Navigation überspringen
© Tim Umphreys / unsplash.com

17.05.2024 / Porträt / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Annegret Schneider

Burnout führt zum Neustart

Roland Hardmeier bot sein Zusammenbruch neue Chancen. Heute lebt er seine Leidenschaft als Buchautor.

 

Dr. Roland Hardmeier ist ein Machertyp. Der Schweizer ist Theologe, Dozent und Pastor. Er liebt Herausforderungen, die Natur und das Schreiben. Er ist der Helfende, bis er nach einem Zusammenbruch selbst Hilfe braucht.

Es geschieht im Jahr 2000 während seiner Arbeit am Computer. Der damalige Pastor fühlt etwas wie einen Stromstoß in seinem Kopf. Zuerst denkt er, das sei eine vorübergehende Sache, doch er wird die Schwindelattacken, Sehstörungen und den Tinnitus nicht mehr los.

Zehn Jahre später kommt der Zusammenbruch: Nichts geht mehr. Roland Hardmeier muss mit 45 Jahren in eine Klinik. Für ihn ist es, „als hätte man einen Stecker gezogen“. Plötzlich wird aus dem Helfer ein Mensch, der selbst Hilfe braucht.

Diese Erfahrung ist neu für den Pastor, der bis dahin „auf zu vielen Hochzeiten auf einmal getanzt“ hat. Jetzt muss er anerkennen, dass er ein gesundheitliches Problem hat.

Schreiben als Ventil für die Seele

In der Klinik kommt Hardmeier im Gespräch mit einer Psychologin einer interessanten Tatsache auf die Spur. Er erkennt nicht nur, dass er weniger arbeiten muss, sondern auch, dass er etwas, was ihm schon lange auf dem Herzen lag, aus Zeitgründen immer vernachlässigt hat. Plötzlich wird ihm klar: Um gesund zu werden, muss er diesem Herzensanliegen mehr Raum verschaffen.

Das, was er vor seinem Burnout nur getan hatte, wenn er in seltenen Momenten dazu kam, wird nun zu einem Ventil, um seine Erfahrungen zu verarbeiten und einen neuen Lebensrhythmus zu finden.

Mit der Zeit wird das Schreiben zu seiner Haupttätigkeit. Doch bis dahin muss er noch einen langen Leidensweg zurücklegen.

Eine Wanderung mit Gott – und eine schmerzliche Erkenntnis

Es dauert noch einige Jahre, bis Roland Hardmeier erkennt, dass er seinen geliebten Beruf als Pastor aufgeben muss. Auf einer Wanderung in den Bergen sucht er Antwort auf die Frage, wo ihn sein beruflicher Weg hinführen soll. Er will nicht eher aufgeben, bis er von Gott eine Weisung erhält. Er sagt zu Gott: „Ich muss jetzt einfach eine Antwort haben“. Doch zunächst passiert NICHTS.

Erst als er eine Wanderkarte zur Hand nimmt und erkennt, dass er den Pass und einen Rundweg, den zu erwandern er sich vorgenommen hat, nicht schaffen wird, fällt ihm die Parallele zu seinem Leben auf.

Roland Hardmeier erkennt, dass er immer über seine Grenzen hinausgehen will. Und dass er endlich aufhören muss, sich selbst zu überfordern.

Er kommt zu dem Schluss, dass er als Pastor zurücktreten muss, auch wenn ihn diese Entscheidung zunächst schmerzt. Doch er erfährt sowohl von seinem Ältestenrat als auch von seiner Frau Unterstützung. Mit ihr tauscht er nun die Rollen: Seine Frau geht fortan arbeiten und Roland Hardmeier wird Hausmann.

Eine neue Rolle, eine neue Chance

Sein erstes Buch schrieb Hardmeier bereits während seines Klinikaufenthaltes. Damals verarbeitete er seine Erfahrungen unter dem Titel „Nach wie viel BURN ist Mann OUT?“

Seitdem sind etliche theologische Bücher entstanden und an Ideen für weitere Bücher fehlt es ihm nicht: „Ich habe Ideen zum Schreiben für zwei Leben.“ Allerdings muss er auch dabei seine noch immer begrenzten Kräfte berücksichtigen.

