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19.06.2018 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Stefan Loß

Hauptsache gesund!?

Wie der Leiter von ERF Plus mit gesundheitlichen Einschränkungen lebt.

Fitness, Bio, Superfood: Der Trend zu einem gesunden Lebensstil ist ungebrochen und nimmt teilweise schon religiöse Züge an. Dabei lässt diese Entwicklung einen ganzheitlichen Ansatz von Gesundheit vermissen, wie Stefan Loß am eigenen Leib erfahren hat. Er weiß heute: Auch ein Kranker kann gesund sein. Sehr sogar.

Es gibt kaum etwas, das so wichtig ist wie die Gesundheit. Umfragen zeigen, dass neun von zehn Deutschen sich nichts mehr wünschen als ein gesundes Leben. Natürlich ist damit in erster Linie körperliche Gesundheit gemeint. Mit Fitnesstipps und Ernährungsberatung verdienen die einschlägigen Zeitschriften daher gutes Geld. Empfohlen wird statt Burger und Pommes: frisches Obst und Gemüse, Körner und Soja. Alles im Zeichen eines gesunden und möglichst langen Lebens. Bei manch einem nimmt der Wunsch, gesund zu leben, fast religiöse Züge an. Der Psychologe und Theologe Dr. Manfred Lütz steht dem Trend zu immer mehr Fitness und noch gesünderer Ernährung skeptisch gegenüber. Nüchtern stellt er fest: „Es gibt Menschen, die leben überhaupt nicht mehr richtig, die leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund, aber auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.“

„Es gibt Menschen, die leben überhaupt nicht mehr richtig, die leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund, aber auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.“ (Psychologe und Theologe Dr. Manfred Lütz)

„Der Geist ist willig, aber das Fleisch ...“

Trotz aller Fitnesstipps und Diätpläne ist es mit der körperlichen Gesundheit der Deutschen nicht weit her. Der Durchschnittsdeutsche hat Übergewicht, bewegt sich zu wenig, isst das Falsche und trinkt zu viel Alkohol. Das alles sind Faktoren, die das Leben deutlich verkürzen. Alleine an den Folgen des Alkoholkonsums sterben jährlich rund 74.000 Menschen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als 70 Prozent aller Erkrankungen in den westlichen Industrieländern auf einen Lebensstil mit falscher Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht zurückzuführen sind. Aber auch der Nikotingenuss und der schon genannte Alkoholkonsum tragen dazu bei. Für zahlreiche Erkrankungen ist ein Zusammenhang zum Lebensstil und zur Ernährung eindeutig bewiesen, so zum Beispiel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Krebs.

Diese Fakten sind bekannt, oft genug berichten die Medien davon. Offensichtlich ohne nachhaltigen Erfolg, denn nur ein knappes Drittel ist mit der eigenen Gesundheit zufrieden. Und mit zunehmendem Alter wird die Angst, an Krebs, Demenz, Parkinson oder Osteoporose zu erkranken, größer, weil auch die Wahrscheinlichkeit dafür steigt.

Wenn uns die Gesundheit wirklich so wichtig ist, wie es die Umfragen glauben machen, warum kümmern wir uns dann nicht viel mehr um unseren Körper? Treiben Sport, ernähren uns gesund und gehen allem aus dem Weg, was uns krank macht? „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach!“ (Matthäus 26, 41) – dieses Bibelzitat bekommt man gerade in diesem Zusammenhang oft zu hören. Man nimmt lieber den Aufzug, als Treppen zu steigen, entscheidet sich für das Schnitzel mit Pommes anstatt für einen frischen Salat. Und nach getaner Arbeit ist das Feierabendbierchen, eine Tüte Chips und die Champions League im Fernsehen verlockender als ein Glas Wasser nach dem Training im Fitnessstudio.

Wer allerdings glaubt, dass ein gesunder Körper dabei hilft, den Sinn des Lebens zu finden, den Frieden, den die Seele sucht, ist auf dem Holzweg. Schon Jesus hat davor gewarnt, sich nur an Äußerlichkeiten zu orientieren: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt (und damit auch einen fitten Körper) gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seiner Seele.“ (Markus
8, 36) Wer also über Gesundheit spricht, der muss immer beides im Blick behalten: den Körper und die Seele.

„Wer glaubt, dass ein gesunder Körper dabei hilft, den Sinn des Lebens zu finden, den Frieden, den die Seele sucht, ist auf dem Holzweg“, so Stefan Loß, Leiter ERF Plus.

