Navigation überspringen
© Peter Kalonji / unsplash.com

29.05.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Ohne Vergleichen lebt es sich entspannter!

Warum wir nicht ständig auf Erfolg und Beliebtheit schielen müssen.

Unser Großer ist drei Jahre älter als sein Bruder. Das führt immer wieder zu geschwisterlichen Rangeleien, weil er dem Jüngeren gegenüber natürlich einen Vorsprung an Wissen und Können hat. Da buchstabiert der Erstklässler beispielsweise stolz ein Wort, um keine zwei Sekunden später vom Viertklässler auf einen Fehler hingewiesen zu werden.

In solchen Momenten braut sich über dem eben noch friedlichen Abendbrottisch ein handfester Streit zusammen. Denn der Kleine versucht dann entweder, seine Schreibweise zu rechtfertigen (was zu weiteren Diskussionen führt) oder es fließen gleich Tränen der Enttäuschung oder der Wut. Wenn wir Eltern den Großen in einer solchen Situation bitten, dass er es doch nicht so genau nehmen muss, weist er verschnupft darauf hin, dass er doch nur einen Fehler korrigieren wollte.

Who’s who in der Gemeinde in Korinth 

Diese Szene an unserem Esstisch erinnert mich an eine Situation, die der Apostel Paulus im ersten Jahrhundert nach Christus wohl ganz ähnlich erlebt hat. Bei ihm ging es allerdings nicht um einen harmlosen Geschwisterstreit, sondern um die Frage, wer in der christlichen Gemeinde in Korinth mehr kann und deswegen das Sagen haben sollte.

Paulus selbst war direkt von diesen Spannungen betroffen, denn die Gemeindemitglieder verglichen ihn mit anderen Führungspersönlichkeiten. Manche Christen aus Korinth kamen dabei zu dem Schluss, dass Paulus doch kein so toller Leiter war, wie sie ursprünglich gedacht hatten. Andere Männer konnten ihrer Meinung nach wortgewandter predigen und hatten eine sympathischere Ausstrahlung.

Wie geht Paulus mit diesem Erfolgsdruck und vor allem mit dem tobenden Machtkampf um? Ein Abschnitt aus einem Brief, den er in dieser Situation verfasst hat, gibt einen Einblick in seine innere Haltung dazu.

Kein Interesse an Likes und Sternchen

Paulus schreibt: „Mich interessiert es aber eigentlich überhaupt nicht, ob ich von euch beurteilt werde oder von irgendeiner Ratsversammlung von Menschen. Ja, ich beurteile mich noch nicht einmal selbst! Denn ich bin mir in Bezug auf mich selbst keiner Schuld bewusst. Aber aufgrund dessen bin ich noch nicht gerecht gesprochen. Der, der mich letztlich beurteilt, ist kein anderer als Jesus, der Herr. Deshalb beurteilt nichts, bevor Jesus, der Herr, wiederkommt. Er selbst wird die Dinge, die in der Finsternis versteckt sind, durchleuchten und die Absichten der Menschenherzen ans Licht bringen. So wird jeder Einzelne ganz persönlich von Gott sein Lob erhalten. (1. Korinther 4,3-5)

Paulus bleibt angesichts des herrschenden Konkurrenzkampfes ruhig. Er lässt sich nicht auf die Vergleiche ein und verzichtet darauf, seinen eigenen Marktwert durch kluge Worte oder den Hinweis auf seinen beeindruckenden geistlichen Lebenslauf zu erhöhen.

Ich würde mich in einer vergleichbaren Situation wahrscheinlich anders verhalten. Ich vermute, dass ich – ähnlich wie mein jüngerer Sohn beim Abendbrottisch – entweder zu meiner Verteidigung oder gleich zum Gegenangriff ansetzen würde. Vielleicht würde ich mich auch beleidigt zurückziehen; ganz sicher würde ich mir Gleichgesinnte suchen. Das sind die normalen menschlichen Reaktionen, wenn unsere Kompetenz in Frage gestellt wird oder wir den Eindruck haben, beim Vergleich mit anderen schlechter abzuschneiden.

Dein Urteil ist nicht wichtig – meines aber auch nicht!

Paulus schafft es, sich diesem Streben nach Erfolg und Anerkennung zu entziehen. Er kann das, weil sein Bezugspunkt ein anderer ist. Ihm geht es nicht um die Frage, was seine Mitchristen von ihm denken. Es ist ihm noch nicht einmal wichtig, für sich selbst zu wissen, wo genau er auf der Beliebtheits- und Erfolgsskala steht. Er überlässt das Urteil über diese ganzen Fragen Jesus.

