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© Brunnen / brunnen-verlag.de

15.10.2013 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Schluss mit Lebenslügen

Das Buch „Lebenslügen, die wir verinnerlicht haben“ von Reinhold Ruthe zeigt auf, wie wir uns jeden Tag selbst belügen.

„Du sollst doch nicht lügen“, so maßregeln Eltern oft ihre Kinder, wenn diese die Unwahrheit erzählen. Da hilft es auch nichts, dass für das Kind der imaginäre Freund sehr real erscheint oder es schon vergessen hat, dass es bereits ein Eis zum Nachtisch gab. Manchmal belächeln wir Erwachsenen sogar die Kinder, die noch nicht zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden können. Doch auch wir Erwachsenen sitzen bestimmten Vorstellungen über unser Leben auf, die mit der Realität wenig zu tun haben.

Diesen sogenannten Lebenslügen widmet sich Reinhold Ruthe in seinem Ratgeber „Lebenslügen, die wir verinnerlicht haben“. In dem Buch erläutert Ruthe zunächst einmal, wie falsche Vorstellungen zustande kommen können. Daraus, wie wir bereits als Kind die Welt erleben und erklären, leiten sich Deutungsmuster ab, die wir auch im Erwachsenenalter oft nicht ablegen geschweige denn durchschauen. Ruthe macht deutlich, dass oft folgendes Prinzip für unsere Wahrnehmung der Welt zutrifft: „Wir sehen, was wir sehen wollen. Wir hören, was wir hören wollen. Wir deuten, wie es uns ins Konzept passt.“

Eltern tragen große Verantwortung

Diese Erkenntnis Ruthes klingt hart und beim Lesen kann ich ihr erst mal nur in Teilen zustimmen. Gespannt lese ich weiter und lerne umzudenken. Denn Ruthe gelingt es, klar zu machen, was er mit seinen Worten meint. Es geht nicht darum, dass Menschen bewusst selektieren, was sie für wahr halten und was nicht. Vielmehr handelt es sich bei den Lebenslügen um Brillen, die wir aufhaben und die jede Wahrnehmung der Wirklichkeit prägen. Wenn diese Brille rosa gefärbt ist, finde ich alles toll; ist sie dunkel oder schwarz gefärbt, erscheint mir die ganze Welt als trist und trüb.

Wie meine Brille gefärbt ist und ob es eine starke Färbung ist oder nicht, entscheidet sich in der Kindheit. Hier ist entscheidend, welches Vorbild Eltern ihren Kindern sind. Wenn Kinder zum Beispiel überbehütet und bemuttert werden, kann dies zu Unselbständigkeit im Erwachsenenalter führen. Auch kann es vorkommen, dass Kinder negative Verhaltensmuster der Eltern übernehmen, da sie tendenziell dazu neigen, das Verhalten ihrer Bezugspersonen nachzuahmen. Deswegen haben Eltern eine große Verantwortung, ihren Kindern einen gesunden Blick auf die Realität mitzugeben.

Lebenslügen zerstören unser Leben und unsere Beziehungen

Im Folgenden geht Ruthe auf mehrere Arten von Lebenslügen ein und greift anhand von Beispielen auf, an welchen Stellen Menschen leicht Lebenslügen aufsitzen. Zu den klassischen Lebenslügen gehören genauso das Leugnen von Schuld wie übermäßige Schuldgefühle. Aber auch Vorurteile, krankhafte Eifersucht oder übermäßiges Selbstmitleid können aus Lebenslügen entstehen beziehungsweise zur Lebenslüge werden. So glaubt zum Beispiel der Eifersüchtige, er sei nicht gut genug für seinen Partner, weswegen er ständig befürchtet, dass der andere ihn verlassen oder betrügen wird. Anhand eines Fallbeispiels macht Ruthe klar, wie sehr dies eine Partnerschaft belastet.

Auch Schwarz-Weiß-Denken oder Perfektionismus können zu einer Lebenslüge werden und den Menschen schaden. Gerade der Anspruch, alles richtig zu machen und immer auf der Gewinnerseite zu stehen, kann zum Scheitern führen. Denn sobald ein Mensch mit solchen Überzeugungen die eigenen Idealvorstellungen nicht erreicht, sieht er sich als Versager. Die Folgen sind oft innere Erstarrung oder Depressionen.

Auch fromme Lebenslügen sind Lügen

Gerade weil Lebenslügen solch eine zerstörerische Kraft haben, ist es wichtig sie zu erkennen. Dazu gibt Ruthe noch einmal im letzten Kapitel des Buches einige Tipps in Form von vierzehn Denkanstößen. Anhand dieser kann der Leser sich intensiver der Frage widmen, welche Lebenslügen er selbst verinnerlicht hat und wie er diese überwinden kann. Hier macht Ruthe außerdem deutlich, welche Hilfe der Glaube für das Überwinden von Lebenslügen und falschen Denkmustern sein kann. Denn da, wo der Mensch im Vertrauen auf Gott lebt, braucht er sich nicht selbst die Welt zu erklären.

Gleichzeitig verschweigt er aber nicht, dass es auch fromme Lebenslügen geben kann wie etwa die Einstellung „Ein Christ ist immer im Dienst“. Auch gegen solch fromme Lebenslügen verwehrt sich Ruthe und stellt heraus, dass Menschen, die solchen Lügen Glauben schenken, oft mehr die Anerkennung anderer suchen als Gott gefallen zu wollen. Für ihn steht fest: Auch die ehrenwerteste und frommste Lebenslüge ist letztlich eine Lüge. Diese Tatsache möchte Ruthe dem Leser nahebringen.

Fazit

Das Buch „Lebenslügen, die wir verinnerlicht haben“ ist empfehlenswert für jeden, der bereit ist, die eigenen Lebensüberzeugungen und Motive auf den Prüfstand zu stellen. Der Autor Reinhold Ruthe schafft es einfach und verständlich zu erläutern, was Lebenslügen sind und wie man ihnen begegnen kann. Natürlich fällt es beim Lesen nicht leicht, sich einzugestehen, dass auch man selbst der einen oder anderen Lebenslüge aufgesessen ist. Doch wenn man sich dieser Tatsache erst mal gestellt hat, kann man von diesem Buch sehr profitieren.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

Michael S. /

Folgender Satz, ob von Ruthe oder Schneebeli, ist bildungsfeindlich, inakzeptabel und läuft der Aufklärung zuwider.

Benjamin /

Schon witzig, wohin die Lektüre des wöchentlichen ERF Newsletters mich ab und an führt!
Ehrlich gesagt bin ich kein großer Leser (mehr), aber nach dem lesen dieser Rezension muß ich mir dieses Buch einfach kaufen! :-)

Rolf G. /

Danke für das Vorstellen dieses Buches.
Muss es doch lesen.

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