Körper und Seele sind ein Ganzes

Wenn Gott vom Menschen spricht, meint er immer den ganzen Menschen. Dazu gehört sowohl die vergängliche Hülle, der Körper, als auch die Seele. Alles ist miteinander verbunden. Deshalb scheint es nachvollziehbar, dass sich das, was im Inneren eines Menschen passiert, auch auf sein Äußeres auswirkt. Diese ganzheitliche Sicht des Menschen ist Grundlage für den medizinischen Fachbereich der Psychosomatik. Der Begriff deutet an, was gemeint ist: Die Psyche hat Auswirkungen auf den Körper, das Soma. Manche Menschen haben zum Beispiel „gelernt“, dass sie mit Essen Verletzungen ausgleichen können. Wenn sie sich nicht geliebt fühlen oder zurückgewiesen werden, essen sie. Alkoholiker haben „gelernt“, dass man bestimmte Dinge mit Alkohol unterdrücken und verdrängen kann – wenn auch mit fatalen Folgen. Bei Krankheiten wie Essstörungen oder Alkoholsucht hilft es deshalb meist nicht, an den Symptomen zu arbeiten. Man muss an die Wurzel gehen. Genau das ist der Ansatz der Psychosomatik. Körper und Seele hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Ist die Seele nicht gesund, dann spürt das der Körper.

„Körper und Seele hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Ist die Seele nicht gesund, dann spürt das der Körper.“

Kann ein Kranker gesund sein?

Wie aber sieht es anders herum aus? Was passiert zum Beispiel mit der Seele eines Menschen, der chronisch krank ist? Sicher kann die Seele von einem kranken Körper in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber das ist kein Muss. Ich selbst bin seit mehr als einem Jahr aufgrund einer genetisch bedingten Krankheit zu 100 Prozent schwerbehindert. Trotzdem antworte ich, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht: „Fantastisch!“ Und das ist nicht sarkastisch gemeint. Ich bin körperlich krank und werde es mein ganzes Leben bleiben. Auch meine Seele hat in den letzten Monaten viel einstecken müssen. Aber ich würde heute sagen: Meine Seele ist gesund. Ich bin jedenfalls nicht von Ängsten zerfressen, bitter über mein Schicksal oder wütend auf Gott. Zwar habe ich all diese Phasen in den letzten drei Jahren erlebt. Aber Gott sei Dank ist es nicht dabei geblieben.

„Ich bin seit mehr als einem Jahr aufgrund einer genetisch bedingten Krankheit zu 100 Prozent schwerbehindert. Trotzdem antworte ich, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht: Fantastisch!“ (Stefan Loß)

Seit 2013 weiß ich, dass ich Zystennieren habe, eine schwere Nierenerkrankung, die früher oder später zu Nierenversagen führt. Heilung gibt es nicht. Ich musste mich also im Herbst 2013 mit dem Gedanken anfreunden, dass mein Leben bald stark eingeschränkt sein würde. Seit Sommer 2016 war ich Dialysepatient. Dreimal die Woche musste ich für jeweils 5 Stunden an die Maschine, die Giftstoffe aus meinem Blut und Wasser aus meinem Körper filterte. Ich stand auf der Warteliste für eine Transplantation. Die Regelwartezeit sind 8-10 Jahre. Der einzige Hoffnungsschimmer war eine Lebendspende. Nach unzähligen Tests und Untersuchungen war klar, dass meine Frau mir eine ihrer gesunden Nieren spenden konnte. Obwohl wir unterschiedliche Blutgruppen haben, war die OP dank modernster Technik möglich. Nach einem sechsstündigen Eingriff bin ich am Aschermittwoch 2017 morgens mit einer neuen Niere aufgewacht. Ein unbeschreibliches Gefühl! Seitdem tut sie ihren Dienst, und ich fühle mich wie neugeboren. Auch meine Frau hat den Eingriff gut überstanden. Ich bin seitdem nicht mehr abhängig von lebenserhaltenden Maschinen und mein Körper funktioniert wieder fast so wie früher. Genau deshalb antworte ich, wenn mich heute jemand fragt, wie es mir geht: „Fantastisch!“ – Etwas anderes kommt mir gar nicht in den Sinn.

Die Monate der Ungewissheit und die Zeit an der Dialyse waren nicht nur körperlich eine harte Belastungsprobe. Natürlich habe ich mit Gott gehadert. Ich habe mich bei ihm ausgeheult, habe mich beschwert, warum ausgerechnet mir das passiert. Geändert hat es nichts – jedenfalls nicht an meinem körperlichen Zustand.

Ein neuer Blick auf das Wesentliche

Nach und nach hat sich in dieser Zeit mein Blick verschoben. Damals habe ich eine Aussage aus dem Matthäus-Evangelium ganz neu verstanden: „Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen“ (Matthäus 10, 28). Mein Körper, mein Leib, war also anderen Menschen ausgeliefert. Meine Seele nicht. Auch wenn ich meinen Körper nicht schützen kann – für das Wohl meiner Seele kann ich auf jeden Fall sorgen.

