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© Jia Ye / unsplash.com

28.06.2011 / Kommentar / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Tanz des Königs

Wer sich unterordnen will, muss üben, üben, üben. Jesus hat meisterhaft vorgemacht, wie das geht.

Im ersten Teil des Artikels (Verlockung zum Tanz des Lebens) erfahren Sie etwas über die positiven Seiten der Unterordnung und in welchen Lebensbereichen sie eine Rolle spielt. Hier lesen Sie, was die innere Voraussetzung ist, um sich unterordnen zu können und wie Jesus das gemacht hat.

Zwischen Demut und Diabolos

Petrus, Autor zweier Briefe im Neuen Testament, zeigt wie Unterordnung im positiven Sinn funktioniert. Als Beispiel wählt er dafür den dritten Grundschritt der Unterordnung, den Paso Doble1 in der christlichen Gemeinde. Er schreibt:

Und nun ein Wort an euch, die ihr Älteste in den Gemeinden seid. Sorgt gut für die Herde Gottes, die euch anvertraut ist. Kümmert euch nicht um sie, um euch Vorteile zu verschaffen, sondern weil ihr Gott gerne dienen wollt. Dabei sollt ihr die Menschen, die eurer Leitung unterstellt sind, nicht bevormunden, sondern sie durch euer gutes Beispiel leiten. Ihr jüngeren Männer, ordnet euch den Ältesten unter!

Ihr alle sollt einander demütig dienen, denn »Gott stellt sich den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er Gnade«! Deshalb beugt euch demütig unter die Hand Gottes, dann wird er euch ehren, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Überlasst all eure Sorgen Gott, denn er sorgt sich um alles, was euch betrifft! Seid besonnen und wachsam und jederzeit auf einen Angriff durch den Teufel, euren Feind, gefasst! Wie ein brüllender Löwe streift er umher und sucht nach einem Opfer, das er verschlingen kann. (aus 1. Petrus 5,1-9)

Dieser Text zeigt deutlich, was Unterordnung ist und was nicht: Sie hat nichts mit Bevormundung oder Ausbeutung zu tun, sondern mit Fürsorge und Vorbildcharakter. Die Ältesten und die übrigen Gemeindemitglieder sind gegenseitig dazu aufgefordert, demütig zu sein und sich umeinander zu kümmern. Demut – das ist neben Unterordnung wieder ein sperriger Begriff. Beide gehören jedoch zusammen.

Wer demütig ist, tut nichts anderes, als seine eigenen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen. Er weiß, dass er nicht alleine die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, sondern Korrektur und Unterstützung braucht. Er akzeptiert, dass er Gott oder anderen Personen gegenüber verantwortlich ist und dass er nicht alleine Herr seines Lebens ist.

Ein demütiger Mensch kann sich Vorgesetzten oder Leitern unterordnen, weil er daran glaubt, dass die Choreographie als Ganzes wunderschön aussieht und er auf seinem Platz nicht zu kurz kommt. Im Gegenteil: Ein solcher Mensch entfaltet seine künstlerischen Fähigkeiten und seine Ausdrucksformen seiner Position entsprechend und hilft seinen Mittänzern dabei, das gleiche zu tun.

Wo das passiert, geschieht das Unerwartete: Das Tanzen macht auf einmal Spaß! Das Publikum und insbesondere der Choreograph sind begeistert. Petrus drückt das fromm damit aus, dass Gott uns ehrt und wir unsere Sorgen ihm überlassen können. Interessanterweise steht dieser bekannte Text über das Sorgenmachen ausgerechnet im Zusammenhang mit Unterordnung und den Angriffen des Diabolos, dem großen Durcheinanderbringer.

Kann es sein, dass wir uns viel zu viele Sorgen machen, weil wir unsere Tanzschritte selbst immer wieder neu erfinden und für unsere Position kämpfen müssen? Kann es sein, dass wir so oft aus dem Takt kommen, weil wir uns auf gar keinen Fall von anderen raten lassen wollen, was gerade dran ist?

