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© Juri Gianfrancesco / unsplash.com

06.05.2023 / Theologischer Artikel / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Steffen Brack

Gesehen! Wahrgenommen! Beachtet! (1)

Immer mehr Menschen fühlen sich einsam.

 

Immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Auch wenn die meisten nicht darüber reden. Gerade hat der NDR – der Norddeutsche Rundfunk – dazu eine Umfrage gestartet (Anfang Februar 2023).

Betroffen von der Einsamkeit sind vor allem zwei Bevölkerungsgruppen: junge Erwachsene und ältere Menschen. Und die verordnete Isolation in der Corona-Pandemie hat die Einsamkeit noch weiter gesteigert.

Genug Gründe also für mich, dass ich mich mit dem Einsam-Sein beschäftige. Denn jeder einzelne Mensch, der unter seiner Einsamkeit leidet, ist Gott wichtig. Sie und ich - wir liegen ihm am Herzen. Wie sehr, dem will ich jetzt mit Ihnen nachgehen.

Einsam von Anfang an?

Ganz überrascht bin ich, dass in der Bibel schon gleich am Anfang von einem einsamen Menschen die Rede ist. Genauer gesagt: da geht es um den ersten Menschen überhaupt, den Gott geschaffen hat. Den der Schöpfer des gesamten Universums liebevoll geformt hat. Von Gott eigenhändig gebildet. Echte Handarbeit also – von Gott selbst.

Im Schöpfungsbericht der Bibel ist das so formuliert: „Da nahm der lebendige Gott Staub von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen.“ Nachzulesen im 1. Buch Mose, Kapitel 2.

Ich treffe immer wieder Menschen, die tun sich schwer mit dem Schöpfungsbericht aus dem 1. Mosebuch in der Bibel. Und das nehme ich auch ernst. Natürlich setzt Gott uns hier nicht über die Details ins Bild.

Wie er also aus den verschiedenen Bestandteilen des Erdbodens damals den ersten Menschen erschaffen hat. Bestehend aus Millionen und Milliarden unterschiedlicher Zellen. Von denen jede einzelne vollgepackt ist mit biochemischen Kraftwerken oder molekularen Produktionsstätten der lebenswichtigen Aminosäuren und Proteine. Und das alles zusammengefügt zu einem erstaunlichen Wunderwerk, das einatmet und ausatmet, das geht und rennt, lacht und weint, spricht und hört, singt und tanzt. Ein Wesen das lebt. Und das für seinen Schöpfer so überaus kostbar ist.

Direkt aus Gottes Hand

Was hier aber in jedem Fall deutlich wird: Gott ist dem Menschen total nahe. Und das von Anfang an. Vom ersten liebevollen Handgriff bis zum krönenden Abschluss, als Gott seinem Geschöpf das Leben einhaucht.

Der Mensch kommt direkt aus der Hand Gottes. Er ist keine Massenware und keine billige Kopie. Der Mensch ist ein Original, ein Unikat, einzigartig, einmalig. Und das gilt nicht nur für den ersten Menschen. Sondern für jeden von uns (Psalm 139,13-16).

Nachdem Gott den ersten Menschen erschaffen hat, richtet er ihm auch eine wunderschöne Wohnung ein. Sozusagen. Gott pflanzt einen Garten an. Und zwar in der Landschaft mit dem verheißungsvollen Namen „Eden“. Denn das heißt so viel wie „Freude, Vergnügen, Entzücken, Lust, Wonne, großes Vergnügen, Glück“.

Und auch der Garten selbst bekommt diesen herrlichen Namen. Heute nennen wir diesen Ort des Glücks auch das Paradies. Denn Paradies ist das alt-persische Wort für „Parkanlage“ und „Garten“. Und dorthin bringt Gott den Menschen (1. Mose 2,8.15).

Alles vollkommen. Oder?

Doch dann folgt ein Hinweis, der mich verblüfft. Gott hat ja gerade den ersten Menschen an diesen vollkommenen Ort gebracht: zum Garten Eden. Zu dem Garten voller Glück, purer Freude und größtem Vergnügen. Jetzt ist doch alles gut. Oder etwa nicht?

Aber offensichtlich ist das Leben des Menschen auch jetzt noch nicht so, wie Gott sich das vorgestellt hat. Und das, obwohl Gott den Menschen höchstpersönlich geschaffen hat. Mit ganz viel Sorgfalt und mit seiner großen Liebe. Und obwohl der Mensch nun an einem Ort lebt, der das vollkommene Glück sein könnte. Und obwohl das alles so ist, sagt Gott an diesem Punkt: „Es ist nicht gut …“ (1. Mose 2,18).

