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© Maria Ballesteros / unsplash.com

10.12.2012 / Andacht / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Muss ich gastfreundlich sein?

Was anstrengend und zermürbend klingt, wird zur wertvollen Erfahrung.

Das Wort Gastfreundlichkeit treibt einigen Menschen Schweißperlen auf die Stirn. Es hört sich nach viel Arbeit, besonderen Kochkünsten und einem großen Hausputz an. Einfacher ist es, keine Gäste einzuladen und dementsprechend nicht „freundlich zum Gast“ zu sein. Wäre das nach der Bibel okay?  
 

Erwartungsvoll schlage ich auf Bibleserver.com das Wort „Gastfreundschaft“ nach. Er zeigt mir in der Lutherübersetzung eine einzige Stelle an. Im Vergleich dazu wird das Wort „Liebe“ 448 Mal erwähnt. Heißt das, dass Gastfreundschaft weniger wichtig ist als Liebe? Welchen Stellenwert hat Gastfreundschaft in der Bibel?

Wenn die Autoren im Griechischen das Wort Gastfreundschaft gebrauchen, bedeutet es so viel wie „Fremdenliebe“. Auf den ersten Blick scheinen Fremdenliebe und Gastfreundschaft nicht das Gleiche zu sein. Gastfreundlich bin ich, wenn ich Freunde zu einem Spieleabend einlade. Auch wenn ich meine Gäste noch nicht gut kenne, ist es leicht, freundlich zu sein. Den Fremden lieben erfordert dagegen eine bewusste Entscheidung. Ohne dass ich jemanden einschätzen kann, ihn lieben? Das ist eine ganz andere Nummer.

Ich merke, dass Gastfreundschaft tiefer geht, als ich bislang angenommen habe. Und vielleicht ist Nächstenliebe der Gastfreundschaft doch ähnlicher, als ich es erwartet habe. Als der barmherzige Samariter, DAS Beispiel für Nächstenliebe (Lukas 10,25-37), an dem verletzten Mann vorbeireitet, sieht er die Not und überlegt nicht lange. Ihm ist klar, dass er helfen muss und so kümmert er sich liebevoll um ihn, indem er ihn verarztet und in eine Herberge bringt. Wenn das keine Gastfreundschaft ist! Er handelt so, trotz der Feindschaft, die zwischen den Samaritern und Juden herrschte.

Vielleicht ist Nächstenliebe der Gastfreundschaft doch ähnlicher, als ich es erwartet habe.

Dem Nächsten dienen

Die Bibel erwähnt verschiedene Situationen, die ebenso von Gastfreundschaft handeln, z. B. in 1. Mose 18,1-8. Als Abraham in der größten Mittagshitze ausruht, stehen drei Männer vor ihm. Er weiß weder wer sie sind, noch woher sie kommen, dennoch läuft er ihnen entgegen. Er neigt sich zur Erde und bittet sie, seine Gäste zu sein. Während ich den Bibeltext lese, kann ich mir den Trubel, der plötzlich im Hause Abrahams geherrscht haben muss, sehr gut vorstellen.

Er lässt Wasser bringen, damit sich seine Gäste ihre Füße waschen können. Seine Frau Sara backt Kuchen und aus drei Maß Mehl backt sie Brot. Es ist viel mehr als die Männer überhaupt essen können, denn schon ein Maß wäre genug für drei Personen. Des Weiteren lässt Abraham ein zartes Kalb schlachten, um seinen Gästen bekömmliches Fleisch vorzusetzen, sowie frische Butter und Milch. Er wünscht sich, dass sich seine Gäste bei ihm wohl fühlen.

Obwohl seine Gäste spontan gekommen sind, ändert er seine Tagespläne und hat viel Zeit für sie. Er dient ihnen mit ganzem Einsatz. Erst später stellt sich heraus, dass seine Gäste Engel sind. Das heißt:

Abraham war nicht gastfreundlich, weil er Engelbesuch hatte. Jeden anderen Gast hätte er genauso herzlich bewirtet.

Dem Nächsten selbstlos dienen

Seinem Neffen Lot ist Gastfreundschaft ebenfalls enorm wichtig. Er nimmt Gastfreundschaft sogar so ernst, dass man ihn mit guten Grund als Rabenvater bezeichnen könnte. In 1. Mose 19 kommen die Engel, die Abraham besucht haben, zu Lot. Genauso wie sein Onkel Abraham gibt Lot sich alle Mühe, um es seinen beiden Gästen gut gehen zu lassen.

Plötzlich geschieht etwas Merkwürdiges: Die Männer des Dorfes bitten ihn, seine Gäste herauszugeben, damit sie sich an ihnen sexuell vergehen können. Er weigert sich entschlossen und ist in dieser angespannten Situation sogar bereit, seine Töchter stattdessen herauszugeben.

Diese Situation ist schwierig einzuordnen, denn natürlich ist diese Geschichte kein Plädoyer dafür, dass Gäste geschützt werden sollen, koste es was es wolle. Jedoch zeigt diese Geschichte den äußerst hohen Stellenwert der Gastfreundschaft bei Lot. Er möchte seine Gäste beschützen. Dafür ist er bereit, einen hohen Preis zu zahlen.

Abraham und Lot tun genau das, was Gott selbst auch für wichtig hält. Er positioniert sich in 5. Mose 23,4 zum Thema Gastfreundschaft, indem er die Moabiter und die Ammoniter straft, weil sie den Juden gegenüber nicht gastfreundlich waren. Aus diesem Grund verweigert Gott ihnen den Zutritt in die Gemeinde für viele Generationen. Sie knabbern noch lange daran, dass sie seinem Volk nicht gastfreundlich begegnet sind.

