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© Nathan McBride / Unsplash.com

28.11.2019 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Ruhe im Sturm

3 Dinge, die uns davon abhalten, zur Ruhe zu kommen, und wie wir ihnen begegnen.

Ruhe, Besinnlichkeit, Zeit zum Innehalten – das erhoffen sich viele Menschen zu Beginn der Adventszeit. Allerdings finden genau das nur die wenigstens. Ja, gerade im Advent sind Momente der Stille oft noch rarer gesät als sonst. Statt innezuhalten stecken wir fest im Adventstrubel. Wir jonglieren die Termine für diverse Weihnachtsfeiern, stürzen uns in überfüllte Kaufhäuser, um Geschenke für alle Lieben zu finden, und fühlen uns an Weihnachten nur noch platt und leer.

Nein, zum Ruhe finden taugt die Adventszeit meist herzlich wenig. Trotzdem weist sie uns auf ein Bedürfnis hin, das wir leider viel zu selten stillen: Das Bedürfnis, innezuhalten und ruhig zu werden. Nicht bei jedem Menschen ist dieses Bedürfnis gleichermaßen stark ausgeprägt. Doch wir alle brauchen sie – die Stille.

Doch was hindert uns eigentlich daran, Ruhe auch wirklich zu finden? In der Adventszeit ist dies meist offensichtlich. Aber wie sieht es mit den anderen elf Monaten im Jahr aus? Wird da unser Bedürfnis nach Innehalten gestillt? Meist nicht, denn sonst hätten wir ja kurz vor Jahresende nicht dieses dringende Bedürfnis nach einer „besinnlichen Weihnachtszeit“. Was also sind Ruhe-Killer in unserem Alltag und wie werden wir ihnen Herr?

Ruhekiller Nr. 1: Der ganz normale Wahnsinn

Ein ganz offensichtlicher Ruhekiller ist der Alltag. Jeden Tag haben die meisten von uns viele Dinge zu erledigen. Job, Familie, Gemeinde, Partnerschaft – überall haben wir Aufgaben und Verantwortungen, denen wir gerecht werden wollen und oft auch müssen. Viele Menschen – ich selbst eingenommen – leben nach dem Motto: Wenn dann mal etwas Luft ist, gönne ich mir Zeit für mich.

Doch seien wir ehrlich: Wenn wir uns nicht bewusst Freiräume im Alltag schaffen, werden sich solche Freiräume nicht zufällig ergeben. Stille passiert nicht einfach!

Wenn wir uns nicht bewusst Freiräume im Alltag schaffen, werden sich solche Freiräume nicht zufällig ergeben. Stille passiert nicht einfach!

Wir selbst sind dafür verantwortlich, mitten in unserem vollen Alltag Oasen der Ruhe zu schaffen. Wenn wir das nicht tun, tut es niemand anders für uns. Dann findet Stille schlichtweg nicht statt. Deshalb müssen wir Ruhepausen einplanen und sie genauso fest in unseren Terminkalender integrieren wie ein berufliches Meeting.

Ruhekiller Nr. 2: Digitale Dauerbeschallung

Und da wären wir dann direkt auch beim Ruhekiller Nr. 2: unseren Smartphones, Tablets und Mobile Devices. Nein, nicht die Geräte an sich sind das Problem, sondern wie sie unseren Alltag prägen. Denn eigentlich gäbe es ja diese kleinen Momente der Ruhe in unserem Alltag. Ich zumindest hatte sie früher, obwohl mein Leben auch damals schon voll war. Ich hatte sie beim Warten auf den Bus, bei der Zugfahrt, im Wartezimmer eines Arztes.

Sicherlich waren dies nicht die großen Stille-Momente. Aber es gab jeden Tag kleine Situationen, in denen ich nichts tun musste und einfach mal meinen Gedanken nachhängen konnte. Sicherlich konnte die Zeit auch mal lang werden, weswegen ich immer Musik oder ein gutes Buch dabei hatte. Aber manchmal starrte ich auch nur vor mich hin und fand Ruhe mitten im Alltag.

Heute sieht mein Alltag ganz anders aus. Natürlich,ich warte immer noch auf den Bus oder beim Arzt, aber mein Dauerbegleiter Smartphone sorgt mit hoher Zuverlässigkeit dafür, dass auch diese Zeit keine vergeudete Zeit ist. Mal eben schnell die Mails checken, einer Freundin über Facebook zum Geburtstag gratulieren, ein Weihnachtsgeschenk auf Amazon bestellen – all das erledige ich in dieser Zeit.

Und geben wir es zu: Ich fühle mich gut dabei! Denn ich kann so in einer Wartezeit etwas erledigen, was ich sonst später in meiner Freizeit nachholen müsste. Aber die kleine Ruhepause, die ich vorher an diesem Zeitpunkt im Alltag hatte, ist dahin.