Denn Paulus weiß, dass nur Jesus Christus ein gerechtes Urteil über die Fähigkeiten und den Einsatz eines Menschen fällen kann. Auf sein Lob kommt es an und nicht auf die subjektive Würdigung oder Abwertung von anderen Menschen. Und weil nur Jesus die Leistung eines Menschen fair einschätzen kann, fordert Paulus die Christen in Korinth dazu auf, sich nicht mehr gegenseitig abzuurteilen, sich zu kritisieren oder einander schlecht zu machen. Denn all das beinhaltet das Wort, das Paulus hier im griechischen Grundtext für „beurteilen“ verwendet.

Paulus ist der festen Überzeugung, dass es völlig unbedeutend ist, wie wir andere bewerten – oder sie uns. Denn unser menschliches Urteil ist letztlich nicht das, was zählt.

Gott – der einziger Follower, der zählt

Als ich diesen Bibeltext bei einem Vortrag zum ersten Mal bewusst gehört habe, ist mir nicht nur ein ganzer Kronleuchter aufgegangen. Ich habe mich auf einmal auch unglaublich erleichtert gefühlt. Denn wie viel Zeit verbringe ich bewusst oder unbewusst damit, mich mit anderen zu vergleichen?

Nicht nur in den Sozialen Medien, sondern auch im realen Leben ist es mir wichtig, wie ich auf andere wirke. Ich möchte ein gutes Image haben und bin nicht frei von der Versuchung, dasselbe hier und da in aller Bescheidenheit ein bisschen aufzupolieren.

Wie befreiend ist es da zu wissen, dass ich das gar nicht brauche! Gott möchte einfach nur, dass ich meine Aufgaben erledige, so gut ich es kann – was andere rechts und links von mir erreichen und wie viel Applaus sie dafür bekommen, soll mich gar nicht interessieren.

Ich soll mir noch nicht einmal ständig meinen eigenen Erfolgs- und Beliebtheitspuls messen. Worauf es Gott ankommt, ist, dass ich meine Fähigkeiten und mein Können gewissenhaft und zuverlässig einsetze (vgl. 1. Korinther 4,2). Mehr braucht es nicht. Das ganze Bewerten, Abwägen, Vergleichen und Kritisieren darf ich getrost hinter mir lassen. Jesus wird mir einmal die Anerkennung zusprechen, die mir zusteht – nur auf diese kommt es an und nur auf diese soll ich mich konzentrieren.

Jesus wird mir einmal die Anerkennung zusprechen, die mir zusteht – nur auf diese kommt es an und nur auf diese soll ich mich konzentrieren.

Ständiges Vergleichen ist nicht nötig

Ich habe mir vorgenommen, eine solche Einstellung einzuüben und mit ihr durchs Leben zu gehen. Bei meinen Kindern gelingt mir das als Mutter umgekehrt ja auch ganz selbstverständlich: Ich verlange nicht von ihnen, dass sie sich gegenseitig übertrumpfen oder ihre Leistung am jeweils Besten oder Sportlichsten in ihrer Klasse messen. Im Gegenteil, ich freue mich bei jedem meiner Söhne an dem, was er persönlich kann oder was seinem Alter und seinem Charakter entspricht.

Von meinem Standpunkt aus ist es deswegen völlig unsinnig, wenn sie sich ständig miteinander vergleichen. Wenn ich Paulus richtig verstanden habe, dann sieht Gott das im Blick auf seine Kinder auf dieser Erde ganz genauso. Was für ein guter Grund, um jedes Vergleichen und jedes Hochstrampeln auf irgendeiner Messskala ganz entspannt hinter sich zu lassen!  

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Redakteurin, Autorin und begeisterte Theologin. Ihre Faszination für die Weisheit und Bedeutung biblischer Texte möchte sie gerne anderen zugänglich machen.  In der Sendereihe "Das Gespräch" spricht sie am liebsten mit Gästen über theologische und gesellschaftlich relevante Themen. Sie liebt Bücher und lebt mit ihrer Familie in Mittelhessen.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Reiner C. /

Das ist ein sehr ehrlicher und segenreicher Kommentar. So richtig au dem Leben. Vielen Dank.
In Jesus verbunden
mit freundlichem Gruß
Reiner

Das könnte Sie auch interessieren