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© Jake Walker / unsplash.com

15.07.2024 / Andacht / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Sarah-Melissa Loewen

Jesus kommt nie zu spät

Vertrauen wagen, wenn das Timing nicht stimmt. Eine Andacht.

Bei manchen Ereignissen oder Veränderungen in meinem Leben habe ich manchmal das Gefühl, es passt gerade gar nicht. Beispielsweise wird die Oma pflegebedürftig, aber ich wohne zurzeit nicht in ihrer Nähe, um zu helfen. Oder das Auto hat einen Totalschaden, ich habe gerade aber nicht die finanziellen Mittel, um ein neues zu kaufen.

Was passiert, passt nicht zusammen mit meinen Lebensumständen, meinen Möglichkeiten oder meinen Wünschen. Das Timing ist einfach dankbar schlecht und ich fühle mich mit der Situation überfordert. Ich frage: Gott, warum denn ausgerechnet jetzt? Wie soll ich das nur hinkriegen?   

Oder genau andersrum: Ich denke, jetzt wäre doch der richtige Zeitpunkt! Hier bin ich doch genau am richtigen Ort! Ich bin sowas von bereit für etwas Neues, wie beispielsweise eine andere Arbeitsstelle, den Beginn einer Partnerschaft, oder den Umzug in eine fremde Stadt. Aber nichts passiert, es tun sich keine neuen Möglichkeiten auf. Stattdessen Stillstand.

Und ich frage: Gott, wenn nicht jetzt, wann dann? Warum geht es nicht weiter? Habe ich etwas Wesentliches übersehen, wichtige Chancen verpasst? Ich bete für bestimmte Veränderung, darum, dass Gott eingreift und handelt und ich endlich in den nächsten Lebensabschnitt starten kann. Aber meine Gebete werden scheinbar nicht erhört. Kennst du das auch?

Verpasste Chancen

Scheinbar falsches Timing und das lange Warten auf Veränderung – darum geht es auch in folgender, etwas merkwürdigen Geschichte aus der Bibel. Am Anfang des 5. Kapitels des Johannesevangeliums wird berichtet, dass Jesus nach Jerusalem ging, um dort ein jüdisches Fest zu feiern. Auf seinem Weg in die Stadt kam er an einer Teichanlage mit fünf Säulenhallen vorbei, die auf Hebräisch Betesda hieß. Dort tummelten sich viele kranke Menschen: Blinde, Gelähmte, Verkrüppelte.

Sie alle hofften darauf, an diesem Ort gesund zu werden. Denn ab und zu kam ein Engel Gottes zu diesem Teich und wirbelte das Wasser auf. Wer dann als erstes in das Wasser stieg, der wurde gesund. Unter all diesen Menschen war auch ein gelähmter Mann, der seit 38 Jahren auf die Chance wartete, ein solches Gesundheitsbad zu nehmen.

Im Bibeltext heißt es weiter: „Jesus sah ihn dort liegen und wusste, dass er dort schon eine so lange Zeit verbracht hatte. Da stellte er ihm die Frage: ‚Willst du gesund werden?‘ Der Kranke erwiderte: ‚Herr, ich habe niemanden, der mich in den Teich trägt, wenn das Wasser aufsprudelt. Und wenn ich dann endlich dort ankomme, ist schon ein anderer vor mir ins Wasser gestiegen!‘ Jesus sagte zu ihm: ‚Steh auf, nimm deine Liege und fang an zu gehen!‘ Im selben Augenblick wurde der Mann gesund, nahm sein Bettzeug und lief los“ (Johannes 5,6-9).

Leben am Teich

Beim Lesen stolperte ich über die Stelle, als Jesus dem Mann die Frage stellt: Willst du gesund werden? Ich habe unvermittelt gedacht: Also Jesus, komm schon... Dein Ernst?! Ich meine, wie lange wartet der da am Teich, um es endlich im richtigen Moment als Erster ins Wasser zu schaffen?

Der kranke Mann wartet seit 38 Jahren an diesem Teich. Unfassbar! Er wartet und wartet und wartet. Immer wieder fiebert er auf den Moment hin, wenn das Wasser sich bewegt und er hofft, dass er es dieses Mal schafft. Er verbringt sein Leben dort in diesen Säulenhallen, den Teich immer im Blick – und trotzdem verpasst er den richtigen Moment immer wieder. Zur falschen Zeit am falschen Ort, seit 38 Jahren.

Wenn die Seele müde wird

Sein Glück scheint zum Greifen nah, aber immer ist ein anderer dran. Immer wird ein anderer gesund. Was für eine riesengroße Enttäuschung! Aber aufgeben ist keine Option. Und so hat der Kranke sich in dieses Leben am Teich eingerichtet, ein provisorisches Leben, immer in Wartestellung und in der Hoffnung, dass sein eigentliches Leben, sein richtiges Leben bald anfängt. Dass auch er bald an der Reihe ist und endlich gesund wird.

Wenn wir lange auf etwas warten müssen, wenn wir lange auf Veränderung in unserem Leben hoffen, dann geht das nicht spurlos an uns vorbei.