Und was noch schlimmer ist: Ich hole sie nicht nach. Ich gönne mir nicht daheim in Ruhe eine Tasse Tee und setze mich entspannt auf mein Sofa, weil ich an der Bushaltestelle schon so fleißig meine To-Do-Liste abgearbeitet habe. Nein, im Gegenteil! Daheim angekommen mache ich genauso effizient weiter wie zuvor. Ja, ich merke sogar, wie ich mein Smartphone selbst in Situationen kaum noch aus der Hand lege, die ich eigentlich bewusst suche, um Ruhe zu finden.

Die wunderschöne Aussicht auf einer Wanderung regt mich nicht mehr zum Innehalten an, sondern dazu, mein Handy zu zücken und diesen Moment meiner Community mitzuteilen. Was ein Moment des Glücks, des Innehaltens und des Friedens hätte werden können, verkommt dann schnell zu einem bloßen Fotomotiv.

Wenn ich also wirklich Stille finden will, bedeutet dies unweigerlich, dass ich mein Smartphone auch mal weglegen muss. Ruhe finden – das geht nämlich nicht auf Instagram, WhatsApp oder Facebook.

Ruhekiller Nr. 3: Unsere innere Unruhe

Doch warum springen wir Menschen überhaupt so auf Smartphones und Co an, wenn wir doch eigentlich Stille suchen? Ganz einfach, weil wir tief in unserem Inneren der Stille misstrauen. Wir haben Angst vor ihr. In unserem trubeligen Alltag, so stressig er auch sein mag, fühlen wir uns eigentlich ganz wohl. Ja, er überfordert uns manchmal und bringt uns an manche Belastungsgrenze, aber die Stille ist uns einfach zu unheimlich.

In einem Lied singt Herbert Grönemeyer: „Stillstand ist der Tod“ und ganz oft setzen wir Menschen Stille mit Stillstand gleich. Wir haben Angst, dass wir etwas verlieren, wenn wir uns Zeit nehmen zum Innehalten. Wir fürchten uns davor, dass dann am Ende des Tages das Arbeitspensum nicht geschafft, die Wäsche nicht gefaltet und das Abendessen nicht gekocht ist. Daher hetzen wir durch den Tag und sind verständlicherweise am Ende aller Aufgaben nicht mehr in der Lage, innerlich zur Ruhe zu finden. Deshalb dürfen Ruhepausen nicht erst am Ende des Tages stehen, wenn wir vor Erschöpfung fast auf dem Sofa einschlafen. Nein, schon während des Tages brauchen wir Pausen.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum uns Stille Angst macht, und das ist, weil üblicherweise dann, wenn es um uns still wird, unsere Gedanken laut werden. Die stillen Momente sind es, in denen wir uns die alles entscheidenden Fragen stellen: Bin ich eine gute Mutter? Wird meine Ehe halten? Soll ich meinen Job wechseln? Was wird im Alter?

Die stillen Momente sind es, in denen wir uns die alles entscheidenden Fragen stellen: Bin ich eine gute Mutter? Wird meine Ehe halten? Soll ich meinen Job wechseln? Was wird im Alter?

In der Stille sind wir am verletzlichsten für Zweifel, Sorgen und Ängste und diesen Dingen stellen wir uns alle nicht gern. Jeder, der einmal eine Nacht vor Sorgen wachgelegen hat, weiß, wie laut und überwältigend die Stille in diesen Momenten werden kann. Und verständlicherweise wird ein solcher Mensch alles dafür tun, um diese Erfahrung nicht wieder zu machen.

Wenn ich schonungslos ehrlich zu mir selbst bin, ist dies bei mir der Hauptgrund, wieso ich mir keine oder nur so wenig Stille gönne. Ich habe schlicht Angst vor den Gedanken, die mich dann dort in der Stille erwarten. Und wie man damit gut umgeht, darauf fehlt auch mir noch eine wirklich gute Antwort.

Und was hat der Sabbat damit zu tun?

Aber wäre es dann nicht eine Lösung, die Stille weiterhin auf Abstand zu halten? Ganz sicher nicht. Die Bibel macht deutlich, dass der Mensch Ruhepausen in seinem Alltag braucht. Schon im Schöpfungsbericht hält Gott einen Tag Ruhe nach Erschaffung der Welt, um den Menschen zu zeigen: Arbeit und Ruhe müssen sich abwechseln. Das Eine geht nicht ohne das Andere. Dabei geht es Gott nicht um feste Regeln, sondern um das Wohl des Menschen. Als Jesus einmal kritisiert wird, weil er am Sabbat Menschen heilte, erwidert er: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ (Markus 2,27)

Es geht also nicht darum, ob wir am Sabbat (Samstag) oder Sonntag einen Tag frei machen. Und es geht auch nicht darum, ob wir sonntags ausschlafen oder einen Gottesdienst besuchen. Erstmal geht es beim Sabbatgebot darum, feste Ruhezeiten im Alltag zu haben. Das ist etwas, was mir als Mensch guttut, was ich brauche, um gesund an Leib und Seele zu bleiben. Und zwar unabhängig davon, ob ich an Gott glaube.

Erstmal geht es beim Sabbatgebot darum, feste Ruhezeiten im Alltag zu haben. Das ist etwas, was mir als Mensch guttut, was ich brauche, um gesund an Leib und Seele zu bleiben. Und zwar unabhängig davon, ob ich an Gott glaube.

