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© Courtney Cook / unsplash.com

24.02.2024 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Freundschaft lebt jeder anders

Welche Beziehungstypen du in deinem Freundeskreis brauchst und wie du sie findest.

Vielleicht kennst du das: Du hast einen genialen Abend mit einem Freund oder einer Freundin, aber irgendwas fehlt und du kannst es gar nicht genau benennen. Oder aber du und dein Partner tun sich schwer damit, gemeinsame Freundschaften aufzubauen.

Das kann daran liegen, dass ihr andere Freundschaftstypen seid. Während ich das Buch „Gemeinsam“ von Jennie Allen las, gab es immer wieder Stellen, an denen ich dachte: „Klingt ganz cool, aber solch eine Freundschaft suche ich gar nicht“ oder „Um Freundschaften so zu leben, müsste ich viel an meiner Persönlichkeit ändern“.

Und während ich dir Mut mache, das Buch zu lesen und Impulse für dich und deine Freundschaften daraus zu ziehen, möchte ich dich auch an meinen Gedanken in puncto „Was für eine Art Freundin bin ich eigentlich?“ teilhaben lassen. Denn wie wir Freundschaften und andere zwischenmenschliche Beziehungen leben und inwieweit wir uns in diesen wohlfühlen, hat auch etwas damit zu tun, wer wir sind.

Ich bin ein extrovertierter Introvert, das heißt: Ich fühle mich zwar in großen Gruppen unwohl, aber wer mit mir befreundet sein will, muss mit meiner großen Klappe klarkommen. Am wohlsten fühle ich mich mit ein oder zwei guten Freundinnen oder in einer kleinen Gruppe. Und da pflege ich am liebsten einen eifrigen Gedankenaustausch.

Auf welchem Weg knüpfst du deine Freundschaften?

Wie würdest du dich beschreiben? Und unter welchen Leuten fühlst du dich wohl? Vielleicht eröffnen dir meine Gedanken zu verschiedenen Freundschaftstypen ja auch einen neuen Blick auf deine Freundschaften. Gemeinsam stellen wir uns die Frage: Wer sollte auf meinem Lebensschiff mit an Bord sein? Und nach welchem Muster knüpfe ich neue Freundschaften?

Meine Beobachtung ist: Es gibt zwei Wege, wie Menschen üblicherweise zu Freunden werden, beziehungsweise es gibt noch mehr Wege, aber auf diese zwei Weisen entwickeln sich Freundschaften generell am häufigsten.

Der eine Weg führt über gemeinsame Interessen, sprich: Ich habe ein Hobby oder etwas, was ich gern tue, oder ein Thema, über das ich gerne rede, und ich baue mir mein soziales Netzwerk aus Menschen auf, die ähnlich ticken. Für Menschen, die diesen Weg bevorzugen, sind Gemeinsamkeiten, die man mit den Freunden teilt, oft wichtiger als die Häufigkeit, in der man sich trifft, oder die Entfernung.

Der zweite Weg, um Freunde zu gewinnen, ist schlicht die günstige Gelegenheit. Man verbringt sowieso den ganzen Tag auf der Arbeit zusammen und irgendwann trifft man sich auch abends zu einem Spieleabend. Man wohnt Tür an Tür mit einer anderen Familie. Natürlich spielen die Kinder miteinander und man grillt im Sommer zusammen. Wer diesen Weg bevorzugt, präferiert Freunde in der Nähe und Treffen mit wenig Organisationsaufwand. Wichtig ist mir hier:

Keiner dieser Wege ist schlechter als der andere, um Freundschaften aufzubauen. Meist macht erst die Kombi aus gemeinsamen Interessen und Gelegenheit aus einer lockeren Bekanntschaft eine Freundschaft.

Warum erwähne ich trotzdem beide Wege? Weil die meisten Menschen einen Weg präferieren. Ich sollte daher wissen, wo und wie ich nach neuen Freunden suche, bevor ich dies aktiv tue.

