Navigation überspringen
© Katharina Wieland Müller / pixelio.de

07.07.2015 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Christine Keller

Lack, Leder und Gottes Liebe

Das Hohelied der Liebe im Erotikmarkt? Sonja Lettich hat es erlebt. Ein Interview.

Sonja Lettich leitet die Filiale einer bekannten Erotikfachmarktkette in Hamburg. Sie arbeitet von frühmorgens bis spätabends – und das sechs Tage die Woche. Ihr Leben wird von ihrer Arbeit diktiert. Doch dann verändert ein Erlebnis nach und nach alles: Eine Pastorin liest in ihrer Filiale das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13) vor. Diese Liebe macht Sonja Lettich neugierig. Sie besucht einen Glaubenskurs, entscheidet sich für ein Leben mit Jesus und orientiert sich beruflich um. Wir haben mit Sonja Lettich über ihre Arbeit im Erotikmarkt und göttliche Liebe gesprochen.
 

ERF: Sie sind gelernte Bürokauffrau, haben in der Gastronomie gearbeitet, eine Fortbildung zur Fachwirtin gemacht und dann sechs Jahre lang mehrere Filialen einer deutschlandweiten Erotikfachmarktkette geleitet. Wie sind Sie zu diesem Job gekommen?

Sonja Lettich: Das war in der Tat ungewöhnlich. Ich habe damals in Göttingen gelebt und an einer Rezeption gearbeitet. Ich war unzufrieden mit meiner Arbeit und wollte mich mit einer Bar selbstständig machen. Ich habe Konzepte geschrieben und mich mit Banken unterhalten, aber es hat irgendwie nie geklappt. Dann habe ich zufällig den Aufruf dieser Kette gesehen, dass sie jemanden für ihre Filiale in Göttingen suchen. So bin ich im Jahr 2008 in diese Branche reingerutscht.
 

ERF: Wie haben andere reagiert, wenn Sie erzählt haben, wo Sie arbeiten?

Sonja Lettich: Bei meiner Familie hatte ich die meisten Bedenken. Aber sie waren erstaunlich gelassen! Mein Sohn war zu dem Zeitpunkt recht jung – er ist gerade in die Pubertät gekommen. Er fand es aber cool, dass seine Mama so einen Job ausübt. Die Erotikmarktkette legt allerdings auch viel Wert darauf, dass die Läden hell und sauber sind und eben kein Schmuddel-Image haben. Das hat es mir natürlich erleichtert.

Eine Bibellesung im Erotikmarkt

 

ERF: Als Sie das Geschäft in Hamburg geleitet haben, wurde von der Werbegemeinschaft im Jahr 2012 ein Event in Ihren Räumen organisiert. In dieser Werbegemeinschaft ist auch die Christus-Gemeinde Barmbek-Nord. Die Pastorin der Gemeinde Regina Gaßmann hat angekündigt, eine kurze Lesung vorzubereiten. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das gehört haben?

Sonja Lettich: Das war skurril. Ich hatte Regina Gaßmann durch die Werbegemeinschaft schon vorher oberflächlich kennengelernt. Sie ist mir mit ihrer Art gleich im Gedächtnis hängengeblieben. Sie wirkte sehr jung und frisch, das fand ich bemerkenswert.

Als sie vorgeschlagen hat, eine Lesung auf der Veranstaltung zu halten, war ich trotzdem irritiert. Ich bin in einer „Hippie“-Familie aufgewachsen, in der unterschiedliche Denkrichtungen ihren Platz haben – insofern fand ich die Idee von Regina spannend. Ich war nur verwundert, dass sie in meinem Laden etwas vorlesen wollte. Für mich war es nur deswegen  befremdlich, weil ich bis dahin mit Kirche gar nichts zu tun hatte, mit der Bibel noch weniger.
 

ERF: Regina Gaßmann hat das Hohelied der Liebe vorgelesen. Wie fanden Sie den Text?

Sonja Lettich: Unglaublich schön. Die Atmosphäre hat sich auch sofort verändert: Es war plötzlich ganz still und alle haben zugehört. Es lag unglaublich viel Liebe in der Luft trotz dieser bizarren Umgebung. Mich hat der Text so ergriffen, dass ich hinterher auf Regina Gaßmann zugegangen bin und sie gefragt habe, was das für ein Text war. Die Worte sind mir sehr nahe gegangen.
 

ERF: Wie ging es dann weiter?