Einmal in der Woche einen Ruhetag zu haben, ist ein guter Rhythmus. Ich persönlich merke: Wenn mir dieser Tag fehlt oder das Wochenende vollgepackt mit privaten To-Dos war, fehlt mir die Energie für die nächste Arbeitswoche. Und wenn ich mir zu lange kaum Ruhepausen gönne, dann werde ich tatsächlich auch schon mal krank. Daher: Ruhe ist essentiell für uns Menschen, auch wenn sie herausfordernd ist.

Die Stille in der Stillen Zeit ist oft erzwungen

Nun sehe ich schon Ihr etwas ratloses Gesicht vor mir. Vielleicht denken Sie bereits: „Gleich heißt es wieder, ich solle mehr Stille Zeit machen. Aber das klappt bei mir nicht!“ Ganz ehrlich, ich verstehe Sie! Mir geht es genauso und ich kenne viele Menschen, die ähnlich empfinden. Die Gleichung „Stille Zeit = Stille / Auftanken im Alltag“ geht bei vielen Menschen nicht einfach so auf.

Oft ist es ein Kraftakt, im Alltag Zeit zum Bibellesen zu finden, und nicht immer redet Gott in dieser Zeit zu uns. Das kann daran liegen, mit welcher Haltung wir diese Zeit gestalten, aber auch schlicht am Format. Ich habe schon von vielen Menschen gehört, dass sie beim Sport oder in der Natur besser mit Gott ins Gespräch kommen als mit der aufgeschlagenen Bibel im stillen Kämmerlein.

Sicherlich ist ein täglicher geistlicher Impuls wertvoll, aber oftmals gehen wir an dieses Thema recht verbissen ran. Wir zwingen uns auf, eine gewisse Zeit still zu werden, Bibel zu lesen und zu beten, aber sind weiterhin unruhig. Wir kommen gar nicht in dieser Stille an, weil wir sie als aufgezwungen und starr empfinden. Deshalb sollten wir uns, wenn wir über das Thema „Stille“ nachdenken, auch immer die Frage stellen: Was gibt mir persönlich eigentlich Ruhe? Wo und wie tanke ich auf?

Gott in meinen Ruheritualen finden

Ein wirkliches Innehalten umfasst beides: Zu mir selbst zu finden und zu Gott zu finden.

Und ich bin fest davon überzeugt, dass jemand, der Ersteres nicht gelernt hat, sich auch mit dem Zweiten schwertut. Glücklicherweise sind wir so gemacht, dass wir uns unbewusst Ruherituale im Alltag suchen: Die Joggingrunde nach dem langen Arbeitstag, die heiße Badewanne nach einem stressigen Familientag oder unsere Lieblingsserie, mit der wir den Tag ausklingen. Wir alle haben Rituale, die wir mit Ruhe verbinden.

Allerdings sind nicht alle dieser Rituale gleichermaßen geeignet, uns wirkliche Stille zu schenken. Die spannende Serie kann mehr aufwühlen als entspannen. Und wer beim Joggen vor allem auf den richtigen Pace achtet, wird dabei nicht wirklich ausspannen. Doch unsere eigenen Ruherituale geben uns einen Hinweis, was uns hilft, zu uns selbst zu finden. Und das ist ein erster Schritt, um in der Ruhe auch Gott zu finden. Wieso nicht einmal beim Joggen die Musik ausmachen und beten? Oder beim Baden über einen Bibelvers meditieren?

Gott ist kreativ und er kennt Sie. Er möchte Ihnen helfen, einen Zugang zu Stille und zu ihm zu finden. Wenn Sie sich Ihrer eigenen Ruherituale bewusst werden und austesten, ob und wie sie darin Gott erleben können, ist dies ein wichtiger Schritt um von einer erzwungenen Stille zu einer willkommenen Stille zu finden. Probieren Sie es doch einfach mal aus!
 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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Kommentare (4)

Bettina B. /

Vielen Dank für diesen wertvollen Artikel. Er bestärkt mich in meinem Tun.Viele Menschen denken anders und beten so, wie sie es von ihren Eltern gelernt haben. Sie gehen Sonntags in die Kirche, weil mehr

Sabine /

Ich hatte heute morgen ein ähnliches Erleben: zum Frühstück immer das Radio an, Zeitung und Handy dabei auf dem Tisch...Innerliche Ruhe und Stille? Fehlanzeige!!
Meist bete ich zu ungenau und mehr

Anja Q. /

Wie kann ich in Ruhe diesen Artikel lesen, wenn mir bei jedem Runterscrollen Facebook, Twitter und Co angezeigt wird. Das macht es es anstrengend und ich quäle mich durch den Serviceartikel und habe Stress!

Henrike /

Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Würde gerne mal wissen, wie viele den Artikel tatsächlich in Ruhe gelesen haben. Ohne die Uhr, das Smartphone usw. im Blick. Oder wer den Artikel überhaupt in mehr

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