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© Resat Kuleli / unsplash.com

20.01.2022 / Artikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Redaktion Family

Wegschauen? Hinschauen? Hinhören?

Was hilft Menschen, wenn sie sich Katastrophen gegenüber ohnmächtig fühlen?

Menschen gehen unterschiedlich damit um, wenn sie persönlichen, nationalen oder weltweiten Krisen gegenüberstehen. Die Redaktion der Zeitschrift Family hat in ihrer Ausgabe 06/2021 drei Personen und ihren Umgang mit Katastrophen vorgestellt. Wir danken dem Bundes-Verlag für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

Wegschauen?

Was mir gegenwärtig hilft? Ganz ehrlich? Wegschauen! Rückzug in meine kleine „heile Welt“. Na klar, die ist ja auch nicht immer so heil, doch die Probleme in meiner kleinen Welt — Reisebeschränkung wegen Corona, Badeverbot wegen Hochwasser, kein Frischbrot im Regal kurz vor Ladenschluss — sind ja vergleichsweise wirklich kleine Probleme, schon fast lächerliche.

So einfach und bequem der Rückzug in meine kleine Welt scheint, so unbefriedigend ist er auf der anderen Seite: Was gibt mir das Recht, mein geschenktes Leben in einem privilegierten Teil der Welt – und dazu noch an einem der schönsten Flecken – zu genießen, während anderswo Menschen zuschauen müssen, wie Flammen oder Fluten ihre ganze Habe innerthalb von Sekunden zerstört? Oder Menschen tagtäglich unter Armut, Hunger, Ungerechtigkeit zerbrechen? Die Liste ließe sich beliebig erweitern — Syrien, Afghanistan, Haiti ...

Und dann kommt sie, die Ohnmacht. Ich fühle mich wirklich ohnmächtig gegenüber den Katastrophen dieser Welt. Ob Naturkatastrophen, Kriege oder die riesige Ausbeutung von Mensch und Natur — was kann ich da schon tun? Noch schlimmer: Mit meinem mitteleuropäischen Lebensstil bin ich sogar Teil vom Problem.

Doch Gott hat uns beauftragt, Teil der Lösung zu sein. Ich will mich der Ohnmacht stellen, statt wegzuschauen. Ich will im Kleinen beginnen, Teil der Lösung zu sein, statt den Kopf in den Sand zu stecken.

Das ist mein Anfang. Und dann will ich herausfinden, wie ich die drei großen göttlichen Aufträge in meinem Leben umsetzen kann:
1. Bebaut und bewahrt die Erde! (1. Mose 2,15)
2. Liebe Gott und deine Nächsten wie dich selbst! (Markus 12,30f)
3. Machet zu Jüngern alle Völker! (Matthäus 28,19)
 

Und wenn ich meine Verantwortung wahrnehme, darf ich auch mit gutem Gewissen meine kleine Welt genießen.

Stefan Gerber ist Pfarrer im EMK Bezirk „Kirche anders“, Geschäftsführer von Willow Creek Schweiz und als Autor („Glück finden - hier und jetzt“), Referent und Coach tätig. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Auf die Helfer sehen!

"Look at the helpers – there are always people who help!" – „Guck auf die Helfer — es gibt immer Menschen, die zur Hilfe kommen!“ Diesen Gedanken fand ich in einem Text, in dem eine Mutter aus den USA beschrieb, wie sie ihrem Kind half, die schrecklichen Fernsehbilder vom 11. September 2001 zu verarbeiten. Wenn die Katastrophen der Welt ungefiltert in mein Wohnzimmer und mein Herz gelangen, dann kehre ich immer wieder zu diesem Satz zurück. Er hilft mir, nicht bei Entsetzen und Ohnmacht stehenzubleiben.

Wenn ich mir vor Augen führe, wie viel Menschlichkeit, Liebe und Hilfsbereitschaft selbst die schlimmsten Katastrophen noch mobilisieren, werden grauenhafte Bilder für mich erträglicher. Mehr noch – auf diese Weise finde ich immer wieder auch eigene Möglichkeiten, aktiv zu werden, und sei es auch nur mit einer kleinen Spende.

Statt auf den Schrecken schaue ich daher oft auf Polzei, Feuerwehr und Rettungskräfte. Auf sich in Windeseile füllende Spendenkonten. Auf den jungen Mann, der seine Verlobte auf eigene Faust aus Afghanistan holte, und auf meine Bloggerfreundin, die wochenlang täglich Suppe für die Menschen im Hochwassergebiet gekocht hat.

Sie alle sind meine Helden in den Katastrophen dieser Welt. Meine Hoffnung, die ich der Ohnmacht entgegensetze. There are always people who help!

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.

Hilfreiche Worte

„Lieber Gott, wie kannst du das zulassen? Wie ist es möglich, dass so viele Familien ihr Hab und Gut verlieren? Dass unzählige Menschen sterben? Wie kannst du dabei zusehen, wenn kleine Kinder von ihren Eltern getrennt werden?“

Ich muss gestehen, auf diese Fragen habe ich bisher keine Antwort gefunden. Ja, alles hat seinen Sinn und es gilt, ihn zu finden. Ich möchte mir gern mein eigenes Weltverständnis so zurechtlegen, dass es für mich stimmig ist und ich die Umstände meiner Welt akzeptieren kann. Doch in dieser Welt passieren Dinge, die ich mit meinem gesunden Menschenverstand nicht greifen kann.

Aber Worte sind hilfreich für mich. So lese ich im Buch von Jörg Zink „Glauben heißt Vertrauen“. Ich suche die Kapitel, in denen die Worte des Trostes niedergeschrieben sind. Und nach wiederholtem Lesen geben sie mir ein beruhigendes Gefühl. Zwar fällt es noch immer schwer, oben genannte Dinge zu akzeptieren, doch mein aufgewühltes Gefühl der starken Wut und der tiefen Trauer, des Unverständnisses und der absoluten Machtlosigkeit werden durch diese Worte etwas erweicht.

Wenn das Herz voller Schmerz und die Seele leer erscheint, finde ich Trost und Zuspruch in meinem Glauben – und in den Worten der Bibel. Sie versuchen genau das: Trost zu spenden. Hoffnung zu geben. Zuversicht in Kopf und Herz wiederzuerwecken. An das Schöne zu erinnern.

Sobald mein Kopf diese Worte wahrnimmt, verspüre ich den nachlassenden Druck in meinem Inneren. Ich merke, wie sich Körper und Seele öffnen und bereit sind, wieder positive Dinge hereinzulassen. Wenn ich es schaffe, diesem Impuls nachzugehen, merke ich, dass alles Positive herzlich willkommen ist. Denn das Negative erdrückte mich fast.

Danke, lieber Gott, für all die schönen Worte, in denen ich meist Halt finden kann.

Amelie B. arbeitet zurzeit im Gesundheitsamt im Corona Krisenmanagement. Sie ist geschieden und wohnt mit ihrer Tochter in Hannover.
 

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