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© Jametlene Reskp / unsplash.com

15.04.2024 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Annegret Schneider

Immer habe ich das Nachsehen

Wie man sich selbst das Leben schwermachen kann. Eine Andacht

„Immer muss ich die abgelegten Klamotten tragen – und die bekommt was Neues.“ „Die fahren ständig in den Urlaub – und wir?!“ 

Wer kennt sie nicht, diese oder ähnliche Klagen. Bei der Klamottenfrage erinnert sich der eine oder die andere vielleicht an die eigene Kindheit und lächelt im Nachhinein über dieses Problemchen. Doch wie sieht es aus bei der Urlaubsgeschichte oder Ähnlichem? Wenn man sich als längst erwachsener Mensch fragt: Warum haben andere Zeit und Geld, ständig in den Urlaub zu fahren – und wir müssen zusehen, dass wir über die Runden kommen? 

Ganz schnell kann man in eine Abwärtsspirale geraten, wenn man Gedanken dieser Art nachgibt. Das muss nach außen hin noch nicht mal groß auffallen, aber im Inneren beginnt ein ungesunder Gärungsprozess.

Wer sich als Kind vielleicht beschwert hat, weil er oder sie sich von Eltern, Lehrern oder Freunden ungerecht behandelt fühlte, ist als erwachsener Mensch geneigt, die Vorwürfe gegen eine höhere Instanz zu richten, sei es Gott, das Schicksal oder wer auch immer.

Das Vergleichen mit anderen, die vermeintlich besser dastehen, bevorzugt werden oder besser abschneiden als man selbst, kann leicht dazu führen, dass man sich minderwertig, nicht wertgeschätzt oder missachtet fühlt. Man wird neidisch und am Ende womöglich unleidlich.  

Ein Versager wird zum Gewinner  

Neid auf andere und das dumpfe Gefühl, selbst zu kurz zu kommen, ist nichts Neues. Schon in der Bibel wird dieses Problem angesprochen. Ich denke da zum Beispiel an ein Gleichnis, das Jesus erzählt. Es geht um einen Vater und seine zwei Söhne.

Die Geschichte beginnt damit, dass einer der Söhne seinem Zuhause den Rücken kehrt – mit seinem gesamten Erbe, das er sich vorzeitig auszahlen lässt. Eine Zumutung in der damaligen Gesellschaft – und erst recht für seinen Vater. Er geht weg von seinen Verwandten, lässt sich mit zweifelhaften Gestalten ein, vergeudet sein gesamtes Hab und Gut und landet schließlich ganz unten in der Gosse.  

Erst als er völlig zerbrochen ist, besinnt er sich darauf, dass er bei seinem Vater Gnade finden könnte. Womit er nicht rechnet, ist die tatsächliche Reaktion seines Vaters, als er endlich zu ihm zurückkehrt. Er nimmt ihn wieder als Sohn an, nicht als Tagelöhner, wie der Sohn vorgeschlagen hatte.

Sein Vater gibt ihm Würde, Ehre und Ansehen zurück und nimmt ihn voller Freude wieder in die Familie auf. 

Der Respektable macht sich selbst zum Verlierer 

Der ältere Bruder war die ganze Zeit zu Hause und hat treu seinem Vater gedient und den Betrieb am Laufen gehalten, während der jüngere Bruder Geld, Ansehen und Ehre der Familie aufs Spiel gesetzt und verloren hat. Er wird wütend, als er hört, wie die Rückkehr seines Bruders gefeiert wird. Keine Freude darüber, dass ein verloren geglaubtes Familienmitglied wieder da ist.  

Vom älteren Sohn wird nur knapp erzählt: „Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 

Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet“ (Lukas 15,25-30).  

Wie viel Bitterkeit und Unmut werden hier in wenigen Sätzen geschildert. Allein, dass der ältere Bruder seinen jüngeren Bruder dem Vater gegenüber als „dieser dein Sohn, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat“ bezeichnet, lässt erkennen, wie sehr er ihn verachtet.  

Der ältere Sohn hat nicht einmal Verständnis dafür, dass sein Vater sich freut über das Nachhausekommen seines Kindes. Er sieht im ersten Zorn nur, dass er selbst zu kurz gekommen ist. Ausgerechnet gegenüber dem nichtsnutzigen Bruder. Er betont seine eigene Rechtschaffenheit und rechnet seinem Vater vor, was er für ihn getan hat, dass er ihm viele Jahre gedient hat. Der ältere Sohn fühlt sich offenbar übersehen und nicht wertgeschätzt.  

Verblendet von der eigenen Rechtschaffenheit 

Der ältere Sohn in dieser Geschichte ist tatsächlich zu bedauern. Nicht etwa, weil nicht er es ist, der das gemästete Kalb bekommen hat, sondern weil er die Liebe seines Vaters komplett missversteht.  

Er ist blind für das Gute in seinem eigenen Leben, für all die Möglichkeiten, die ihm in der Nähe zum Vater in all den Jahren offenstanden.

Er sieht nur den Moment, in dem sein Bruder gefeiert wird und ärgert sich darüber, weil er denkt, dass er selbst eine Belohnung für seinen Gehorsam verdient hätte. Was für eine Tragik. Und wie aktuell ist dieses Gleichnis. 

Ich lerne aus dieser Geschichte: 

  1. Wenn ich vom Vater weglaufe, mich also von Gott entferne, kann das nur im Elend enden. 

  1. Auch wenn ich nah bei Gott und Jesus bleibe, bin ich nicht davor geschützt, mir selber etwas vorzumachen oder mich falsch einzuschätzen. 

  1. Wenn ich mich dabei ertappe, neidisch auf andere zu schielen, dann gilt es, die Augen offenzuhalten für das, was Jesus mir tagtäglich schenkt. Dafür will ich von Herzen dankbar sein. 

  1. Wenn ich mir dann bewusst mache, wie gut ich es in der Nähe des Vaters habe und dass er mir alles gibt, was ich brauche, ist das ein guter Weg, nicht neidisch zu werden oder mir einzubilden, zu kurz gekommen zu sein.  

In welchem der beiden Söhne findest du dich wieder? 

Ihr Kommentar

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Kommentare (1)

Angelika /

Ja, das ist so eine Sache mit dieser Geschichte. Ich habe schon oft gehört, wie sie auf diese Weise interpretiert wird. Wahrscheinlich, weil auch zu wenig über den zu Hause gebliebenen Sohn erzählt mehr

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