Gemeinsame Interessen schaffen ein Wir-Gefühl

Ich persönlich knüpfe oft über gemeinsame Interessen Freundschaften. Ich habe Menschen in meinem Leben, denen ich nie begegnet wäre, wenn ich nicht bestimmte Hobbys und Fandoms pflegen würde. Diese Herzensmenschen gehören in etlichen Fällen nicht meiner Altersgruppe an, wohnen teils weit weg und haben auch sonst keine Überschneidung mit meinem Alltag.

Aber angesichts der tiefen Themen, die ich mit diesen Freundinnen schon per Chat oder am Telefon durchdiskutiert habe, möchte ich sie in meinem Leben nicht missen. Per Distanz tiefe Freundschaften pflegen geht nicht? Sehe ich anders. Wenn man gemeinsame Interessen hat und sich Zeit für die Freundschaft nimmt, kein Problem.

Tatsächlich hat dieser Weg, Freundschaften zu knüpfen, viele Vorteile. Man erspart sich oft langen Smalltalk. Denn sobald ein Thema gefunden ist, das einen verbindet, ergeben sich weitere Gespräche wie von selbst. Schnell hat man den Eindruck, sich schon ewig zu kennen, und es entsteht ein Wir-Gefühl.

Ein Nachteil dabei ist, dass die Freundschaft auf einer reinen „Hobby“-Ebene bleiben kann. Sobald sich ein Interesse ändert oder verschiebt, ist potenziell auch die Freundschaft in Gefahr, besonders wenn die Freunde weiter weg wohnen.

Garantieren gemeinsame Interessen also eine gute Freundschaft? Nur bedingt, aber ist Gelegenheit besser geeignet, langfristige Freundschaften aufzubauen? Das schauen wir uns jetzt an.

Gelegenheit macht Freundschaft

Gelegenheit macht Liebe, so heißt es. Und in vielen Fällen macht Gelegenheit auch Freundschaft. Wenn ich Menschen regelmäßig im Alltag treffe, zum Beispiel am Arbeitsplatz, im Hauskreis oder Sportclub, entsteht automatisch ein häufiger zwischenmenschlicher Kontakt. Ich finde heraus, wie der andere tickt und ob ich mit ihm kann.

Irgendwann lade ich ihn oder sie mal zum Essen oder einem Spieleabend ein. Man geht gemeinsam ins Kino und schwuppdiwupp ist man eng befreundet. Natürlich ist es nicht immer so einfach, aber wenn ich oft Kontakt zu Menschen habe, die ich mag, ergibt es sich automatisch, dass wir auch mal unsere Freizeit miteinander verbringen oder über ernste Themen ins Gespräch kommen.

Nicht umsonst rät Jennie Allen in ihrem Buch „Gemeinsam“ dazu, bei der Suche nach engen Freunden die Augen in den Lebensbereichen offenzuhalten, in denen man sich sowieso bewegt.

Viele von uns haben täglich etliche zwischenmenschliche Kontakte. Wenn wir uns bewusst entscheiden, zu einigen von ihnen eine Freundschaft aufzubauen, wird unser Bedürfnis nach Gemeinschaft automatisch gestillt.

Freundschaftsfaktor „Gelegenheit“? Am Ende doch sehr flüchtig

Ganz so leicht ist es aber leider nicht. Denn vielleicht stellt sich heraus: Ich unterhalte mich zwar mit der Kollegin gerne während der Mittagspause, aber unsere Freizeitinteressen liegen weit auseinander. Und nur weil man neben einer Familie wohnt, deren Kinder im gleichen Alter sind, müssen die Eltern noch nichts gemein haben.

Dann kommt es zu Treffen, die zwar irgendwie „nett“ sind, aber auch einen gewissen Cringe-Faktor haben. Jeder gibt sich große Mühe, aber tiefe Gespräche ergeben sich nicht und man fährt am Abend heim, verspricht, sich wiederzusehen, und fragt sich, wie lange man diese Phase durchmachen muss, bis es mal wirklich mit jemandem matcht.