Das gelingt ihm unter anderem durch die Unterstützung seiner Frau. Roland Hardmeier sagt: „Mit einer guten Ehefrau hältst du fast alles aus im Leben.“ Und er weiß, wovon er spricht, denn seine Frau Elisabeth unterstützt ihren Mann gern mit dem Rollentausch, den sie mit ihm vorgenommen hat. Sie ist überzeugt: „Schreiben gehört zu deiner Berufung, das ist uns klar geworden, ich gehe gern dafür arbeiten.“

Seine Rolle als Hausmann erweist sich für Hardmeier als gute Möglichkeit, eine neue Struktur ins Leben und den eigenen Tagesablauf zu bringen. Weil er wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen bis heute immer wieder Pausen einlegen muss, unterbricht er Arbeitssequenzen mit Tätigkeiten, die seine Augen entlasten.

Denn wenn er das nicht tut, fühlt er sich, als hätte er „eine verrückte Autofahrt hinter sich“. So geht es ihm auch heute noch manchmal im Supermarkt, wenn er in den Regalen hin und her suchen muss, im Nahsichtbereich scrollt oder sich einen Film anschauen will.

Dadurch, dass er seine Einschränkung akzeptiert hat und auf einen guten Wechsel zwischen Bildschirmarbeit und häuslichen Tätigkeiten achtet, gelingt es ihm mittlerweile, vier- bis fünfmal am Tag Schreibtischarbeit zu erledigen.

Kein fruchtloser Baum mehr

In seiner schwersten Zeit hat Roland Hardmeier sich oft gefragt, wozu er leiden muss; er fühlte sich manchmal wie ein „fruchtloser Baum, der nur Schatten wirft“. Dabei war es nicht einmal das Leiden an sich, was ihn belastete, sondern die Sorge, dass sein Leiden sinnlos sein könnte. Er sagt: „Leiden ist schwierig, sinnloses Leiden fast unerträglich.“

Sein Buch „Du bist da in meinem Schmerz“ reflektiert Phasen, die Leidende durchleben. Denn das, was er selbst durchlitten hat, bezeichnet er heute als „typisch für Menschen in Krisensituationen unterschiedlichster Art“. Inzwischen sieht Roland Hardmeier Früchte seiner Erfahrungen und hat diese schriftlich festgehalten.

Seine Vorbilder waren hier unter anderem die Dichter der biblischen Psalmen. Auch sie haben ihren Schmerz nicht ignoriert, sondern vor Gott ausgesprochen und mit dem Bewusstsein, dass Gott mitten im Schmerz bei ihnen ist, einen anderen Blick auf ihr Leiden bekommen. Roland Hardmeier hat erfahren:

Beten aus der Tiefe des Herzens ist immer willkommen bei Gott. Es war für mich sehr befreiend.

Heute sieht er sich nicht mehr als toten Baum an, sondern erkennt die Früchte, die aus seinem Zerbruch entstanden sind.Und an diesen Früchten kann er sich freuen, denn seine Bücher und Referate sprechen Menschen in Krisensituationen an und helfen auch ihnen, eine neue Perspektive zu gewinnen.

Leid als Vorbereitung für eine gute Zukunft

Heute ist Dr. Roland Hardmeier Dozent, Buchautor und Berater. Sein Glaube hat ihn durch die schweren Jahre seines Leidens getragen. Er möchte Menschen Mut machen, nicht in ihrem Schmerz steckenzubleiben.

Er bezeugt: „In der Bibel sehe ich, Leid ist oft nicht eine Strafe für gestern, sondern eine Vorbereitung auf morgen, da ist Gott irgendwie auf geheimnisvolle Art und Weise im Leiden am Werk und macht etwas mit dem Menschen. Macht auch etwas Gutes mit daraus.

Ich bin mir bewusst, es gibt Leid, da bleibt mir die Spucke weg, da weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Es gibt unsägliches Leid und trotzdem gibt es irgendwie in diesem Leid Hoffnung, weil Gott im Leiden wirkt. Ich finde, das ist die einzigartige Antwort des christlichen Glaubens.“

Es gibt unsägliches Leid und trotzdem gibt es irgendwie in diesem Leid Hoffnung, weil Gott im Leiden wirkt. Ich finde, das ist die einzigartige Antwort des christlichen Glaubens.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren