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© kilarov zaneit / Unsplash.com

06.06.2024 / Buchauszug / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Martina Weiss

Gefühls-Chaos?!

Gefühle sind Gäste. Dieser Gedanke kann bei ihrer Bewältigung helfen. Buchauszug aus „Trauer sucht Trost“.

Andi Weiss ist Songpoet und Logotherapeut, seine Frau Martina Weiss ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und arbeitet als Dozentin und Supervisorin. Gemeinam haben sie das Buch Trauer sucht Trost geschrieben, in dem auch dieser Text zu finden ist. Es ist ein Trauerbegleiter der ganz anderen Art: Bunt, kreativ und ohne Seitenzahlen.

Wir veröffentlichen mit freundlicher Genehmigung von Martina und Andi Weiss diesen Buchauszug. Hier können Sie unsere Podcastreihe Trauerzeiten mit ihnen finden.

Es gibt unangenehme Gefühle, die nicht auszuhalten sind. Zumindest fühlt es sich so an. Erst mal. Eine Übung, die mir bei solchen Gefühlen manchmal hilft: Ich stelle mir vor, dass ich ein Hotel bin. Die Gefühle sind Gäste, die einchecken wollen. Wenn ich sie ignoriere, werden sie andauernd auf die Klingel drücken oder sogar Sturm läuten. Sie werden versuchen, sich irgendwie Zugang zu verschaffen. Wenn ich sie nicht reinlasse, werden sie vielleicht Beschwerde einlegen, es wird dann richtig unangenehm für mich.

Also denke ich: Ich kann mir meine Gäste nicht aussuchen, jetzt lasse ich sie erst mal rein und heiße sie herzlich und warm willkommen.

Ich lächle und sehe sie mir genau an: die kalte, bedrohliche, schweißnasse Angst, den dunklen, traurigen, stechenden Schmerz und die unruhestiftende, heiße Wut.

Und dann nenne ich sie beim Namen. Ich sage nicht: Ich bin traurig oder ich bin ängstlich, sondern ich sage: Sieh an, da ist sie, die Traurigkeit. Ah, das ist also die Angst. Denn die Gäste sind ja in meinem Hotel. Aber sie sind nicht das Hotel. Sie sind da, aber sie sind nicht ich. Ich bestehe nicht aus ihnen.

Ich nehme sie wahr, lerne sie kennen und lasse sie bleiben, so lange sie wollen. Und irgendwann werden sie wieder abreisen, meine Gäste. Das haben Gäste so an sich.

Selbst die unangenehmsten Gefühle werden irgendwann verschwinden.

Einige von ihnen kann ich vielleicht sogar kennenlernen und so verstehen, welche Aufgaben sie hatten, warum sie genau jetzt zu mir gekommen sind. Einige werden sich wandeln und den Blick auf angenehmere Gefühle freigeben. Und einige werden vielleicht sogar zu Freunden.
 

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