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© Daniel van den Berg / unsplash.com

17.10.2022 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katja Völkl

Zum Internationalen Tag für die Beseitigung von Armut

Vier Fragen an Dirk Bathe von World Vision.

 

Millionen Menschen auf der Welt haben nicht genug zu essen. Und das jeden Tag. Um auf diese humanitäre Katastrophe aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen den 17. Oktober als Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut ins Leben gerufen. Das Motto des Tages lautet in diesem Jahr: "Gemeinsam die Zukunft gestalten: Gefestigte Armut beenden, alle Menschen auf unserem Planeten respektieren". Wir haben mit Dirk Bathe von World Vision unter anderem darüber gesprochen, wie World Vision Menschen hilft, Armut zu überwinden.


ERF: Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut: Was ist das für ein Tag?

Dirk Bathe: Man muss sich bewusst machen, dass dieser Tag schon vor 30 Jahren ins Leben gerufen wurde. Damals lebten – gemessen an der Definition der UN - noch viel mehr Menschen im Vergleich zur Weltbevölkerung in absoluter Armut als heute. Hintergrund war damals, dass sich schon in den 80er Jahren Gesellschaften in den Industriestaaten (Europa, USA etc.) und in der „3. Welt“ immer unterschiedlicher entwickelten, was den Wohlstand angeht.

Angst vor Armutsmigration

Schon damals war klar: So kann es nicht weitergehen. Auf der einen Seite wollte man nicht akzeptieren, dass sich das verfestigt, dass sich Millionen Menschen nicht aus dieser Armutsfalle befreien können, auf der anderen Seite spielte aber auch schon die Angst vor einer Armutsmigration eine Rolle. Also, dass Millionen Menschen aus den Ländern auswandern, in denen sich Armut strukturell verfestigt hat und in die sogenannten „entwickelten“ Länder flüchten.

Ziel war es dann, strukturelle, gefestigte Armut zu beenden. Rückblickend muss man allerdings sagen: Erreicht wurde nicht wahnsinnig viel. Es gab Tendenzen, die das Ganze ein bisschen beschleunigten, indem Armut abgebaut wurde, aber angesichts der heutigen Situation muss man sagen, dass das Ziel nicht erreicht wurde.
 

ERF: Warum ist es so schwer, Armut zu überwinden?

Weil Armut ein Multifaktor ist. Wenn wir es nur mit einem Faktor zu tun hätten, der zu Armut führt, dann wäre es ja „ganz einfach“. Zum Beispiel Armut nach Kriegen. In Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg ein Wiederaufbauprogramm. Es gab eine qualifizierte Bevölkerung und es gab den Willen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie z.B. den Abbau von Zollschranken innerhalb Europas.

Aber heute treffen in vielen armen Ländern gleich mehrere Faktoren zusammen: ungünstige klimatische Faktoren, ungerechte Handelspolitik, gepaart mit schlechter Regierungsarbeit oder Korruption sowie eine miserable Menschenrechtslage, wie z.B. in Afghanistan. Dort werden Frauen – d.h. die Hälfte der Bevölkerung – von wirtschaftlicher Teilhabe komplett abgehalten. Und durch die COVID-Pandemie wurden viele Erfolge wieder zunichtegemacht.

Niemand freiwillig arm


ERF: Welche Möglichkeiten gibt es trotzdem, der Armut zu entkommen?

Man muss sich klar machen, dass kaum ein Mensch freiwillig arm ist. Weltweit kämpfen viele Menschen jeden Tag ums Überleben. Da geht es erstmal darum, die eigene Familie von Tag zu Tag zu ernähren. Aber das ist ja keine Perspektive. Menschen wollen Wohlstand und Sicherheit schaffen. Und wenn man dann gute, umfangreiche Konzepte entwickelt, in denen Menschen ihre Kraft und ihren Einfallsreichtum nutzen können, dann ist schonmal viel erreicht: nämlich die grundsätzliche Basis.

Und dann muss man ihnen das nötige Werkzeug an die Hand geben. Also funktionierende Märkte entwickeln. Und man muss sie bei Rückschlägen unterstützen, z.B. mit Saatgut nach einer Dürreperiode. Kurz- und mittelfristig muss man Techniken aufbauen, die resilienter (widerstandsfähiger) machen.
 

ERF: Was tut World Vision konkret, um Menschen zu unterstützen und ihnen aus der Armut zu helfen?

Wir verfolgen einen umfassenden Ansatz. Wir versuchen mehrere Punkte zusammenzuführen. Z.B. Menschen in besseren Anbaumethoden ausbilden. Dazu bekommen sie dann auch entsprechendes dürretolerantes Saatgut. Wir bauen Gesundheitsstationen und klären Menschen über ihre Rechte auf, damit sie den Wert ihrer eigenen Arbeit erkennen. Da gibt es z.B. Jugend- und Mütterclubs.

Außerdem setzen wir auf Aufklärung über eine stabile Familienplanung. Da haben wir Projekte wie in Burundi, wo wir gemeinsam mit religiösen Führern z.B. über den Zusammenhang von Kinderreichtum und Armut aufklären.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
 

 Katja Völkl

Katja Völkl

  |  Moderatorin und Redakteurin

Die gebürtige Münsteranerin ist Live-Moderatorin in „Aufgeweckt“ und für aktuelle Berichterstattung zuständig. Von Hause aus ist sie Lehrerin für Deutsch und Philosophie und Sprecherzieherin. Sie liebt Hunde, geht gerne ins Kino und gestaltet Landschaftsdioramen.

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