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© atiyeh fathi / unsplashed.com

14.03.2024 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katja Völkl

„Wir beten für Gerechtigkeit“

Dr. Reinhold Strähler über die Aktion „30 Tage Gebet für die Islamische Welt“ anlässlich des Ramadans.

 

Die größte Weltreligion ist das Christentum, die zweitgrößte der Islam. Für etwa zwei Milliarden Muslime hat am 11. März 2024 der Fastenmonat Ramadan begonnen. Bis zum 9. April verzichten gläubige Muslime tagsüber auf Essen und Trinken.

Begleitet wird der muslimische Fastenmonat seit mehr als 30 Jahren mit der Aktion „30 Tage Gebet für die islamische Welt“. Das ist eine internationale Gebetsbewegung, die in Deutschland der „Arbeitskreis Islam“ der Evangelischen Allianz koordiniert. Dr. Reinhold Strähler leitet diesen Arbeitskreis.

Im Interview berichtet er, mit welchen Problemen muslimische Länder zu kämpfen haben und wie Christen in Deutschland Muslimen begegnen können.

Fokusanliegen 2024: Muslimische Migranten

ERF: Herr Strähler, welche Anliegen stehen in diesem Jahr im Fokus beim Gebet für die islamische Welt?

Dr. Reinhold Strähler: Traditionell war das Gebetsheft immer ausgerichtet auf Volksgruppen, die in ihren angestammten Heimatgebieten leben. Mittlerweile hat sich die Lebensrealität vieler Muslime weltweit verändert. Viele muslimische Volksgruppen leben heute außerhalb ihrer angestammten Heimat. Das ist ein Fokus der Gebetsanliegen in diesem Jahr.

Wir beten für muslimische Gemeinschaften, die außerhalb ihrer traditionellen Heimat leben, die geflüchtet sind, die als Arbeitsmigranten in andere Länder gezogen sind und dort jetzt teilweise weit entfernt von ihrer Heimat oder manchmal auch direkt im Nachbarland leben.
 

ERF: Das klingt für mich so, als wäre das ein eher übergeordnetes Anliegen. Gibt es auch noch ein konkreteres Anliegen?

Dr. Reinhold Strähler: In vielen islamischen Gesellschaften gibt es unglaublich viele Herausforderungen. Viele Muslime leben in Regionen, wo Krieg herrscht, in denen Konflikte sind, wo es im Blick auf Schulbildung massive Probleme gibt. Auch bei der medizinischen Versorgung, der Lebensmittelversorgung, oder in der wirtschaftlichen Situation gibt es Nöte. Für all diese Dinge beten wir.

Wir beten dafür, dass Gerechtigkeit in die Gesellschaften hineinkommt.

Dafür, dass Menschen mit dem, was sie zum täglichen Überleben brauchen, abgedeckt sind, und dafür, dass Menschen ein gutes Leben leben können. Dazu gehört für uns Christen auch, dass Menschen Gelegenheit haben, von Jesus Christus zu hören und ihn kennenzulernen.

Gebet für palästinensische Muslime

ERF: Die Aktion „30 Tage Gebet für die Islamische Welt“ gibt jedes Jahr auch einen Gebetskalender heraus. Dabei steht jeden Tag ein Land im Mittelpunkt. Den ein oder anderen verwundert vielleicht, dass es in diesem Jahr nicht um Muslime im Gazastreifen oder im Westjordanland geht. Warum hat man im Gebetskalender palästinensische Muslime nicht berücksichtigt?

Dr. Reinhold Strähler: Das hängt damit zusammen, dass die Themen und Schwerpunkte für das neue Heft immer etwa 10 Monate vorher ausgewählt werden. Das heißt, die Auswahl für das diesjährige Heft lief letztes Jahr von Mai bis Juli. Das war lange vor dem schrecklichen Terrorangriff im Oktober.

In solch einem lange im Voraus geplanten Heft können die Anliegen nicht auf die tagespolitischen Ereignisse reagieren. Das ist eben so. Wir versuchen jedes Jahr eine Auswahl zu treffen und unterschiedliche Länder zu berücksichtigen, die in den vergangenen Jahren nicht bedacht wurden. Jedes Jahr ändert sich das. Bei Themen für nur 30 Tage ist es natürlich, dass ganz viele Volksgruppen und Länder nicht vertreten sind.

Aber nichtsdestotrotz ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass Christen unabhängig von den Gebetsanliegen, die gerade im Heft vorgeschlagen werden, immer auch für solche Länder und Volksgruppen beten, die gerade ganz aktuell in den Nachrichten sind. Das schließt palästinensische Muslime mit ein.

Informationen dazu bekommt man jede Menge aus den Nachrichten. Man weiß, wie schlimm die Situation ist. Für diese Menschen zu beten, auch wenn sie nicht im Gebetsheft erwähnt sind, finde ich ganz wichtig.

Muslime unter Generalverdacht

ERF: Im Gebetskalender gehört ein Tag dem Gebet für Muslime in Deutschland. Einige Muslime haben seit dem brutalen Hamas-Angriff im vergangenen Jahr den Eindruck, dass sie unter Generalverdacht stehen, antisemitisch zu sein. Wie sollten Christen Muslimen in dieser Situation begegnen?

Dr. Reinhold Strähler: Im Wesentlichen so, wie wir allen Menschen begegnen. Das heißt in Liebe mit einem Herzen voller Barmherzigkeit. Auf der anderen Seite aber auch nüchtern und realistisch. Wir stehen zu unserem Glauben und reden offen darüber.

Wir sind uns bewusst, dass Muslime manches anders sehen und nehmen es gelassen. Wir begegnen ihnen einfach ganz normal als Menschen.

Wenn das Gespräch auf Themen kommt, wie zum Beispiel den Konflikt und den Krieg in Gaza, braucht man natürlich schon Weisheit. Ich empfehle beide Seiten zu sehen und zu betonen, dass Menschen auf beiden Seiten des Konfliktes leiden.

ERF: Herzlichen Dank für das Interview.
 

 Katja Völkl

Katja Völkl

  |  Moderatorin und Redakteurin

Die gebürtige Münsteranerin ist Live-Moderatorin in „Aufgeweckt“ und für aktuelle Berichterstattung zuständig. Von Hause aus ist sie Lehrerin für Deutsch und Philosophie und Sprecherzieherin. Sie liebt Hunde, geht gerne ins Kino und gestaltet Landschaftsdioramen.

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