Und das überrascht mich total. Schließlich hat der erste Mensch doch alles, was ich mir wünschen würde. Ein vollkommener Ort, an dem er leben kann. Nahrung in Hülle und Fülle. Die einfach nur darauf wartet, von den Bäumen gepflückt zu werden. Hundertausende von faszinierenden Tieren, die wohl im Garten ein und ausgehen.

Und Gott vertraut Adam – so heißt der erste Mensch nämlich. Dabei ist das aber vermutlich weniger ein Name – so wie bei uns vielleicht Hans oder Stephan. „Adam“: das weist mehr darauf hin, woher der erste Mensch kommt. Denn der Erdboden – aus dessen Elementen Gott den ersten Menschen geformt hat – heißt auf Hebräisch „adamah“. Und der Name „Adam“ weist eben darauf hin: Gott hat ihn aus den Elementen des Erdbodens geschaffen.

Gott vertraut Adam dann die ehrenvolle Aufgabe an, allen Vögeln und Landtieren ihren Namen zu geben. Und offensichtlich hat Gott sich da auch gar nicht eingemischt. Denn genau so, wie Adam die Tiere benennt, genau so heißen sie dann auch (1. Mose 2,19).

Die Beziehung zwischen dem Menschen und den Tieren ist offensichtlich total friedlich. Und auch die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist wohl vollkommen ungetrübt. Und Gott überträgt seinem Geschöpf hier eine große Aufgabe. Und dabei vertraut er dem Menschen. Voll und ganz.

Doch (noch) nicht gut!

Das alles klingt doch gut. Sehr gut sogar. Was soll denn an dieser Situation nicht gut sein? Was dem Adam im Paradies anfangs noch fehlt, das formuliert Gott so: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm jemanden zur Seite stellen, der zu ihm passt! Der ihm ebenbürtig ist.“ (1. Mose 2,18).

Adam ist allein. Ja. Es sind unzählige Tiere da. Und auch Gott selbst ist da. Und damals offensichtlich sogar sichtbar und hörbar für Adam (vgl. 1. Mose 3,8). Aber all das ändert nichts an dem Umstand: er ist allein, der erste Mensch. Denn kein anderer Mensch ist bei ihm. Und Gott stellt fest: „Das ist nicht gut.“

Die vielen Tiere, die Gott zu Adam gebracht hat, damit er ihnen einen Namen gibt – selbst die Gesellschaft dieser vielen Wesen, die Gott geschaffen hat, selbst ihre Gesellschaft reicht nicht aus, um Adams Einsamkeit zu beenden. Nein. Deshalb heißt es im Schöpfungsbericht: „Der Mensch gab dem Vieh, den wilden Tieren und den Vögeln ihre Namen, doch unter allen Tieren fand sich keins, das ihm helfen konnte und ihm ebenbürtig war und zu ihm passte.“ (1. Mose 2,20).

Treue Begleiter – und doch fehlt etwas

Natürlich tut es uns Menschen in der Regel richtig gut, wenn wir Tiere um uns haben. Als Kind habe ich reiten gelernt. Und Pferde sind tatsächlich großartige Geschöpfe. So viel größer, schwerer und stärker als ich, sind sie doch gerne bereit, mit mir zu arbeiten. Und wenn ich weiß, wie ich mich vor allem über den Körper richtig mit ihnen verständigen kann, dann sind diese sanften Riesen gerne bereit, meinen Anweisungen zu folgen.

Ich staune heute immer noch darüber, wenn ich mit Pferden zusammen bin. Was für tolle Geschöpfe hat Gott uns da als Mitbewohner auf der Erde geschenkt. Durch meine Kinder habe ich bis heute immer wieder Kontakt zu Pferden. Aber gerade meine Töchter haben noch mehr Tiere mit nach Hause gebracht. Vor allem Hunde und Katzen. Aber auch Kaninchen, Vögel und manch anderes.

Mir tut die Begegnung mit Tieren echt gut. Und vielen Menschen geht es ähnlich. Sicher ist es auch für einsame Menschen eine Hilfe, wenn sie ein Tier in ihrer Nähe haben. Aber selbst die treuesten Haustiere ersetzten nicht unsere Beziehungen mit anderen Menschen. Zumindest sieht Gott das so. Denn ganz offensichtlich sind wir als seine Geschöpfe von ihm so gemacht, dass wir ohne die Verbindung zu anderen Menschen einsam sind.

Das Ende der Einsamkeit

Und nachdem Adam das schmerzlich bewusst ist, dass er – trotz seiner Beziehung zu Gott und trotz der wunderbaren Geschöpfe um ihn herum – tief in seinem Herzen eine Einsamkeit spürt. Als Adam seine tiefe Einsamkeit bewusst wird, da lässt Gott den ersten Menschen in einen tiefen Schlaf fallen. Vermutlich die erste Vollnarkose in der Geschichte.

