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03.12.2007 / / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Maite Müller

Heute schon mal jemandem vergeben?

"Gestern hat mich einer angemacht und beleidigt. Und heute hat mich einer geschlagen. Wisst ihr, was ich mit diesen getan habe? Ich hab sie beide umgebracht. Hört meine Stimme: Ich bin stark und lasse mir nichts gefallen. Alles, was man mir tut, das werde ich rächen - siebenundsiebzigfach!"

"Gestern hat mich einer angemacht und beleidigt. Und heute hat mich einer geschlagen. Wisst ihr, was ich mit diesen getan habe? Ich hab sie beide umgebracht. Hört meine Stimme: Ich bin stark und lasse mir nichts gefallen. Alles, was man mir tut, das werde ich rächen - siebenundsiebzigfach!"

Diese Stimme gehört einem Mann namens Lamech. Er stammt aus dem Volk der Hirten und Nomaden auf dem Sinai. Obwohl Lamech in grauer Vorzeit lebte (1. Mose 4,23), ist seine Reaktion sehr modern. Sie heißt: Wie du mir, so ich dir. Und zwar nicht einfach, sondern siebenundsiebzigfach.

Natürlich töten wir modernen Europäer heute nicht mehr körperlich, wenn uns andere angreifen, verunsichern oder verletzen. Wo kämen wir da hin. Wir greifen lieber zu verletzenden Bemerkungen, Ausgrenzung, übler Nachrede, heimlichen Intri-gen, hasserfüllten Gedanken, Verweigerung, Liebesentzug. Dieses ganze Arsenal schwerer geistlicher Waffen gehört zu unserer Alltagsausrüstung.

Wir glauben, weil wir ihre Wirkung nicht direkt sehen können, sind sie eine prima Verteidigung. Obwohl wir jeden Tag an uns selbst erleben, was sie anrichten, finden wir sie ganz normal. Es gibt einen, der findet sie nicht normal: Gott.

"Gott schuf die Menschen nach seinem Bild, damit sie Freunde werden können - vertraute, liebevolle Kameraden - für ihn und untereinander. Aber sehr schnell lernten die Menschen, als Feinde zu leben. Zu all den Wundern, die Gott erschaffen hatte, fügte der Mensch seine eigene Erfindung hinzu: Rache." Das schreibt John Ortberg, amerikanischer Baptistenpfarrer, in seinem Buch: "Jeder ist normal, bis du ihn kennen lernst."

Der Weg der Vergeltung ist jedoch nicht nur nicht normal. Er führt direkt in den Tod. Er tötet Gemeinschaft, Beziehungen, positive Gefühle, unsere Herzen und schließlich uns selbst. Weil das System der Härte und Grausamkeit, das wir uns da erfunden haben, solche üblen Konsequenzen hat, hat Gott, der uns liebt, eine geniale Rettungs-strategie entwickelt. Sie heißt Vergebung.

"Vergebung ist eine Art geistliche Operation, in der alles entfernt wird, was für das Herz schädlich ist, und die tote Beziehungen wieder zum Leben erwecken kann. In gewisser Weise ist sie Gottes letztes und bestes Geschenk an die Menschheit. Vergebung hat als Einzige die Kraft, Beziehungen zu heilen, die durch Hass und Verrat zerstört wurden."

Vergebung lotst uns wieder zu dem ursprünglich geplanten Zustand zurück, den die Bibel Paradies nennt. Das hört sich toll an. Leider hat es einen Haken: Vergebung ist alles andere als einfach. Meine eigenen Ängste sprechen gegen sie. Wenn mich einer verletzt, und ich schlage nicht zurück, dann degeneriere ich doch zum Fußabtreter - schwach, hilflos, eine lebensuntüchtige Witzfigur. Oder: Wenn ich immer vergeben muss, mein Gegenüber aber nie Anstalten macht - das ist doch total ungerecht! OK. Vergebung ist klasse. Aber ist sie realistisch?

Alle Zitate: John Ortberg
"Jeder ist normal, bis du ihn kennen lernst"
Gebunden, 300 S. 16,95 Euro
Verlag Gerth Medien, 2005
ISBN 3-86591-043-2
Artikel-Nr. 816043000
Diese Gefühle und Gedanken beim Vergeben sind nicht neu. Petrus hatte sie auch. In Matthäus 18,21 sagt er zu Jesus:
"Jemand hat mich verletzt. Er hat mir Unrecht getan. Nicht nur einmal. Ich weiß, ich sollte ihm vergeben, aber es fühlt sich so unfair an. Warum soll immer ich derjenige sein, der vergeben muss? Wie oft muss ich ihm vergeben - siebenmal?"

Jesus antwortet: "Nicht siebenmal. Sondern siebenundsiebzig-mal."

Damit kehrt Jesus interessanterweise das Gesetz des Lamech um. Und er macht klar, dass Vergebung kein Ausnahmezustand ist. Sondern ein Lebensstil. Einer, für oder gegen den du dich entscheidest. Es gibt keine große Auswahl. Sondern lediglich "zwei Möglichkeiten, mit Verletzungen umzugehen: den Weg der Vergeltung und den Weg der Vergebung. Der erste führt zum Tod, der zweite zum Leben."

Weil Vergebung aber nicht leicht fällt, ist das Beste, Jesus um Hilfe zu bitten und mit kleinen Schritten anzufangen.

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