Sonja Lettich: Am nächsten Tag hat Regina mir und meiner Mitarbeiterin jeweils ein Neues Testament vorbeigebracht. Sie hat markiert, welche Stelle sie vorgelesen hat und eine kleine Widmung reingeschrieben. Daran habe ich gemerkt, dass sie auch Interesse an mir hat. Sie hätte nicht wiederkommen müssen. Von dem Tag an kam sie ab und zu im Laden vorbei.

Ich habe immer gesagt, dass ich irgendwann in den Gottesdienst kommen werde. Ich habe es nie geschafft, weil ich sechs Tage in der Woche gearbeitet habe und froh war, den Sonntag freizuhaben. Ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen, wenn sie kam und ich den Gottesdienst immer noch nicht besucht hatte. Sie fand das aber überhaupt nicht schlimm.

Ohne Vorbehalte angenommen

Der Alpha-Kurs ist ein Glaubensgrundkurs, der Fragen stellt wie: "Warum bin ich hier?" "Wo gehe ich hin?" oder "Gibt es Gott"? Hier finden Sie einen Alpha-Kurs in Ihrer Nähe.

ERF: Sie haben dann an dem Alpha-Kurs der Gemeinde teilgenommen. Warum?

Sonja Lettich: Regina war unterwegs und hat in der Stadt Flyer für den Alpha-Kurs ausgelegt und kam zu mir in den Laden. Zu dem Zeitpunkt steckte ich in einer Sinnkrise. Ich wusste, dass meine Arbeit nicht das Richtige für mich ist und ich war ganz alleine in Hamburg. Ich wohnte erst seit kurzem in der Stadt, meine Familie lebte woanders und ich habe mich einsam gefühlt. Das habe ich Regina an dem Tag erzählt.

Dann gab sie mir einen Flyer und sagte: „Vielleicht ist das hier das Richtige für dich.“ Ich dachte erst: „Ich weiß nicht, ob das meins ist.“ Sie hat mir den Ablauf vorgestellt und erzählt, dass sie eine bunte Gruppe unterschiedlichen Alters sind, die auch bei jedem Treffen zusammen essen. Weil ich erst nach meiner Arbeit dazustoßen konnte, schlug Regina vor, sie würden mir immer eine Portion aufheben. Dann dachte ich: „Wenn sie sich so viel Mühe gibt, dann muss ich mir den Kurs zumindest angucken.“ Ich bin dann den ganzen Kurs über geblieben.
 

ERF: Was hat Sie an dem Kurs so angesprochen?

Sonja Lettich: Am ersten Abend bin ich mit gemischten Gefühlen hingegangen. Ich war etwas aufgeregt, weil man viele neue Leute kennenlernt. Aber die Aufregung ist schnell verflogen, weil die Atmosphäre so schön war. Was mich nachhaltig beeindruckt hat: Ich wurde völlig vorurteilsfrei aufgenommen. Im Nachhinein weiß ich, dass Regina dem Alpha-Team mitgeteilt hatte, wer ich bin und woher ich komme.

Ich kam also zu dem Kurs und es war den Menschen egal, wo ich herkomme oder was ich mache oder gemacht habe. Sie haben mir einfach vermittelt: „Du bist jetzt hier und es ist schön, dass du da bist. Sei herzlich willkommen und fühl dich eingeladen.“ Das war ein unglaubliches Erlebnis und hat mich regelrecht dahingezogen. Am vierten oder fünften Abend habe ich mich dann für ein Leben mit Jesus entschieden. Mir ist in dem Kurs klargeworden, dass ohne Jesus gar nichts geht. Das war plötzlich ganz offensichtlich. Im September 2013 habe ich mich dann im Stadtpark in Hamburg taufen lassen.  

Kein Job, dafür Frieden und Freiheit

ERF: Kurz darauf haben Sie die Entscheidung getroffen, Ihren Job aufzugeben. Im März 2014 haben Sie dann aufgehört, Ihrer Tätigkeit nachzugehen. Warum?

Sonja Lettich: Ich wusste schon vorher, dass meine Arbeit nicht mehr das Richtige für mich ist. Je mehr ich mich mit der Bibel beschäftigt habe, desto klarer wurde, dass ich etwas ändern muss. Ich habe dann auf ein Zeichen von Gott gewartet. Ich habe gehofft, dass er mich quasi in eine andere Richtung schubst. Es kam aber kein Zeichen.

Trotzdem war für mich offensichtlich: Ich muss hier aufhören und das habe ich einfach getan. Ich habe die Kündigung abgeschickt, ohne etwas Neues zu haben. Ich war so erleichtert, als ich den Brief zur Post gebracht habe. Ich fühlte mich frei! Das war für mich die Bestätigung, dass ich das Richtige getan habe. Wenn sich in mir so ein tiefer Frieden ausbreitet, dann kann er nur von Gott sein!
 