Im Schöpfungsbericht der Bibel liest sich das so: „Da versetzte Gott, der Gott Israels, den Menschen in einen tiefen Schlaf, nahm etwas von seiner Seite heraus und füllte die Stelle mit Fleisch. Aus dem Teil der Seite machte er eine Frau und brachte sie zu dem Menschen. Der freute sich und rief: »Endlich! Sie ist’s! Eine wie ich! Sie wurde aus einem Teil von mir gemacht. Sie gehört zu mir, denn von mir ist sie genommen.«“ (1 Mose 2,21-23).

„Endlich!“, ruft Adam. Wie schmerzlich muss er also seine Einsamkeit empfunden haben. „Endlich! Da ist jemand wie ich. Ein anderer Mensch.“ Diesmal eine Frau. Aus der Seite des Mannes geformt. Und das weist eindeutig darauf hin, dass Mann und Frau in Gottes Augen absolut ebenbürtig, gleichwertig und gleichberechtigt sind. Wörtlich heißt es hier, dass die Frau ein „Gegenüber“ des Mannes ist. Also ein Partner auf Augenhöhe.

Adam war einsam. Solange, bis ihm endlich ein anderer Mensch zur Seite stand. Seine Frau. Darauf nimmt der Schöpfungsbericht dann auch Bezug, auf die wohl intimste Beziehung zwischen zwei Menschen. Die Ehe zwischen Mann und Frau: „Darum verlässt ein Mann seine Eltern und verbindet sich so eng mit seiner Frau, dass die beiden eins sind mit Leib und Seele.“ (1. Mose 2,24).

Gott stellt also fest: es ist nicht gut, wenn ein Mensch allein ist. Und ich meine das gilt nicht nur für die Beziehung in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Sondern das gilt ganz grundsätzlich für unser Bedürfnis als Menschen, mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Wir brauchen andere Menschen

Gott stellt also fest: es ist nicht gut, wenn ein Mensch allein ist. Und ich meine das gilt nicht nur für die Beziehung in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Sondern das gilt ganz grundsätzlich für unser Bedürfnis als Menschen, mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Als Jesus vor rund 2.000 Jahren als Wanderprediger durch Israel gezogen ist, da hat er Menschen um sich gesammelt. Sicher auch, um sie mit Gott bekannt zu machen. Aber Jesus ging es auch darum, dass er nicht allein sein wollte. Denn er war ja als ewiger Gottessohn nun auch ganz Mensch geworden. Und für den Menschen Jesus aus Nazareth gilt natürlich auch: er will nicht allein sein.

Besonders deutlich wird das, am letzten Abend vor der Kreuzigung. Da feiert Jesus das jüdische Passahfest mit seinen 12 engsten Begleitern. Und zum Anfang der Feier sagt er: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, dieses Passamahl mit euch zu feiern, bevor ich leiden muss.“ (Lukas 22,15).

Jesus sehnt sich nach gemeinsamer Zeit mit seinen engsten Freunden. Ich denke auch hier gilt, dass es nicht gut ist, wenn ein Mensch allein ist.

Ein paar Stunden später geschieht noch einmal etwas ganz Ähnliches – auf dem Gartengrundstück, wo Jesus meist mit seinen Begleitern übernachtet hat. Jesus hat Angst vor dem, was nun auf ihm zukommt. Er wird geschlagen, gefoltert und grausam hingerichtet werden. Deshalb bittet er noch einmal drei seiner allerengsten Freunde, mit ihm zu beten. „»Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe. Bleibt hier und wacht mit mir!«“ (Matthäus 26,38).

Jesus will nicht alleine sein. Auch nicht in seinen allerschwersten Stunden. Sicher Gott ist mit ihm. Immer. Aber als Mensch braucht er – wenn es denn irgend möglich ist – auch die Nähe anderer Menschen, die ihm gut sind.

Es ist keine Schande, wenn ich Kontakt zu anderen Menschen aufnehme, weil ich einsam bin. Und dass ich sie frage oder bitte, ob sie Zeit mit mir verbringen wollen. Ein erfahrener Pastor sagte einmal: Wenn jemand einsam ist und sich mit jemandem verabredet, der auch einsam ist, dann gibt es schon zwei Menschen, die nicht mehr einsam sind.

Sicher ist das Bedürfnis danach, mit anderen Menschen zusammen zu sein, bei jedem einzelnen unterschiedlich stark. Da muss jetzt niemand andere kopieren. Aber in aller Regel hat jeder ein Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen oder einfach Zeit zu verbringen.

Der Artikel wird in einem zweiten Teil fortgesetzt.

 Steffen Brack

Steffen Brack

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Theologe und Redakteur, verheiratet, drei Kinder. Begeistert von Gottes unerschütterlicher Liebe.

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