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© Zohre Nemati / unsplash.com

28.08.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

„Krisen und kein Ende“

Was hilft, wenn ich mich kraftlos und entmutigt fühle? Eine Andacht.

„Krisen und kein Ende – Die erschöpfte Republik“ – so titelte kürzlich ein Internetportal einen Bericht über die Wirkung, die Corona, Krieg und Klimaextreme auf uns Deutsche haben. Die Ressourcen für den Umgang mit Krisen seien aufgebraucht und so zögen sich viele Bundesbürger ins Private zurück. Probleme und Herausforderungen würden zunehmend ausgeblendet werden.  

Ich muss gestehen, dass ich mich in dieser Analyse wiedergefunden habe. Ich möchte nicht resignieren oder mutlos werden, aber manchmal fühle ich mich überfordert von all den Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft stehen. Zu alldem muss auch noch der normale Alltag gestemmt werden. Was gibt mir in dieser Situation neue Kraft und neue Zuversicht?
 

Biblische Bilder für Mutlosigkeit und Verletzungen

Ich merke, dass ich mich diese Frage in letzter Zeit häufiger bewegt und vielleicht geht es dir damit ähnlich. Ich glaube nicht, dass es darauf eine Pauschalantwort gibt, dazu spielen zu viele Aspekte mit hinein. Trotzdem hat mich ein kleiner Abschnitt aus der Bibel in diesem Zusammenhang angesprochen. Dort heißt es über Jesus: „Das geknickte Schilfrohr wird er nicht abbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Er wird das Recht schließlich zum Sieg führen. Auf ihn werden die Völker ihre Hoffnung setzen“ (Matthäus 12,20-21).  

Die beiden Bilder, die der Text verwendet, kommen in meinem Alltag nicht häufig vor. Trotzdem kann ich mir sowohl ein abgeknicktes Schilfrohr als auch einen glimmenden Doch gut vorstellen. Wir haben zwar keine Öllampe zuhause – auf sie wird im Bibeltext angespielt – aber einen Kaminofen. Da habe ich es schon oft erlebt, dass das aufgeschichtete und angezündete Holz nach einer Weile nicht mehr ordentlich brennt, sondern nur noch vor sich hin glimmt und raucht. Wenn ich mich dann nicht um das Feuer kümmere, geht es innerhalb kürzester Zeit tatsächlich aus.  

Mit abgeknicktem Schilfrohr bin ich bisher gar nicht in Berührung gekommen, aber im Blick auf abgebrochene Äste habe ich gelesen, dass man sie tatsächlich, ähnlich wie einen gebrochenen Arm, schienen kann. Es gibt im Fachhandel sogar das entsprechende Zubehör dafür.
 

Zwei Arten von Erschöpfung 

Spannend ist, was dieser Vergleich1 von Schilfrohr und Docht über uns Menschen und Jesu‘ Umgang mit uns aussagt. Denn das geknickte Rohr steht für einen Menschen, der aus irgendeinem Grund in seinem Leben nicht mehr stabil steht. Er ist bildlich gesprochen seelisch geknickt und verletzt. Andere Menschen, die Lebensumstände oder eigenes Fehlverhalten haben ihm einen derart heftigen Schlag versetzt, dass er innerlich zu zerbrechen droht.  

Bei dem Vergleich mit dem glimmenden Docht ist die Ausgangslage eine andere. Mit diesem Bild wird ein Mensch beschrieben, der seelisch zwar unverletzt sein mag, der aber nicht mehr die Kraft oder die Leidenschaft hat, für etwas zu brennen. Er ist mutlos und antriebslos und schafft es nicht mehr, sich dem Leben zu stellen. Hoffnung und Lebensfreude fehlen.
 

Jesus kümmert sich um mich 

Genau an diesem Punkt wird der Bibelvers für mich sehr konkret. Denn der Text verweist mich in meinem Ringen um Kraft und Zuversicht auf meine Beziehung mit Jesus. Jesus weiß, ob ich gerade in meinem Privatleben „angeknackst“ bin, weil ich mich durch das Verhalten einer anderen Person stark verunsichert fühle. Oder ob mein Lebensmut gerade nur noch glimmt, weil ich angesichts all der Krisen nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Jesus weiß, wo ich innere Heilung oder Vergebung brauche, oder wo ich – wie andere auch – an einer kollektiven Erschöpfung leide.  

