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© Nastya Gepp / pixabay.com

17.04.2020 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Franziska Decker

Dampf im Kessel

Weil Streit eine Funktion hat, lohnt sich ein Blick hinter den Auslöser.

Streit kommt in den besten Familien vor – sagt ein Sprichwort. Das ist auch nicht anders, wenn Jesus zu Besuch ist. Das Haus ist voller Gäste. Nach einem langen Fußmarsch sind die Männer durch ihr Dorf gekommen. Sicher hatten sie Hunger und konnten gut eine Pause vertragen. Was also lag näher für Martha, als sie freundlich herein zu bitten?

Hereinspaziert!

Sie ist die Herrin des Hauses (Lukas 10, 38), in dem sie mit ihren beiden Geschwistern wohnt. Für Martha ist es scheinbar kein Problem, spontan Gäste zu empfangen. Auch nicht, wenn es gleich 13 Personen oder mehr sind. Offensichtlich hat sie gerne Besuch und scheut auch den damit verbundenen Aufwand nicht.

Wann ist der Besuch von Jesus und seinen Jüngern nach ihrem Empfinden gut verlaufen? Vielleicht wenn er und seine Jünger und alle anderen satt geworden sind und die Küche wieder aufgeräumt ist. Dazu noch ein Kompliment von Jesus, wie gut es ihm geschmeckt hat und wie gut Martha das wieder mal alles hinbekommen hat. Ein Lob auf ihren Fleiß, ihre Umsichtigkeit und ihre Gabe der Gastfreundschaft. Aber das sind nur Vermutungen.

Unterschiedliche Erwartungen 

Martha krempelt die Ärmel hoch und macht sich ans Werk. Offensichtlich im Alleingang. Auf einmal kippt ihre Stimmung. Hat Martha den Aufwand unterschätzt? Merkt sie jetzt, dass sie ihren eigenen Ansprüchen an Gastfreundschaft nicht mehr gerecht werden kann? Auf jeden Fall nimmt sie sich irgendwann als die einzige Verantwortliche wahr, die den Laden am Laufen hält. Je mehr sie sich die Hacken abläuft, desto mehr wird ihr bewusst, wie häufig Maria nichts tut, einfach zu den Füßen von Jesus sitzt und ihm zuhört.

Je mehr sie sich die Hacken abläuft, desto mehr wird ihr bewusst, wie häufig Maria nichts tut, einfach zu den Füßen von Jesus sitzt und ihm zuhört.

Maria setzt bei diesem Besuch einen ganz anderen Schwerpunkt als Martha. Sie sucht neben der Arbeit die Nähe zu Jesus und genießt seine Gegenwart. Neugierig auf das, was er zu sagen hat, hört sie ihm aufmerksam zu. Je mehr seiner Worte sie in sich aufsaugen kann, desto besser. Wer weiß, wann sich ihr dazu wieder eine Möglichkeit bieten wird. Umso mehr, als Jesus im Freien ständig von großen Menschenmengen umringt ist. Jetzt hat sie ihn fast für sich allein. Das hier ist die Gelegenheit für sie.

Gegensätze ziehen sich nicht (immer) an

Die beiden Schwestern sind völlig gegensätzliche Typen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielen. Wenn ich lerne, mein Gegenüber in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren und diese sogar wertzuschätzen, werde ich ihn/sie als Bereicherung  begreifen. Was braucht es dazu? Ein Ja zu meinen Begrenzungen und zu den Stärken des anderen und umgekehrt.

Wenn ich lerne, mein Gegenüber in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren und diese sogar wertzuschätzen, werde ich ihn/sie als Bereicherung  begreifen.

Meine Persönlichkeitsstruktur spiegelt sich wieder in meinem Denken und Handeln. Wie ich fühle und wie ich meinen Glauben lebe. Auch sagt sie etwas aus über die Art und Weise, wie ich kommuniziere sowie über die Art meiner Konflikte und wie ich damit umgehe. 

Die eigenen Wertmaßstäbe sind nicht das Maß aller Dinge

Martha beurteilt das Verhalten von Maria nach ihrem persönlichen Wertmaßstab. Rumsitzen ist demnach pure Zeitverschwendung. Und wenn Martha gerade nichts zu verschenken hat, dann ist das Zeit. Was Martha nicht tut: Sie spricht ihre Erwartungen gegenüber Maria auch jetzt nicht offen an, bittet sie nicht um Hilfe. Stillschweigend wuselt sie weitestgehend allein vor sich hin. Auf einmal ist das Maß voll und die dienende Martha ist bedient. Ihr platzt der Kragen.

Der Dritte im Bunde

Wem genau gilt ihr Ärger eigentlich? Sie richtet ihn gegen Jesus, ihren Gast, indem sie ihn bittet, Maria mal ordentlich zurechtzuweisen. Martha scheint es dabei vor allem um Unterstützung bei der Bewirtung ihrer Gäste zu gehen. Doch es steckt noch mehr hinter diesem Konflikt. An ihrer Frage (Lukas 10,38-40) an Jesus wird deutlich, worum es Martha wirklich geht. Sie wünscht sich Anerkennung dessen, was sie tut, will gesehen werden. Von Jesus gesehen. Er reagiert so ganz anders, als Martha es erwartet hätte und lässt sich nicht vor ihren Karren spannen. Stattdessen tut er etwas, das ihr wirklich hilft.

Das Bedürfnis hinter dem Auslöser

Jesus erkennt ihr Bedürfnis nach Anerkennung und wertschätzt ihren Einsatz. Er nimmt wahr, wie Martha sich um ihn und die anderen Gäste sorgt und wieviel sie leistet. Fühle ich mich grundsätzlich angenommen und wertgeschätzt, gibt mir das Sicherheit. Aus dieser Sicherheit heraus kann ich mich leichter öffnen für Kritik. Jesus begegnet Martha so, wie sie es zu diesem Zeitpunkt braucht. Er tut dies aber nicht auf Kosten der ganzen Wahrheit: Dass Maria eine andere Priorität bei seinem Besuch setzt und damit genau richtig liegt bzw. sitzt. Zu seinen Füßen.

Sensibel für den eigenen Anteil?

Die Geschichte verrät nichts darüber, was die Reaktion von Jesus bei Martha ausgelöst hat. Hat ihr Ärger über Maria und über Jesus nachgelassen? Vielleicht auch die Enttäuschung über sich selber, nachdem sie ihren Anteil an diesem Konflikt erkannt hat? Dann hätte sie etwas Wesentliches begriffen.

 

Zur Sonderseite: Zeit für eine neue Streitkultur

 Franziska Decker

Franziska Decker

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Franziska Decker ist Coach „Evangelisation und Follow-Up“ und in Seelsorge und Beratung tätig. Sie fördert Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz und in ein Leben hineinzuwachsen, wie Gott es sich vorgestellt hat. Sie ist gastfreundlich, liebt die Nordsee und Wanderungen sowie Stille und aufmerksame Blicke nach innen.

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