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© Kal Visuals / unsplash.com

25.09.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Annegret Schneider

Die unverdiente zweite Chance

Chancen erkennen und nutzen. Was ich von Jona lernen kann. Eine Andacht.

Wer schon einmal vor einem unangenehmen Auftrag stand, kennt die Situation. Der erste Gedanke ist ungefähr: Nein, nicht mit mir! Das kann gern jemand anderes machen, aber nicht ich.

So ging es auch dem Propheten Jona im Alten Testament. Er ist der Prophet, der einer Stadt den Untergang ankündigen soll, weil sie den Zorn Gottes auf sich gezogen hat. In der Bibel, im Buch Jona, heißt es gleich am Anfang: „Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen“ (Jona 1,2).

Was genau in Ninive alles vor sich geht, wird nicht näher ausgeführt. Das ist auch nicht nötig. Jona scheint zu wissen, was dort los ist – und das ist offenbar grässlich. Die Großstadt Ninive war für ihre Grausamkeiten berüchtigt. So ist Jonas erster Gedanke: „Oh nein, nicht mit mir!“ Jona weigert sich, den Auftrag Gottes umzusetzen. Als Prophet Gottes ist das nicht nur grober Ungehorsam, sondern es offenbart auch Jonas verstockte Herzenshaltung: Indem er den Auftrag verweigert, nimmt er den Menschen in Ninive auch die Chance, umzukehren. Und so macht er sich aus dem Staub.
 

Jonas Fluchtversuch

Er checkt auf einem Schiff in Richtung Tarsis ein und versucht so, Gottes Auftrag zu entkommen. Ob er sich tatsächlich eingebildet hat, er könne seinem Auftraggeber ein Schnippchen schlagen? Vielleicht. Aber er hat diese Rechnung ohne Gott gemacht. Die vermeintlich ruhige Seereise entpuppt sich als höchst gefährlich. Ein schweres Unwetter braut sich zusammen, während Jona sich schlafend in Sicherheit wähnt.

Der Kapitän weckt Jona und fordert ihn auf, seinen Gott um Hilfe zu bitten. Die Schiffsmänner haben längst – natürlich völlig vergeblich - Hilfe von ihren jeweiligen Götzen erfleht.

Jetzt ist guter Rat teuer. Jona muss Farbe bekennen und zugeben, dass er Schuld hat an dem Unheil. Nur wenn die Männer ihn ins Meer werfen, wird Ruhe einkehren.

Gesagt, getan. Jona wird über Bord geworfen – und landet im Bauch eines großen Fisches, den Gott geschickt hat. Hier besinnt er sich. Er betet auf eine Weise, die man wohl zu Recht als Lobpreis vom Feinsten bezeichnen kann. Er hat eine wichtige Lektion gelernt und unterwirft sich schließlich Gottes Willen. Das berichtet das zweite Kapitel und endet damit, dass der Fisch Jona wieder an Land spuckt.
 

Prophet wider Willen

Jetzt beauftragt Gott Jona erneut. Jona bekommt eine zweite Chance, Gottes Willen auszuführen und dieses Mal geht er. Er predigt der Stadt das Gericht Gottes. Ninive soll in vierzig Tagen untergehen. „Sie haben den Untergang verdient, endlich werden sie für ihre Gräuel die gerechte Strafe erhalten!“, so könnte Jona gedacht haben. Man spürt förmlich seine Genugtuung und Schadenfreude über die scheinbar unvermeidliche Katastrophe, die da kommen wird.

Doch das Unfassbare geschieht. Etwas, mit dem Jona keineswegs gerechnet hat: Die ganze Stadt tut Buße - samt König und Gefolge. Der König ruft eine Fastenzeit für Menschen und Tiere aus und ruft zur Umkehr auf. Sie bereuen ihre bösen Taten und wenden sich Gott zu. Und Gott lässt sich durch diese Bekehrung von seinem Zorn abbringen. Er verschont Ninive.

Und Jona? Der wartet vergeblich darauf, dass Ninive mit Krach und Donner zerstört wird. Statt sich über die Abkehr der Menschen von ihren bösen Wegen zu freuen, wird er verdrießlich und wütend. So sehr, dass er Gott anklagt, weil dieser gnädig gehandelt hat. Vergessen ist sein Lobgesang im Fisch auf Gott, der rettet und befreit. Im hellen Tageslicht mosert er nach allen Regeln der Kunst herum und macht Gott Vorwürfe. Jona ist es offenbar nicht recht, dass Gott sich über Ninive erbarmt.  

Jona ist geradezu persönlich beleidigt. Sogar sterben will er. Er lässt sich etwas außerhalb der Stadt nieder und lauert auf das, was geschehen wird. Voller Frust sitzt er da. Seine Laune ist auf dem Nullpunkt.
 

Die zweite Lernschleife

Und wieder erteilt Gott ihm eine Lektion. Er sorgt dafür, dass eine schnell wachsende Staude Jona wohltuenden Schatten spendet. Doch als diese Staude so schnell eingeht, wie sie gewachsen ist, fängt Jona wieder an, sich zu beschweren. Und wieder sagt er, er wolle sterben. Übellaunig, trotzig, schmollend wie ein Kleinkind, das seinen Willen nicht bekommt.

Da weist Gott ihn zurecht. Gott hält Jona den Spiegel vor: Jona trauert um eine Pflanze, die er nicht gepflanzt und auch nicht gepflegt hat. Von Gott aber erwartet er, dass er gefälligst eine große Stadt samt hunderttausender Menschen und Tiere zerstört.

Hier endet die Geschichte von Jona – und lässt Fragen offen. Wie es wohl mit Jona weitergegangen ist? Hat er etwas aus dem Ganzen gelernt oder ist er bei seinem verstockten Sinn geblieben?
 

Ein Gott der neuen Chancen

Diese Geschichte stellt mich vor Fragen, wie es in meinem Leben aussieht: Kann ich mich darüber freuen, wenn Menschen von Gott gerettet werden, obwohl sie in der Vergangenheit schlimme Taten begangen haben? Gönne ich es ihnen, wenn sie vermeintlich unverdient eine zweite Chance bekommen?

Gott hat den Menschen in Ninive eine zweite Chance gegeben, die sie demütig genutzt haben. Gott hat auch Jona eine zweite Chance gegeben. Und Gott gibt auch mir immer wieder eine neue Chance, umzukehren und mein Leben zu ändern. Er ist jederzeit bereit, mir zu vergeben. Denn er ist ein barmherziger Gott, dessen „Güte reicht, so weit der Himmel ist“ (Psalm 36,6).

Möge Gott Gnade schenken, dass ich mich nicht wie Jona in den Irrtum versteige, vor Gott weglaufen zu können oder mir anmaße, ihm vorschreiben zu wollen, wie er zu handeln hat.
 

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