!“ Genau dann hab ich mein Ziel erreicht.

Ich glaube, Erfolgserlebnisse braucht in der Tat jeder Mensch. Irgendetwas, egal was, wo du glänzen kannst und über dich hinauswächst.

ERF: In der Bibel lese ich: Gott hat dich und mich wunderbar gemacht. Wir sind geliebte Geschöpfe des Herrn der Welt. – Obwohl wir nur Mittelmaß sind?

Christiane Gabriel: Gott liebt dich von Kopf bis Fuß, egal, wer du bist, was du kannst und wo du im nächsten Moment möglicherweise kläglich scheiterst. Gott weiß sehr gut, dass wir hier auf der Erde im Mittelmaß unterwegs sind.

Unser Mittelmaß schreckt Jesus nicht ab.

Ich muss an Petrus denken: Was hat der den Mund so voll genommen! „Ich werde immer zu dir stehen, Jesus. Und wenn dich alle verlassen, ich bleibe standhaft.“ Und dann hat er es so richtig verbockt und Jesus verleugnet. Jesus steht trotzdem zu ihm und bezeichnet ihn als Fels seiner Gemeinde. Unser Mittelmaß schreckt Jesus nicht ab.

Gott könnte das doch alles mit einem Fingerschnipsen auch ohne mich erledigen. Aber er will mich gebrauchen, will mich einsetzen. So ist Gott! Du und ich, wir sind trotzdem etwas Besonderes in seinen Augen, trotz unserer Mittelmäßigkeit.

ERF: Bleibt es denn immer beim Mittelmaß? Oder ändert sich das irgendwann mal für mich?

Christiane Gabriel: Wenn wir mal im Himmel sind, ist das Mittelmaß vorbei. Mittelmaß ist der Weg, hier auf der Welt mit all den Anforderungen klarzukommen. Doch Gott hat die Welt zu Beginn sehr gut geschaffen, da war von Mittelmaß nie die Rede. Das wird wieder kommen. Bis dahin weiß ich: Ohne Gott bin ich nichts, aber mit ihm kann mein Mittelmaß alles sein, was er braucht.

Ohne Gott bin ich nichts, aber mit ihm kann mein Mittelmaß alles sein, was er braucht.

 

 Kai Rinsland

Kai Rinsland

  |  Redakteur und Programmplaner

Der gebürtige Gießener schreibt für ERF.de und koordiniert die Produktion der ERF Antenne. Daneben ist er aktuell die Stationvoice von ERF Plus. Er lebt mit seiner Frau in einem Holzhaus, geht wandern, klettern und e-biken. Er isst gerne Fisch und genießt kräftigen Espresso.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren