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© Caleb Woods / unsplash.com

30.01.2018 / Interview / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Tanja Klement

Einfach beten!

Kann man beten eigentlich lernen? Tipps vom Gebetsspezialisten Hermann Rohde.

 

Kann man Gebet eigentlich lernen? Darf man vorformulierte Gebete nutzen und was, wenn man einfach nicht weiß, was man sagen soll? Hermann Rohde ist seit 2002 Beauftragter für Gebet bei „Campus für Christus“. Er verrät uns, was man tun kann, damit es endlich klappt mit dem Gespräch mit Gott.

Beten kann man lernen

ERF: Was ist eigentlich Gebet?

Hermann Rohde: Gebet ist Beziehung zu Gott, nicht nur Worte. Manchmal höre ich Sätze wie: „Ich glaube an die Kraft des Gebets. “ Ich antworte dann gerne etwas provokant: „Ich glaube nicht an die Kraft des Gebets. Aber ich glaube an einen, der mein Beten hört– und darum bete ich.“ Beten ist für mich keine Tätigkeit, sondern in Beziehung mit Gott stehen. Und ehrlich sein.


ERF: Darf jeder beten, ob man nun glaubt oder nicht?

Hermann Rohde: Je länger ich glaube, um so faszinierender finde ich es, mit Menschen zu beten, die Gott nicht kennen. Ich lebe in Ostdeutschland, da ist der Atheismus sehr stark und Christ zu sein eher seltsam. Doch wenn ich irgendeine Not mitbekomme in meiner Umgebung, zum Beispiel bei einem Nachbarn, sag ich: „Du kennst mich ja, ich bin ein komischer Typ, ich bete. Darf ich jetzt kurz für dich beten, ist das okay?“ Erstaunlicherweise sagt kaum jemand „nein“.

Und wenn jemand sich nicht sicher ist, ob es Gott überhaupt gibt, dann kann er Gott das auch direkt sagen: „Hol mich ab! Überzeug mich!“ Wir müssen ja nichts glauben, was uns nicht überzeugt. Gott freut sich über ehrliche Gebete. Glauben ist ein lebendiger Prozess, bei dem das Vertrauen wachsen darf.
 

ERF: Wenn man noch nicht oft gebetet hat und es lernen möchte, was kann man tun?

Hermann Rohde: Ich liebe es, beten zu üben! Deswegen mache ich auch anderen Mut es einfach mal auszuprobieren und zu sagen: „Gott, wenn es dich gibt, dann hilf mir bitte! Ich brauche Hilfe!“ Wie bei allem im Leben muss es auch beim Gebet erlaubt sein, sich auszuprobieren. Wenn wir keine Fehler machen dürfen, dann lernen wir auch nichts.

Ich erinnere mich an eine Studentengruppe, die gerne beten lernen wollte. Sie erzählten mir, dass in ihrer Gruppe immer die gleichen zwei beten würden, der Rest traute sich nicht so recht. Dann fragte ich: „Was ist denn das kürzeste Gebet, was euch einfällt?“ Gemeinsam sammelten wir Ein-Wort-Gebete. Zum Beispiel: „Hilfe!“ oder „Danke!“ Dann haben wir diese Worte mit einem Gedanken ergänzt: „Danke für…“ oder „Hilf mir bei…“. Gebet darf ganz einfach sein.

Stoßgebete – die elementarste Form des Gebets

ERF: Viele Menschen nutzen zum Gebet hauptsächlich vorformulierte Gebete, wie zum Beispiel das Vater Unser. Ist das ausreichend?

Hermann Rohde: Gott sei Dank haben wir das „Vater unser“! Das ist viel mehr als ein Gebet, sondern ein ganzes Gebetsprogramm, wenn man sich mal mit den einzelnen Versen beschäftigt. Da steckt viel drin. Auch der jahrhundertalte Schatz der vorformulierten Gebete kann uns sehr helfen, beten einzuüben.

Und trotzdem: wenn ich jeden Abend einen Zettel rausholen und meiner Frau sagen würde: „So, ich habe was für dich vorformuliert, das lese ich dir jetzt vor“ – das wäre absurd. Denn sie will, dass ich mit ihr so spreche, wie es in dem Moment aus meinem Herzen kommt. Bei Gott ist das genauso. Dieses freie Beten muss man aber nicht sofort können, man darf es lernen. Wie schon gesagt: Der Schlüssel ist, einfach zu beten.
 

ERF: Was ist mit Stoßgebeten? Gelten die schon als ein Gebet oder ist das doch nur eine Floskel?

Ich glaube das sind die elementarsten, ehrlichsten Gebete, die bei Gott landen. „Ich weiß nicht mehr aus noch ein – HILF MIR!“ In Psalm 62,9 heißt es: „Liebe Leute, schüttet euer Herz vor Gott aus.“ Gott hilft gerne! Der Vater wartet regelrecht darauf, dass wir zu ihm kommen.
 

ERF: Welche Gebetsformen gibt es eigentlich?

Hermann Rohde: Manche fallen einem sofort ein. Die Bitte, die Klage, das Lob oder auch die Bitte um Vergebung. Eine Form, die mir besonders lieb geworden ist, nenne ich „Gottwärts“. Ich merke, wenn ich anfange zu beten, geht’s mir oft so als würde ich in den Thronsaal Gottes rennen und sofort loslegen: „Vater, das ist wichtig, und vergiss bitte nicht jenes usw.“.

Als mir das auffiel, fragte ich mich: „was mache ich hier eigentlich? Nehme ich überhaupt wahr, mit wem ich spreche?“ Und so kam ich zu dem „Gottwärts“: Wenn ich beten will, bin ich erst einmal still. Halte den Mund. Und richte die Augen meines Herzens auf den Herrn der Herren. Ich merke: wenn ich das tue, dann bete ich anders.


ERF: Wie kann man solche Formen lernen?

Hermann Rohde: Die Psalmen sind die Gebetsschule der Bibel. Dort finden wir die komplette Palette, von Dank über Lob, Klage und Verzweiflung. Eigentlich sind die Psalmen ja skandalös: Wenn einer zu Gott sagt: „Warum schweigst du? Warum schläfst du? Tu was!“ Und das steht in der Bibel, dass jemand so mit dem Herrn der Herren umgeht! Ich denke, Gott hat dafür gesorgt, dass dies in der Bibel steht, damit wir wissen: wenn wir mit ihm reden, dürfen wir ehrlich sein.

Trau Gott zu, dass er antwortet!

ERF: Sie sind mit 23 Christ geworden. Wie haben Sie das Thema Gebet für sich entdeckt?

Hermann Rohde: Ich bin Perfektionist. Ich war total begeistert von meinem neuen Glauben und habe dabei viel Positives erlebt. Und habe auf den Glauben richtig viel Perfektionismus draufgepackt. Das Leben wurde so anstrengend, da ich ständig auf das geschaut habe, bei dem ich wieder mal versagt hatte. Da hat Gott einige Runden mit mir drehen müssen, bis ich erkannt habe: Zu Gott kann ich kommen, wie ich bin und nicht wie ich sein müsste! Ich wollte alles richtig machen. Und mein Vater im Himmel stand daneben und sagte mir: „Hermann, was machst du es dir so schwer – ich bin doch da.“
 

ERF: Gibt es Zeiten, wo es Ihnen schwerfällt, zu beten?

Hermann Rohde: Nicht unbedingt schwer, aber manchmal ist es mühsam, dranzubleiben. Oder ich habe einfach keine Lust, aber auch das darf ich Gott sagen. Umso ehrlicher ich bin und umso so weniger ich versuche, Gott mit meiner Geistlichkeit zu beeindrucken, desto leichter fällt es mir. Ich habe früher auch gedacht: Es dauert bestimmt ganz, ganz lang, bis Gott antwortet, dann muss ich ganz lang dranbleiben.

Und dann schien es mir, als würde Gott sagen: „Mein Sohn, trau mir doch zu, dass ich antworte!“ So passiert es inzwischen, dass ich noch beim Beten merke, dass Gott geantwortet hat. Natürlich nicht immer. Aber ich habe gelernt, Gott nicht festzulegen auf mein Bild von ihm! Er ist lebendig!


ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Hermann Rohde (Foto: Tim Rohde)
Hermann Rohde (Foto: Tim Rohde)

Hermann Rohde ist Musiker und Theologe. Seit 2002 ist er Beauftragter für Gebet bei „Campus für Christus“ und gibt regelmäßig Seminare zum Thema, wie „Hören auf Gott“. Außerdem ist er Mitglied des Vereins Crescendo, einem christlichen Netzwerk von professionellen Musikern in Europa. Er lebt mit seiner Frau Carmen in Leipzig.

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