Bei Jesus gilt zum Glück nicht das Sprichwort „Nur die Harten kommen in den Garten“. Stattdessen zeigt mir dieses Bild von Docht und Schilfrohr, dass Jesus die unterschiedliche Lebens- und Glaubenssituation von uns Menschen kennt und jedem so hilft, wie er es braucht. Jesus ist ein Kümmerer. Er will mir die Kraft geben, die ich brauche, um im Alltag nicht unterzugehen.

Jesus ist ein Kümmerer. Er will mir die Kraft geben, die ich brauche, um im Alltag nicht unterzugehen.

In Krisenzeiten die Nähe von Jesus suchen 

Und nicht nur das. Die doppelte Verneinung „nicht zerbrechen“ und „nicht auslöschen“ ist ein sprachliches Stilmittel, mit dem genau das Gegenteil der Verneinung ausgedrückt werden soll. Jesus will den Bruch in meinem Leben also heilen und die Flamme wieder zum Brennen bringen. In der Regel passiert das nicht von heute auf morgen, sondern eher langsam und beständig. Aber Jesus wird nicht nachlassen, alles zu tun, was dafür notwendig ist.   

Die Bedingung für dieses Eingreifen ist allerdings, dass ich seine Hilfe annehme, denn aufzwingen wird Jesus sie mir im Normalfall nicht. Ich merke: Das ist die Handlungsanweisung, die mir der Bibeltext mit auf den Weg gibt. Das ist das, was ich tatsächlich tun kann, wenn ich mich kraftlos oder orientierungslos fühle. Wenn die Umstände um mich herum verwirrender werden, muss ich darauf achten, dass meine Beziehung zu Jesus intensiver wird.
 

Mich in Hoffnung verankern  

„I will stand my ground, where hope can be found“, singt Lauren Daigle in ihrem Lied „O‘ Lord“. Auf Deutsch etwa: Ich werde da standhaft bleiben, wo es Hoffnung gibt. Ich merke immer deutlicher, dass es meine Beziehung mit Jesus ist, in der ich diese Hoffnung finde. Denn die Welt um mich herum wird nicht irgendwann mit einem Schlag wieder heil und unkompliziert werden. Leider.

Aber Jesus will mir die Kraft geben, damit ich meinen Alltag und das Zusammenleben mit anderen Menschen einigermaßen meistern kann, ohne dabei zynisch oder egoistisch zu werden oder zu verzweifeln. Ich bin so froh, dass Jesus ein solcher Kümmerer ist! Er nimmt sich verletzter und desillusionierter Seelen an. Ich wünsche mir und dir, dass wir diese Erfahrung gerade in diesen herausfordernden Zeiten immer wieder neu machen.
 

[1] Vgl. dazu „MacLaren's Expositions“ zu Jesaja 42,3 unter biblehub.com.

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Redakteurin, Autorin und begeisterte Theologin. Ihre Faszination für die Weisheit und Bedeutung biblischer Texte möchte sie gerne anderen zugänglich machen.  In der Sendereihe "Das Gespräch" spricht sie am liebsten mit Gästen über theologische und gesellschaftlich relevante Themen. Sie liebt Bücher und lebt mit ihrer Familie in Mittelhessen.

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

G.W. /

danke für diese Ermutigung

Regine M. /

Na das ist aber eine super Idee an diese biblischen Bilder heranzugehen- zuerst eine Assoziation aus dem Alltag finden, dann die emotionale Bedeutung auffangen. Gefällt mir sehr gut, Frau Wilhelm, mehr

Sabine /

Liebe Frau Willhelm, ihre Worte treffen mein Herz voll und ganz.
Ich möchte, dass ich Jesus als meinen Kümmerer erkennen kann!
Danke für diese mir mutmachende wunderbare Andacht.

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