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© Sincerely Media / unsplash.com

15.11.2021 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Franziska Decker

Die Würde des Gottes- (Kindes) ist unantastbar

Wenn (mir) das Leben gewaltig stinkt, hat Gott die Nase nicht voll von mir.

 

Wenn jemand aus einer Narkose erwacht, sagt man häufig: „Sie oder er ist wieder zu sich gekommen.“ Die Person ist also wieder bei Bewusstsein, nimmt sich selbst wieder wahr und spürt sich. Auch, wo es weh tut. Sie kann sich orientieren und weiß, wo sie sich befindet.

Die eigene Duftnote wahrnehmen

Ähnliches erlebt der Jüngere der beiden Söhne, von denen in Lukas 15,17 berichtet wird: „Als er zu sich kam.“ Der Mann wird sich seiner Situation bewusst und damit beginnt sein Weg der heilsamen Selbsterkenntnis. Er merkt, dass er praktisch sein ganzes Leben in fremde Hände gegeben hat und damit seine Selbstbestimmung komplett aufgegeben hat. Er kann nicht mal mehr selbst bestimmen, was er essen will und wieviel. Zum Sattwerden reicht es schon lange nicht mehr.

Ab-hängen

Wenn ich mich an etwas oder jemanden hänge, bin ich abhängig! Das hat zur Folge, dass ich fremdbestimmt werde. An wem oder was hänge ich? Vielleicht so sehr, dass es mich regelrecht knechtet.

Abhängigkeit kann viele Gesichter haben: Abhängig davon, die Kontrolle über etwas zu behalten oder von einer bestimmten Position im Beruf, im Verein oder in der Gemeinde. Von der Bestätigung anderer, davon, immer im Mittelpunkt zu stehen. Von Followern und Fans in den sozialen Netzwerken. Oder abhängig von den Erwartungen der anderen oder von Beziehungen. Auch von solchen, die mir schaden. Vielleicht bin ich auch anhängig davon, immer Recht haben zu müssen oder von der Unabhängigkeit von anderen. Auch das ist möglich.

Die Nase voll haben

Spannend finde ich auch die Frage, was das alles, im Bild des biblischen Textes, mit dem „Stallgeruch“ zu tun hat, der mir anhaftet. Also, mit meiner Herkunft, meiner Prägung und meinen Grundüberzeugungen. Für mich wertvolle Hinweise können sein, wenn mir etwas oder jemand immer wieder gewaltig stinkt oder ich mich durch ein bestimmtes Verhalten bei anderen immer wieder stinkend mache.

Spätestens, wenn ich mich selbst nicht mehr riechen kann, gehe ich zu Gott, zum Vater. Genau das tut der Sohn. Bevor er sich auf den Weg macht, geht er in Gedanken aber alles gründlich durch, was er sagen will.

Auf-brechen!

Wenn ich ein schwieriges Gespräch vor mir habe, bereite ich mich sorgfältig darauf vor und gehe in Gedanken alles so oft durch, bis ich den Eindruck habe: So könnte es gut verlaufen. Das gibt mir Mut, es anzugehen. 

Der Sohn kommt offensichtlich zu folgendem Schluss: Wenn ich bekenne: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. Mache mich wie einen deiner Tagelöhner“, könnte es klappen mit der Arbeit auf dem elterlichen Hof.

In der ersten Begegnung seit seinem Auszug aus dem Elternhaus mit dem Vater fängt er seinen Satz auch genauso an. Am Ende lässt er aber etwas weg. Er bittet den Vater nicht mehr, ihn zu einem seiner Tagelöhner zu machen. Warum? Weil der Vater ihn bei seiner stürmischen Begrüßung nicht hat ausreden lassen? Vielleicht.

Mit allem rechnen

Der Sohn war aus dem Schweinestall aufgebrochen mit einem bestimmten Bild von sich selbst im Kopf und mit einem Bild von seinem Vater: Er hat ihn als den Landbesitzer vor Augen, der seine Mitarbeiter anständig behandelt und ihnen genug zu essen gibt. Auf der Basis dieser Bilder hatte er eine Perspektive für seine Zukunft entwickelt: Als Tagelöhner bei seinem Vater zu arbeiten. Als Sohn empfangen zu werden, hat er gar nicht in Betracht gezogen.

Wie habe ich meinen Vater oder prägende Bezugspersonen wahrgenommen? Welche Schlüsse habe ich daraus auf das Wesen Gottes gezogen? Das Bild, das ich von Gott habe, sagt viel darüber aus, was ich glaube, wie Gott mich sieht. Darin liegt mein Vorurteil ihm gegenüber.

Den Fokus wechseln

Dass der Vater seinem Sohn entgegenkommt, zeigt eine Seite seines Wesens, die dem bisherigen Bild, das der Sohn sich gemacht hatte, nicht entsprach. In dem Moment, wo der Sohn das ganze Ausmaß der Liebe seines Vaters erfährt und körperlich spürt, beginnt er aber, zu begreifen: Ich bin nicht Vaters Angestellter. Nicht der, der an den elterlichen Hof gebunden wird. Ich werde nicht nur aus Anstand oder Pflichtgefühl wieder aufgenommen oder in der Sorge „Was sollen denn sonst die Nachbarn denken? Ich bin geliebt. Als Kind. Und bedingungslos. Trotz allem.

Liebe zulassen      

Wenn ich durch den Heiligen Geist etwas vom Wesen Gottes erkenne, bin ich zu einer Entscheidung herausgefordert. Die bedingungslose Liebe des Vaters stellt auch seinen Sohn vor die Wahl: Will er weiterhin auf seine Würde als Sohn verzichten und als Tagelöhner arbeiten? Oder will er sich bedingungslos lieben lassen? Der Sohn entscheidet sich für Letzteres, in dem er sich neu einkleiden und sich den Siegelring anstecken lässt. Es zuzulassen, ist sein Anteil!

Schuld loslassen

Was musste er denn dafür loszulassen bereit sein? Sein bisheriges Bild von sich selbst und das von seinem Vater. Dazu gehörte auch, die Vergebung des Vaters für das ganze Ausmaß seiner Schuld und seines Versagens anzunehmen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Gerade das kann manchmal das größte Hindernis sein, mein Leben als Kind Gottes und nicht als seine Angestellte zu leben.

„Kindlich“ leben

Vielleicht geht es Ihnen ähnlich: Dass Sie an einer Erfahrung hängen, die Sie als Versagen empfinden. Immer wieder gehen Sie in Gedanken der Frage nach, warum ausgerechnet Ihnen das passiert ist. Warum Sie dieses oder jenes nicht rechtzeitig gemerkt und anders entschieden haben. Seit langem versuchen Sie, den nagenden Selbstzweifel oder die Schuld irgendwie auszugleichen. Vielleicht durch fromme Taten und Aktivitäten. Oder im Streben nach Gutsein, nach christlicher Moral. Vielleicht, in dem Sie auf vieles verzichten, was Ihnen Spaß macht. Die Erscheinungsformen sind vielfältig.

Wo es mir bewusst wird, will ich mich immer wieder neu entscheiden, mit Gottes Hilfe im Geist der Kindschaft zu leben, statt im Geist der Knechtschaft. 
 

 Franziska Decker

Franziska Decker

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Franziska Decker ist Coach „Evangelisation und Follow-Up“ und in Seelsorge und Beratung tätig. Sie fördert Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz und in ein Leben hineinzuwachsen, wie Gott es sich vorgestellt hat. Sie ist gastfreundlich, liebt die Nordsee und Wanderungen sowie Stille und aufmerksame Blicke nach innen.

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