In Sprüche 13,12 heißt es: „Unerfüllte Hoffnung macht das Herz krank, doch ein erfüllter Wunsch ist wie ein lebensspendender Baum.“ Oder in einer anderen Übersetzung: „Langes Warten macht das Herz krank; aber ein erfüllter Wunsch gibt ihm neues Leben.“

Langes Warten, unerfüllte oder immer wieder enttäuschte Hoffnungen machen müde. Nicht körperlich müde, wo wir uns hinlegen, eine Weile ausruhen und dann geht es wieder. Nein, das ist eine Müdigkeit, die tief in die Seele sinkt. Die entmutigt, die lähmt und die Lebensfreude nach und nach verblassen lässt.

Ich frage dann: Gott, wie lange noch? Und je mehr Zeit verstreicht, umso stärker beschleicht mich das Gefühl, Gott kommt vielleicht doch zu spät.

Zeit ist relativ

Aber bei Gott ticken die Uhren anders. In 2. Petrus 3,8-9 lesen wir in diesem Zusammenhang folgendes:

„[...] Beim Herrn gilt ein anderes Zeitmaß als bei uns Menschen. Ein Tag ist für ihn wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein einziger Tag. Der Herr erfüllt seine Zusagen nicht zögernd, wie manche meinen. Im Gegenteil: Er hat Geduld mit euch, weil er nicht will, dass einige zugrunde gehen. Er möchte, dass alle Gelegenheit finden, von ihrem falschen Weg umzukehren.“

Hier lerne ich: Gott ist nicht langsam. Er ist geduldig. Nicht Gott braucht Zeit zur Umkehr, sondern ich. Das trifft sicherlich auch auf andere Lebensveränderungen zu. Möglicherweise braucht es in meiner Situation diese lange Zeit, damit ich werden kann, wer ich werden muss, damit Gott tun kann, was er mit oder an mir tun möchte. Es hat schon seinen Grund, warum man Kindern keine Autoschlüssel oder Feuerzeug in die Hand drückt. Sie müssen erst älter werden, um damit richtig und verantwortungsvoll umgehen zu können.

Vielleicht sagt Gott auch zu dir, zu mir: Du musst noch etwas älter werden, du musst noch etwas reifer werden... Du musst erst an diesen einen bestimmten Punkt in deinem Leben kommen, an dem du das wirklich tragen (oder vielleicht auch ertragen) kannst. Dann ist Geduld gefragt.

Vertrauen wagen

Aber geduldig zu sein meint nicht nur, gut im Warten zu sein. Im Bibeltext heißt es, dass Jesus weiß, wie lange dieser Kranke schon auf sein Heil wartet, wie lange er schon hofft und bangt. Der Mann setzt alle seine Hoffnungen auf die Wunderwirkung des Wassers.

Aber als Jesus ihm begegnet, kommt es plötzlich nicht mehr darauf an, ob sich das Wasser bewegt. Sondern der entscheidende Moment ist, als Jesus vor dem Mann steht und sein Innerstes bewegt. Ich denke, Jesus stellt ihm auch deswegen diese scheinbar absurde Frage. Vielleicht fragt Jesus ihn nicht wirklich danach, ob er gesund werden will, sondern er fragt: Vertraust du mir? Das ist die Chance seines Lebens.

Wenn wir mit Jesus leben, meint geduldig zu sein, voller Vertrauen darauf zu warten, dass Jesus zur richtigen Zeit an unseren Teich kommt.

Und dann kommt es darauf an, dass wir in diesem entscheidenden Moment Vertrauen wagen – selbst wenn 38 Jahre voller schlechter Erfahrungen dagegensprechen.

Aus dieser Geschichte lerne ich: Auch wenn es mir oft so schwerfällt – es geht darum, Jesus zu vertrauen. Jesus kennt meine Umstände. Er weiß ganz genau, wie lange ich schon warte, wie frustrierend das manchmal ist und dass mich manchmal die Verzweiflung packt und mich Hoffnungslosigkeit überkommt. Er sieht auch das große Ganze, reicht mir seine Hand und führt mich geduldig und fürsorglich durch diesen Prozess des Wartens.

Und zuletzt ist er immer genau zur richtigen Zeit, am richtigen Ort für mich da. Deswegen will ich aufmerksam sein! Denn vielleicht ist heute der Tag, an dem Jesus mir oder dir begegnet und etwas in Bewegung bringt.

 Sarah-Melissa Loewen

Sarah-Melissa Loewen

  |  Redakteurin

Sie hat Literatur- und Kulturwissenschaften studiert und war schon immer von guten Geschichten in Buch und Film begeistert. Doch sie findet, die besten Geschichten schreibt Gott im Leben von Menschen. Als Redakteurin erzählt sie diese inspirierenden Lebens- und Glaubensgeschichten. Sie lebt mit ihrem Mann in der schönsten Stadt am Rhein.

Ihr Kommentar

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Kommentare (1)

Roland /

Vielen herzlichen Dank Sarah.
Das ist eine sehr gute und hilfreiche Auslegung über dieses Thema.
Einige Passagen sprechen mich in der Seele an. Vor allem das warten bis alle/s und auch ich dazu bereit sind.
Gott weiß den Zeitpunkt, das lässt mich „aushalten“.
Danke und Gottes Segen
allen.

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