ERF: Hatte Ihre Unzufriedenheit auch mit dem Erotikbereich zu tun?

Sonja Lettich: Auf jeden Fall. Ich habe gemerkt, wie menschenunwürdig die Pornoindustrie eigentlich ist. Wir hatten nicht viele Filme in den Läden, aber dennoch macht es einen Teil aus. Es hat mich angewidert und ich wollte diesen Bereich nicht mehr unterstützen.
 

Sonja Lettich in ihrem Feinkostladen. Bild: Privat

ERF: Sie haben mit dieser Entscheidung auch Ihre finanzielle Existenz aufgegeben. Wie ging es Ihnen damit?

Sonja Lettich: Die Situation hat mich belastet. Ich wusste überhaupt nicht, wie es weitergeht. Ich habe mich dann für alle möglichen Bürojobs beworben. Es hat aber nirgends gepasst. Mir hat es richtig Sorge gemacht, weil ich natürlich weiter meine Miete bezahlen musste. Außerdem hat mein Sohn eine private Schule besucht, die monatlich gezahlt werden musste.

Ich musste also meine Ausgaben reduzieren und mein Sohn hat sich einen Nebenjob gesucht. Glücklicherweise hat mein Sohn mir deswegen nie Vorwürfe gemacht. Wenige Monate danach habe ich einen eigenen Laden eröffnet. Ich verkaufe Feinkost und Wein und koche für einen Mittagstisch. Im Nachhinein hat mir die Pause dazwischen gut getan. Ich habe die Zeit gebraucht, um zur Ruhe zu kommen – schließlich habe ich immer sehr viel gearbeitet.

„Diese Liebe kennenzulernen, lohnt sich“

ERF: Was hat Ihre Familie zu Ihrem Lebenswandel gesagt?

Sonja Lettich: Meine Familie hat natürlich mitbekommen, dass ich plötzlich sonntags in den Gottesdienst gehe und Termine habe, die mit der Gemeinde zu tun haben. Aber insgesamt hat sich der Wandel recht langsam vollzogen. Meine Familie merkte, dass mir die Veränderungen gut tun und ich mich zum Positiven verändere. Das ist das Ausschlaggebende.

Mein Bruder hat mir vor einigen Monaten gesagt – und das ist für mich ein Liebesbeweis – , dass er unglaublich stolz auf mich ist, weil zu einem Lebenswandel auch viel Mut gehört. Mein Vater ist außerdem erleichtert, dass ich aus der Erotikbranche raus bin.
 

ERF: Angefangen haben die Veränderungen mit den Worten des Hohelieds der Liebe. Wie erleben Sie diese Liebe heute in Ihrem Alltag?

Sonja Lettich: Ich lerne diese Liebe immer besser kennen und kann sie dadurch nun auch besser weitergeben. Ich merke das besonders im Umgang mit meinen Kunden: Wenn sie mir ihre Geschichte erzählen, kann ich Anteil daran nehmen. Ich empfinde Liebe zu Menschen, die ich kaum kenne. Das ist unglaublich und wunderschön. Schon um diese Liebe kennenzulernen, lohnt es sich, sich mit Jesus zu beschäftigen.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (4)

(ein anderer) Christoph /

Ich finde es schön, wenn der Feinkostladen nun im Prinzip zu einem freshX geworden ist, indem Sonja dort die Liebe, die sie von Jesus empfangen hat, an die Gäste weiter gibt: zum Beispiel indem sie zuhört und sicher auch mal was von ihrem Glauben erzählen kann.
Praise the Lord!

Christoph /

Hallo Beate,
es gibt zweimal ein "Hohelied" in der Bibel. Das eine ist von Salomo und steht im AT. Hier geht es aber um das "Hohelied der Liebe", und das hat Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth formuliert.
Grüße
Christoph

Beate /

Irgendwas stimmt hier nicht:Hat sie aus dem Hohenlied gelesen? dann findet sie das nicht im Neuen Testament, oder aus 1. Kor. 13 über die Liebe, das wäre im NT zu finden.
Vielleicht hat sie auch eine ganze Bibel mit AT und NT geschenkt?

Katharina /

Echt stark! Hoffe, dieser (Lebens-)Bericht erreicht Viele!
Gibt es eine Website von dem neuen Laden von Sonja Lüttich?

Das könnte Sie auch interessieren