Bibelstellen zum Vertiefen: Jakobus 4,6-7; Epheser 5,21Philipper 2,1-5

Tanzen wie Jesus

Es fasziniert mich, wie zielgerichtet Jesus sich den Autoritäten seines Lebens untergeordnet hat. Wer die Biographien über sein Leben liest, stellt fest, dass Unterordnung für ihn immer wieder ein Thema war. Übrigens keines, das ihm zugeflogen ist (Hebräer 5,7-9). Als Mensch musste auch er die dazugehörigen Tanzschritte lernen. Dabei ging es nicht nur um die großen Dinge, wie sein bekanntes Gebet, in dem er kurz vor der Kreuzigung mit Gott ringt, ob sein Tod wirklich sein muss.

Schon als Kind lernte er, das zu tun, was seine Eltern ihm auftrugen. Seine Zuhörer fordert er auf, ihre Steuern ordentlich zu bezahlen. Seinen Richtern und Anklägern gegenüber wird er nicht ausfällig, als ihm der Prozess gemacht wird. Im Bezug auf seine enge Abstimmung mit Gott sagt er: „Ich tue stets, was ihm gefällt.“ (Johannes 8,29)

Jesus nimmt den Platz in der Choreographie ein, die Gott ihm zugewiesen hat. Er hat gelernt den Paso Doble zu tanzen. Er respektiert seine Mittänzer. In ganz alltäglichen Dingen ordnet er sich denjenigen unter, die ihm in ihrer Rolle als Eltern oder Staatsbeamte vorgesetzt sind. Wie hat er das geschafft und warum hatte er keine Angst davor, zum Fußabstreifer zu werden?

Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass Jesus in sich selbst zuhause war. Er hatte ein gesundes Selbstwertgefühl, das auf dem Wissen basierte, von Gott geliebt und geschützt zu sein. Jesus war davon überzeugt, dass seinem himmlischen Vater nichts entging und dass er für ihn sorgte. In den Momenten, in denen er gedemütigt oder unter seinem Wert verkauft wurde, wusste er, dass Gott früher oder später für die Anerkennung sorgen würde, die ihm zusteht. Er wusste, dass sein Gott ihn nicht unterbuttern oder zu kurz kommen lassen würde.

Seine Identität hing nicht von seiner Leistung oder der Anerkennung anderer Menschen ab – Jesus fand seine Identität in der Beziehung zu Gott Vater.

Meines Erachtens ist das der Grund dafür, warum Jesus  sich – als Sohn Gottes (!) – sterblichen und fehlerhaften Menschen, wie seine Eltern es waren, unterordnen konnte. Diese innere Haltung gab ihm die Gelassenheit, andere Menschen nicht nur zu ehren und achten, sondern sich sogar zu ihrem Diener zu machen. Er musste nicht um seine Stellung und Privilegien kämpfen. Er hatte all das losgelassen und konnte gerade deswegen frei und unbeschwert auftreten. Jesus beherrschte die drei Grundschritte bis ins letzte Detail.

Ihm beim Paso Doble zuzusehen, löst in mir die Sehnsucht aus, die positiven Aspekte der Unterordnung auch für mich zu entdecken und sie ihn meinem Leben umzusetzen. Und wie bei Jesus, fängt auch meine Fähigkeit zur Unterordnung da an, wo ich meine Identität in Gott gefunden habe und nicht mehr abhängig von menschlicher Anerkennung und Ehre bin.

Bibelstellen zum Vertiefen: Philipper 2,1-16; Matthäus 20,25-28; Lukas 2,41-52; Lukas 12,13-17; Johannes 18,12-24; Johannes 17; Epheser 1,15-23.

Renaissance eines Tanzes

Das ist leichter gesagt, als getan. Manchmal frage ich mich, warum es uns so unendlich schwer fällt, anderen ein Mitspracherecht in unserem Leben zu geben? Haben wir bereits zu viele negative Erfahrungen gemacht? Oder mauern wir vorbeugend, weil wir Angst haben, die Kontrolle zu verlieren? Wie können wir solche Blockaden lösen?