„Auch wenn ich meinen Körper nicht schützen kann – für das Wohl meiner Seele kann ich auf jeden Fall sorgen.“ (Stefan Loß)

Ich konnte den Beter verstehen, der flüsternd zu seiner Seele spricht: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist“ (Psalm 42, 12). Immer wieder habe ich durch kleine Fingerzeige erlebt, dass Gott mir nah ist. Zum Beispiel unmittelbar vor meiner OP, als am Nachbarbett laut der Psalm 121 vorgelesen wurde: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde geschaffen hat“ (Psalm 121, 1-2). Was für ein göttliches Timing.

Viele Beispiele aus der Bibel und alte Lieder haben mir geholfen, zu verstehen, dass die Seele ein Teil von mir ist, den ich selbst pflegen kann und um den ich mich kümmern muss. Zum Beispiel mit dem Selbstgespräch in dem wunderschönen Lied: „Du meine Seele singe, wach auf und singe schön.“ Oder auch Stellen aus den Psalmen, wo Menschen in ihrer Not zu Gott rufen und ihrer eigenen Seele Mut machen.

Ich habe mich damit abfinden müssen, dass mein Leben hier auf der Erde endlich ist, wahrscheinlich kürzer als der Durchschnitt und sicher nicht schmerzfrei bis zum Ende. Ich muss mit dem Risiko leben, dass mein Körper die fremde Niere jederzeit abstoßen kann, dass ich lebenslang Medikamente nehmen muss, die unangenehme Nebenwirkungen haben. Aber durch diese herausfordernde Zeit habe ich auch einen neuen Blick bekommen auf das, was wirklich wesentlich ist im Leben: versöhnt sein mit sich selbst, seiner eigenen Geschichte und versöhnt sein mit Gott. Das hilft mir, Dinge anders zu sehen und auch Krankheit und Leid anders einzuordnen. Bei Bonhoeffer habe ich eine Aussage gefunden, die das herausfordernd auf den Punkt bringt: „Wer es von sich weiß, dass er Leiden und Trübsal in seinem Leben nur als etwas Feindliches, Böses ansieht, der kann daran erkennen, dass er den Frieden mit Gott noch gar nicht gefunden hat.“

„Wer es von sich weiß, dass er Leiden und Trübsal in seinem Leben nur als etwas Feindliches, Böses ansieht, der kann daran erkennen, dass er den Frieden mit Gott noch gar nicht gefunden hat.“ (Dietrich Bonhoeffer)

Frieden mit sich selbst und Frieden mit Gott. Das ist die Grundlage für ein wirklich gesundes Leben, für einen Menschen, der Verantwortung übernimmt für sich selbst und seinen Lebensstil, für seinen Körper und die Seele.

Ganzheitlich gesund

Gesund sein, das ist weit mehr als ein schmerzfreies, körperlich unbeschwertes Leben! Wirklich gesund zu sein heißt, dass ich Verantwortung übernehme für mich selbst. Für meinen Körper, ihm also eine ausgewogene und gesunde Ernährung zukommen lasse, genug Bewegung und frische Luft. Garantiert wirkt sich das auf mein inneres Wohlbefinden aus. Auf meine Gesundheit zu achten heißt aber auch, dass ich das tue, was meiner Seele gut tut. Dass ich die Nähe Gottes suche, meine Angst und Not zu ihm bringe, meine Sorgen bei ihm ablade und meinen Frieden bei ihm finde. Bei dem Gott, der mir zusagt, dass er für mich nur Gutes im Sinn hat: ein erfülltes, in einem ganzheitlichen Sinn gesundes Leben. Auch, wenn es von außen betrachtet nicht immer so wirkt.
 

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Kommentare (6)

Bibiche /

Ich glaube, wir müssen lernen, dass alles hier auf Erden "für eine Zeit" ist. Sicher, ist es nicht leicht, etwas zurück zu lassen, nicht mehr Sport treiben können, nicht mehr reisen und auch im mehr

Elvira K. /

Danke für diesen Artikel, auch dafür, dass Stefan Loß ehrlich von seinen eigenen Gefühlen in der Vergangenheit ( mit Gott hadern usw) spricht.
Der Ehemann meine Freundin hat vor wenigen Tagen mehr

Renate /

Lieber Herr Loß, danke für dieses schöne Glaubenszeugnis. Auch ich bin chronisch krank und lebe seit Jahren mit diversen, zunehmenden Einschränkungen. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, mich auf mehr

Katrin M. /

Ein ungemein gutes Zeugnis von der Liebe Gottes! Ich habe auch viel Schmerzen,meine Muskeln machen mir zu schaffen,aber mein Gott trägt mich Tag für Tag durch! Gelobt sei Gott in unserem Herrn Jesus Christus!

Rosemarie S. /

Dieser Bericht hat mich sehr beeindruckt.
Gerne höre ich Stefan Loß im ERF, jetzt ganz anders.
Danke!

Sigrid K. /

Liebes Redaktionsteam , danke für diesen Artikel ! Ich bin auch gesundheitlich sehr angeschlagen und mein lebenswertgefühl ist deutlich gesunken! Tag und Nacht leide ich Schmerzen !
Ich Hader mehr

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