Jesus erlebt und lebt Gastfreundschaft

Als Jesus auf der Erde ist, macht er unterschiedliche Erfahrungen mit Gastfreundschaft. Die Geschwister Maria, Martha und Lazarus sind sehr gastfreundlich und freuen sich, Jesus häufig als Gast in ihrem Haus zu haben. Martha dient Jesus, indem sie es ihm besonders schön machen möchte. Sie bereitet tolles Essen vor und sorgt dafür, dass er sich wohl fühlt.

Maria stattdessen sitzt zu Füßen Jesu und genießt die Gemeinschaft mit ihm. Während eines Besuches reibt sie seine Füße mit kostbaren Nardenöl ein. Damit bringt sie ihre Liebe zu Jesus zum Ausdruck. Maria und Martha zeigen ihre Zuneigung auf unterschiedliche Art und Weise, dennoch sind beide gastfreundlich (Johannes 12,1-11; Lukas 10,38-42).

Jesus freut sich über beide Frauen sehr. Er sieht ihre Herzen und damit ihre Motivation in den einzelnen Situationen. Interessant ist, dass er Maria in Schutz nimmt, als Martha sich darüber beschwert, dass ihre Schwester ihr nicht bei der Vorbereitung des Essens hilft. Jesus freut sich über die Gemeinschaft mit Maria und über ihren Wunsch, dass sie möglichst viel von seinen Worten aufnehmen möchte.

Es scheint, dass Jesus beiden die freie Wahl lässt, wie sie ihre Gastfreundschaft zu ihm zum Ausdruck bringen. Damit relativiert er auch die Vorstellung vieler Frauen, dem Gast möglichst ein besonderes Essen und eine tiptop-saubere Wohnung anzubieten.

Gastfreundschaft ist weit mehr als ein gutes Essen und Ordnung in der Wohnung. Allein wenn ich mit Menschen Zeit verbringe, die ich mag oder vielleicht auch weniger, bin ich schon gastfreundlich.

Jesus erfährt Gastfreundschaft von verschiedenen Menschen wie Zachäus und Maria und Martha, jedoch sorgt er auch selbst für andere Menschen. Während einer Open-Air-Predigt hören ihm sehr viele Menschen gebannt zu. Sie hängen an seinen Lippen. Während die Zeit vergeht bekommen sie langsam Hunger.

Jesus weiß es und möchte ihnen dienen und ihren Hunger stillen. Spontan sorgt er für ein großes gemeinschaftliches Abendessen für 5.000 Personen (Lukas 9,10-17). Er lädt Menschen ein und wird selbst der Gastgeber für sie. Er lebt die Gastfreundschaft vor, die er auch von seinen Nachfolgern erwartet.

Gott als Gastgeber

Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Als er seine Jünger auf den Weg schickt, um die gute Nachricht an viele Menschen weiterzugeben, sollen sie nichts mitnehmen. Sie sollen sich auf die Gastfreundschaft der Menschen verlassen, bei denen sie einkehren werden. Er erwartet, dass die Menschen, die ein Ohr für die Botschaft haben, auch bereit sind, Nächstenliebe zu praktizieren und seine Jünger aufzunehmen (Matthäus 10,10). Er sagt schlicht: „Der Arbeiter ist seiner Speise wert.“ Sie sollen sich darüber im Klaren sein, dass Gott für sie sorgen wird.

Weil sie für Jesus unterwegs sind, benötigen sie die Unterstützung anderer Gläubigen. Diese sind verpflichtet, für die reisenden Prediger aufzukommen, weil diese den Auftrag Gottes umsetzen, den Menschen das Evangelium nahe zu bringen. Jesus sagt in Matthäus 25,43ff sogar, dass jeder Dienst an einer anderen Person letzten Endes ein Dienst an ihm selbst ist: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.“

Indem wir jemandem etwas Gutes tun, dienen wir Gott selbst.

Im Gegenzug revanchiert Gott sich überaus großzügig. Er lädt herzlich zu einem großen Festessen ein, zu dem jeder kommen darf. Alle sind eingeladen, dieses große Fest mit Gott zu erleben (Matthäus 22,1-14).

Wenn Gott ein Fest ausrichtet, wird es alle Feste in den Schatten stellen, die wir bislang erlebt und gefeiert haben. Dieses Fest wird unsere kühnsten Vorstellungen übersteigen und uns eine ganz neue Dimension vom Feiern geben. Wir werden von ihm verwöhnt und durch Gottes Gastfreundschaft ein tieferes Verständnis bekommen, was es heißt, den anderen zu dienen und dem anderen Gutes zu tun.

Vielleicht motiviert uns dieser Ausblick auf Gottes Gastfreundschaft dazu, selbst zu überlegen, wie wir anderen Menschen gegenüber gastfreundlich handeln können.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Brigitte /

Wir haben es schön öfters gewagt Fremde einzuladen und einige wurden Freunde. Nie etwas bereut! Gerade Migranten aktuell den Ukrainern fehlen Beziehungen, wer, wenn nicht wir .....also los, wagt es!

Betty /

Hallo - danke für die Gedanken zu Gastfreundschaft und Nächstenliebe. Gibt es heute noch Gastfreundschaft im damaligen Sinne?
Woher kam sie? Meines Wissens hatte sie den Sinn einer Herberge von mehr

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