Dazu kommt, dass die Umstände, in denen wir uns unterordnen sollen, oft nicht schwarz-weiß sind: Es ist relativ leicht, sich einem Chef unterzuordnen, der die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter im Blick hat. Aber wie finde ich das richtige Gleichgewicht zwischen Respekt und Widerstand, wenn mein Arbeitgeber ein Machtmensch ist, der nur den Profit seiner Firma im Blick hat? Wie begegne ich einer Gemeindeleitung, die eine Gemeinde zerstört statt sie aufzubauen?

Ich möchte an diesem Punkt noch einmal auf den ersten Grundschritt zurückkommen: Meine Beziehung zu Gott. Mit ihr fällt und steht meine Fähigkeit, mich unterzuordnen. Nur wenn ich die Bereitschaft habe, mich ihm unterzuordnen, klappt das auch bei anderen Menschen. Im Gespräch mit ihm kann ich auch erkennen, was in einer schwierigen Situation dran ist. Wenn es sein muss, finde ich in dieser Begegnung auch die Kraft, diese Umstände zu ertragen.

Schließlich glaube ich, dass es sich von dem Gedanken zu verabschieden gilt, Unterordnung sei eine Einstellung, die uns zufliegt. Die wir intus haben, sobald wir uns einmal dafür entschieden haben, sie zu praktizieren.

Sich unterzuordnen ist eine Entscheidung, die ich immer wieder neu treffen muss. Eine Entscheidung, die nur ich treffen kann.

Wie beim Paso Doble braucht es dazu regelmäßige Übung, die gelernten Schritte müssen angewandt und immer wieder neu kombiniert werden. Es ist hilfreich, wenn ich dabei das dahinterstehende Konzept verstanden habe und fortgeschrittene Tänzer vor Augen habe, die mir zeigen, dass sich die Mühe lohnt.

Das ist auch das Ziel dieses Artikels: Er soll eine Anregung bieten, sich mit einem ungeliebten Thema vielleicht noch einmal ganz neu auseinanderzusetzen und die positiven Seiten zu entdecken. Wenn er Vorurteile ausräumt oder ein Anstoß gibt, um über das eigene Verhältnis zu dieser geistlichen Disziplin nachzudenken, ist schon viel erreicht: Eine Choreographie, die oft verpönt und aus dem Repertoire gestrichen wurde, wird in ihrer Schönheit und Bedeutung für den Tanz des Lebens wiederentdeckt.


1 Im ersten Artikel wurde die Unterordnung mit dem spanischen Paso Doble vergleichen. Dieser Standarttanz ist sehr herausfordernd und wird nur selten getanzt.

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Redakteurin, Autorin und begeisterte Theologin. Ihre Faszination für die Weisheit und Bedeutung biblischer Texte möchte sie gerne anderen zugänglich machen.  In der Sendereihe "Das Gespräch" spricht sie am liebsten mit Gästen über theologische und gesellschaftlich relevante Themen. Sie liebt Bücher und lebt mit ihrer Familie in Mittelhessen.

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Kommentare (3)

Renate W. /

Ein toller Kommentar welcher mich sehr angesprochen und auch nachdenklich gestimmt hat. Ja man kann leicht untergebuttert werden. Die richtige Balance zu finden ist nicht immer ganz einfach.

doris e. /

Das Thema beschäftigt mich gerade. Es ist super wichtig und befreiend, aber leider, wie Sie schreiben von uns oft sehr negativ bewertet worden. Wohl auch weil in unserer "alten" deutschen Kultur mit mehr

Jomi /

Dieser und Ihr letzter Artikel ist schon herausfordernd. Einmal, weil ich gerne tanzen können täte.
Zum andern, weil Sie voraussetzen, dass Unterordnung etwas mit "gottgewollter" Ordnung zu tun mehr

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