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© Brunnen Verlag

16.10.2010 / Rezension / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Hanna Keller

Zwischen Holocaust und Hoffnung

In "Für dich habe ich es gewagt" riskiert ein Kindermädchen ihr Leben, um einen jüdischen Jungen zu retten. Ein packendes Zeitdokument.

Es gibt viele Romane und Biographien über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. In immer neuen Facetten wird das Leid beschrieben, das Menschen in dieser Zeit erlebt haben. Unvorstellbar und grauenhaft für den Leser. Oft erzählen die Bücher auch vom Mut und der Zivilcourage einzelner, die sich für die Leidenden eingesetzt haben. Vorbildlich und herausfordernd für den Leser. Ich denke da zum Beispiel an Schindlers Liste oder – neu erschienen - an Für Dich habe ich es gewagt

Der israelische Bestsellerautor Ram Oren erzählt darin die wahre Geschichte des polnischen Kindermädchens Gertruda und ihres Schutzbefohlenen Micha. Michas Vater gehört vor dem Krieg zu den reichsten und einflussreichsten Industriellen Polens. Die Familie Stolowitzky hat alles, was sie sich wünschen kann. Albtraumartig endet dieses Glück jedoch, als die deutsche Wehrmacht in Polen einmarschiert. Die jüdische Familie wird auseinandergerissen, die Mutter mit dem Kind zur Flucht ins russische Wilna gezwungen. Als Frau Stolowitzky an den Folgen der Vertreibung stirbt, gibt Gertruda ihr das Versprechen, Michas jüdische Herkunft zu verschweigen und ihn als ihr eigenes Kind anzunehmen. Darüber hinaus bittet die Mutter sie, den Jungen nach dem Krieg nach Palästina zu bringen. Ein Versprechen, das Gertruda in den folgenden Jahren viel Kreativität, beherztes Handeln und immer wieder auch eine Entscheidung abverlangt: Bleibt sie bei Micha und nimmt dafür Nachteile oder sogar Lebensgefahr auf sich?

Diese wahre Geschichte ist mit beeindruckendem Talent und großer Spannung geschrieben. Sie wird viele berühren.
Elie Wiesel, Schriftsteller, Holocaust-Überlebender, Friedensnobelpreisträger

Parallel zur Geschichte von Gertruda und Micha nimmt Oren den Leser mit hinein in das Leben des deutschen SS-Offiziers Karl Rink. Obwohl seine Vorgesetzten seine jüdische Frau umbringen, bleibt er in der SS. Er kann oder will lange nicht wahrhaben, in was für eine Maschinerie des Hasses und des Todes er hinein geraten ist. Trotzdem nagen nach dem Tod seiner Frau Zweifel an ihm. Zunehmend desillusioniert setzt er seinen Einfluss schließlich ein, um Juden vor der Deportation in ein KZ zu retten.

Mehr als ein guter Roman

Wäre Für Dich habe ich es gewagt ein fiktiver Roman, dann wäre er lesenswert und gäbe einen interessanten Einblick in die Geschichte des Holocausts und die Einwanderung der jüdischen Flüchtlinge nach Palästina. Das Wissen, dass es sich dabei um einen biographischen Roman handelt, macht das Buch jedoch zu mehr. Ich musste es immer wieder kurz aus der Hand legen, um die beschriebenen Ereignisse überhaupt begreifen zu können. Wie kann es sein, dass der jahrelang treue Chauffeur die Familie auf der Flucht mit der Pistole bedroht und ihr das letzte Geld nimmt? Wie hält Gertruda es aus, dass sie mehrere Male fast vergewaltigt wird? Und warum muss Karl Rink unmittelbar vor dem Wiedersehen mit seiner Tochter an einem Herzinfarkt sterben? Anders als in einem Roman spiegelt dieses Buch eine Wirklichkeit, die nicht immer ein Happy End hat. Manchmal bleibt da nur noch ein stummes Kopfschütteln und die Frage: Warum, Gott?

Auf der anderen Seite hat mir das Buch auch Mut gemacht und Hoffnung gegeben. Denn in vielen Kleinigkeiten wird deutlich, dass Gott in all dem Unverständlichen trotzdem gegenwärtig gewesen ist. So kreuzen sich die Wege der drei Hauptpersonen gerade in dem Moment, als eine deutsche Patrouille die jüdische Herkunft des Jungen zu entdecken droht. Der Offizier verhindert durch seinen militärischen Rang ein weiteres Nachforschen der Soldaten. Micha und Gertruda kommen ungeschoren davon. Bei einem Roman würde man von einer guten Dramaturgie sprechen. Bei einer wahren Geschichte muss man es entweder dem Zufall zuschreiben oder Gottes Eingreifen.

Fazit: Selbst wer schon viele Bücher über die Zeit des Nationalsozialismus gelesen hat, wird „Für Dich habe ich es gewagt“ mit Gewinn lesen. Es ist ein packendes Zeitdokument, das zeigt, zu was Menschen im Bösen wie im Guten fähig sind. Und es gibt einen kleinen Einblick, wie Gott in dieser dunklen Periode der deutschen Geschichte oft unmerklich und doch helfend gegenwärtig war. 


Bild: Brunnen Verlag

"Für dich habe ich es gewagt.
Ein Kind, ein Versprechen und eine dramatische Rettung"
Ram Oren
Brunnen Verlag
360 S.
17,95 EUR (D)

Leseprobe

Vortragsreise von Michael Stolowitzky im November 2010 in Deutschland

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Kommentare (1)

barbara burger /

Eine spannende und neugierigmachende Buchbeschreibung hat mich heute morgen, wo ich eigendlich nur die Tageslosung lesenwollte,gepackt und aus dem Lot gebracht. Ich habe schon viel gelesen aus der Zeit meiner Eltern aber dieses Buch muß ich lesen. Aber es macht mir auch Angst.
Danke Barbara B

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