Tja, und wenn eine Freundschaft vor allem auf dem Faktor „Gelegenheit“ aufgebaut ist, was passiert, wenn einer der Freunde wegzieht? Ich habe schon viele Gelegenheitsfreunde an Umzüge verloren. Nicht, dass ich sie nicht mehr mag oder sie mich nicht mehr, aber kaum lebten sie oder ich einige Wochen am neuen Wohnort, schlief der Kontakt ein.

Gelegenheit schafft also auch nicht automatisch gute Freundschaften. Sowohl gemeinsame Interesse als auch Gelegenheit sind hilfreich, um Kontakte zu knüpfen. Für tiefe Freundschaften braucht es meist aber noch mehr. Nur was ist das?

Der Kitt in Freundschaften: Gemeinsame Werte und Erwartungen

Jennie Allen nennt in ihrem Buch fünf Faktoren, die Freundschaften auszeichnen, die Bestand haben. Im nächsten Artikel dieser Reihe werden wir uns diese Faktoren genauer anschauen. Doch meines Erachtens gibt es noch zwei Punkte, die unabhängig von diesen Schlüsseleigenschaften zu Beginn einer Freundschaft wichtig sind: gemeinsame Werte und ähnliche Erwartungen.

Wenn in meinem Leben Freundschaften schon im Kennenlern-Prozess gescheitert sind, lag es oft an diesen beiden Punkten.

Wenn zu Gelegenheit und / oder gemeinsamen Interessen nicht auch gemeinsame Werte kommen, werde ich mich auf lange Sicht in einer Freundschaft nicht wohlfühlen.

Deine Freunde lästern regelmäßig über andere, machen sich über deinen Glauben lustig oder verletzen Grundwerte, die du hast. Dann lohnt es sich nicht, weiter in eine tiefe Freundschaft zu ihnen zu investieren. Denn du wirst dich in ihrer Nähe immer unwohl fühlen, weil du andere Werte hast und ihr Verhalten diese Werte verletzt, selbst wenn ihr euch nie über diese Punkte streiten solltet.

Auch unterschiedliche Erwartungen sind Gift für eine Freundschaft. Du wünscht dir eine Freundschaft, in der ihr gemeinsam Dinge unternehmt: Wandertouren, Kinobesuche und Shoppingtrips. Aber deine Freundin sucht jemanden für Netflix-Abende und zum Quatschen. Das kann funktionieren, wenn sich beide der verschiedenen Erwartungen bewusst sind und am Ende jeder auf seine Kosten kommt. Oft ist das aber nicht so.

Noch schwieriger wird es, wenn einer sich eine sehr enge Freundschaft wünscht, der andere aber nur eine lockere Bekanntschaft sucht. Hier ist die Enttäuschung für den, der mehr von der Freundschaft erwartet, vorprogrammiert. Und der andere lebt mit einem dauerhaft schlechten Gewissen, weil er unbewusst die Erwartungen des anderen spürt.

Daher kann es sinnvoll sein, solche Punkte zu Beginn einer Bekanntschaft zu thematisieren, zumindest wenn man merkt: Irgendwas hakt hier gerade zwischen uns. Das ist besser als viel Zeit in eine Freundschaft zu investieren, die nie das Level an Tiefe erreichen kann, das du dir wünscht.

6 Freundestypen, die du brauchst

Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir uns nicht nur mit Menschen umgeben, die uns ähneln. Jennie Allen nennt in ihrem Buch sechs Typen von Menschen, die du in deinem Freundeskreis brauchst. Das heißt nicht, dass du genau sechs Freunde brauchst. Hierbei geht es mehr um die Art, wie diese Menschen Freundschaft leben und da können sich zwei Arten in einer Person vereinen.

Trotzdem ist es hilfreich Ausschau danach zu halten, wo du Menschen in deinem Bekanntenkreis hast, die diese Eigenschaften mit- und in eine Freundschaft einbringen.
 

