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© Chen Liu / unsplash.com

25.04.2022 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Markus Baum

Tiefgekühlt und fern der Heimat

Pioneer 10 kam dem „Raumschiff Enterprise“ zuvor...

„Der Weltraum. Unendliche Weiten…“ – Davon war im Zweiten Deutschen Fernsehen noch nicht die Rede, als sich vor rund 50 Jahren die Sonde „Pioneer 10“ auf ihre Reise ohne Wiederkehr machte. Start am 3. März 1972 an der Spitze einer Atlas-Centaur-Rakete von Cape Canaveral aus.

Am unruhigsten waren die ersten zehn Minuten des Trips – da wurde die 250 kg schwere silberglänzende Konstruktion von den Triebwerken der Trägerrakete noch kräftig durchgeschüttelt und auf eine Geschwindigkeit von sagenhaften 14,93 km pro Sekunde beschleunigt – aber das wirkt andererseits mickrig, wenn schon das erste Etappenziel, der Asteroidengürtel, 150 Millionen Kilometer entfernt ist.

Einmal im All und per Steuerdüsen auf Kurs gebracht, wurde es dann für Pioneer 10 eher gemütlich. Den inneren Rand des Asteroidengürtels erreichte die Sonde im Februar 1973 – da war sie also bereits elf Monate unterwegs. Und von dort ging es stracks Richtung Jupiter – und von dort aus einfach immer weiter.

Für die Forschung wurde die Mission von Pioneer 10 zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Der Flugkörper lieferte auf seiner Reise durch das Sonnensystem nie gesehene Bilder der äußeren Planeten und ihrer Monde – und Myriaden von Daten, übertragen in winzigen Portiönchen. Die Sonde arbeitete problemlos und übertraf die kühnsten Erwartungen ihrer Konstrukteure.

Die elektronischen Augen und Messfühler von Pioneer 10 haben unser Wissen über das Sonnensystem, in dem wir leben, enorm erweitert. Als Pioneer 10 nach zehn Jahren Flug die unsichtbare Grenze passierte, an der nach damals vorherrschender Meinung das Sonnensystem endet, da war der Datenstrom längst zu einem dünnen Rinnsal geworden, von der Sonde aus gesehen war die Sonne zum blassen Punkt geschrumpft, der nicht mehr wärmen konnte, geschweige denn genug Energie für den Betrieb der Messeinrichtungen liefern.

Die letzten verwertbaren Daten hat die Sonde vor ziemlich genau 20 Jahren geliefert – am 27. April 2002. Da war sie bereits 30 Jahre unterwegs – und von der Erde aus konnte man sie da schon lange nicht mehr ansteuern. Kein Wunder – Pioneer 10 war zu der Zeit bereits 12 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Mittlerweile sollten noch einmal ein paar Milliarden Kilometer obendrauf gekommen sein, denn beim Vorbeiflug am Jupiter hat die Sonde noch einmal ordentlich Schwung geholt und wurde auf eine Geschwindigkeit von 36 km pro Sekunde beschleunigt.

Pioneer 10 ist jetzt ein hübsches Souvenir. Ein tiefgekühltes Stück Weltraumschrott. Es treibt in schnurgerader Linie mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch die Schwärze des Weltalls – ganz grob in Richtung des Sterns Aldebaran im Sternbild Stier. Jahrhunderte wird es dauern, bevor die Sonde auch nur in die Nähe der nächstgelegenen Sterne kommen wird. Ein Stäubchen von einem Planeten, der selbst nur ein Sandkorn in einer riesigen unbelebten Einöde ist.

Kein beseeltes Wesen wird sich jemals wundern über die Kunstfertigkeit, mit der eine dort draußen unbekannte Art dieses Instrument erbaut hat. Kein wie auch immer gearteter Alien wird die Sonde zur Kenntnis nehmen. Das ist auch insofern schade, als Pioneer 10 so etwas wie eine interstellare Flaschenpost ist. Die Sonde hat eine goldbeschichtete Aluminiumplatte an Bord – etwa so groß wie ein Din A 5-Blatt. Darauf gibt’s ein paar nette Skribbles von Männlein und Weiblein, Informationen über die Abstände und Größenverhältnisse in unserem Sonnensystem – und über den Hyperfeinstrukturübergang des Wasserstoffatoms.

Die Hoffnung, dass eine intelligente Spezies rein zufällig diese Sonde und diese Botschaft entdeckt, ist eher vage. Und dorthin, wo Pioneer 10 in den vergangenen 50 Jahren geflogen ist, werden ihm seine Erbauer niemals folgen. Das ist vielleicht die ernüchterndste Lektion dieses Abenteuers. Selbst wenn wir dahin gelangen könnten, wo Pioneer 10 heute ist: Welche Erkenntnis lohnen 50 Jahre Einsamkeit und Menschenferne? Ich wüsste keine. Und was haben wir dort draußen verloren? Der Raum zwischen den Sternen ist ein ungastlicher, lebensfeindlicher Ort.

Pioneer 10's Odyssee im Weltall müsste eigentlich auch den größten Technologiefanatikern und Optimisten das eine klar machen: Die Wahrheit ist eben nicht irgendwo dort draußen. Und selbst wenn – Weltraumforschung nutzt uns nur dann, wenn sie uns hilft, hier und jetzt friedlicher, vernünftiger, vorsichtiger miteinander umzugehen – und mit der Erde.

In den Weiten des Universums ist eindeutig und klar die Handschrift des Schöpfers und Erhalters dieser Welt zu erkennen. Aber seine Fußspuren, die hat er hier auf diesem kleinen blauen Planeten hinterlassen. Das Schicksal der Menschheit wird sich hier auf der Erde erfüllen. Hier müssen wir unsere Bestimmung finden, nur hier können wir sie leben. Denn da draußen, wo Pioneer 10 jetzt gerade ist, gibt es einfach zu wenige Nächste, die wir lieben könnten.

 Markus Baum

Markus Baum

  |  Redakteur

Exilschwabe, seit 1982 in Diensten des ERF. Leidenschaftlicher Radiomacher, Liebhaber der deutschen Sprache und Kenner der christlichen Musiklandschaft. Übersetzt Bücher ins Deutsche und schreibt gelegentlich selber welche. Singt gern mit Menschen. Verheiratet, drei erwachsene Kinder.

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Kommentare (1)

Christian L. /

Früher war es einfacher, an Gott zu glauben. Er war irgendwo über den Wolken oder hinter dem imaginären Himmelsgewölbe. Aber wo ist Gott wirklich - in einem unvorstellbar riesigen Weltall mit zigtausenden von Galaxien und vielen Milliarden von Sonnensystemen?

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