1. Der/ die Weise

Ein Mensch mit diesen Eigenschaften hat immer einen guten Rat für dich parat. Egal vor welchem Lebensproblem du stehst, solche Menschen hören dir zu, nehmen dich ernst und können dir aus ihrem Erfahrungsschatz einen Tipp geben, wie du mit einer Situation weise umgehen kannst.

Tipp: Oft findest du einen Freund mit diesen Eigenschaften nicht in deiner eigenen Altersklasse, sondern in einem älteren Menschen mit mehr Lebenserfahrung.
 

2. Der Ermutiger, die Ermutigerin

Auch dieser Freundschaftstyp hat immer ein offenes Ohr, aber seine besondere Eigenschaft sind nicht seine guten Ratsschläge, sondern seine Zugewandtheit zu dir und die Motivation, dich vorwärtszubringen. Ein Ermutiger nimmt dich in den Arm, wenn du es brauchst, kann aber genauso gut jemand sein, der dich motiviert, in einer schwierigen Situation dranzubleiben.
 

3. Der Kamerad, die Kameradin

Menschen wie diese brauchst du an deiner Seite, wenn du etwas umsetzen willst. Sie sind zupackend und unterstützen dich am liebsten durch ihr Tun. Je nach Begabung sind sie es, die dir Essen vorbeibringen, wenn du krank im Bett liegst, sie wuppen mit dir einen spontanen Umzug, lesen mal eben eine Bewerbung für einen neuen Job gegen oder unterstützen dich dabei, dein eigenes Business zu gründen.
 

4. Der/ die Herausfordernde

Viele Menschen tun sich schwer, einen Menschen mit diesen Eigenschaften in ihrem Freundeskreis zu haben. Dabei ist die Aufgabe, die der herausfordernde Freundestyp übernimmt, immens wichtig. Diese Menschen stellen nämlich die richtigen Fragen und dich damit auf eine positive Weise in Frage. Sie treten dir in den Hintern, wenn du es brauchst, und sagen dir ehrlich, wenn du gerade Mist baust.

Daher, auch wenn’s manchmal wehtut, du brauchst einen Menschen wie diesen in deinem engen Kreis.
 

5. Der Planer, die Planerin

Dieser Typ Mensch kann eines besonders gut: planen. Diese Eigenschaft stellt er in den Dienst eurer Freundschaft. Er oder sie fragt vielleicht bei jedem Treffen, wann ihr euch das nächste Mal seht. Er hat Geburtstage und besondere Ereignisse im Blick und wenn es etwas zu organisieren gibt, ist er vorne mit dabei.
Planer sind selbst nicht unbedingt zupackend, aber wenn du ihnen ein Problem schilderst, kannst du sicher sein, dass er oder sie danach überlegen wird, was oder wer dir dabei helfen kann.
 

6. Der/ die Lustige

Diesen Typ Menschen brauchst du, wenn du eine gute Party feiern willst, aber auch sonst lohnt es sich mindestens einen Menschen im engeren Bekanntenkreis zu haben, der diese Eigenschaft mitbringt. Menschen dieses Schlages sind lustig, spontan und bringen dich selbst dann zum Lachen, wenn es dir richtig dreckig geht.

Oft sind diese Personen nicht diejenigen, mit denen du tiefe Gespräche führst, aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Meine Erfahrung ist: Nur weil jemand es versteht, Spaß in eine Gesellschaft zu bringen, fehlt ihm nicht automatisch der Tiefsinn. Gelegentlich muss man danach aber etwas mehr schürfen.
 

Welche dieser Menschen hast du bereits in deinem Leben und wo ist eine Rolle vielleicht noch unbesetzt? Überlege doch mal, wer sie übernehmen könnte. Mach dir auch Gedanken darüber, auf welche Weise du am liebsten Freundschaften knüpfst – über gemeinsame Interessen oder Gelegenheit oder eine Mischung aus beidem – und welche Erfahrungen du damit gemacht hast.
 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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