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© Clem Onojeghuo / unsplash.com

19.05.2020 / Bericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König

„Wer demonstrieren will, soll das tun!“

Was die Corona-Proteste auch den Kirchen zu sagen haben.

 

 

Tausende gehen mittlerweile auf die Straße, um gegen Corona-Einschränkungen zu protestieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt unterdessen vor Rechts- und Linksextremisten, die die Proteste für sich nutzen wollen. Auch Dr. Roland Löffler beobachtet das Demonstrationsgeschehen. Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung tritt schon seit Wochen ein für eine offene Debattenkultur in der Corona-Krise.


Das Land ist erwacht aus der Corona-Schockstarre, Corona- und sogenannte Hygiene-Demos sprießen aus dem Boden. „Egal, wie man die Demonstrationen im Einzelfall findet, das Recht auf Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht und das sollten wir nicht schlechtreden, auch wenn uns die eine oder andere Form der Demonstrationen nicht gefällt,“ sagt der studierte Theologe Roland Löffler.

Die Teilnehmer sind bunt gemischt; zwischen Familien und Rentnern stehen Vertreter unterschiedlicher politischer Gruppierungen, darunter auch Rechtsextreme – warnen Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt. Auch Roland Löffler sieht die Gefahr, dass Rechte die Corona-Demos für ihre Zwecke instrumentalisieren könnten: „Diese Gruppen haben in den letzten Jahren ausgetestet, was möglich ist. Sie beherrschen die Techniken der Mobilisierung von Menschen.“ Trotzdem, so der Chef der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen: „Wer demonstrieren will, soll das auch tun.“

Notfalls eine eigene Demonstration organisieren

Allerdings sei darauf zu achten, „wer steht rechts und links von mir?“ Wer an einer Demonstration teilnehme, sollte auf Transparente und Sprechchöre der anderen achten, „also hingucken: mit wem stehe ich da? Was wollen die Leute neben mir? Wollen sie das Gleiche wie ich? Oder mache ich mich vielleicht mit Leuten gemein, die gar nicht meine Werte teilen. Dann würde ich Abstand halten und meine eigene Demonstration veranstalten. Vielleicht gibt es dann in Stuttgart, Wetzlar, Kassel oder in Hamburg zu einem Thema zwei oder drei Demonstrationen, aber das ist völlig in Ordnung.“

Grundsätzlich sei es jetzt an der Zeit, aus der Mitte der Gesellschaft heraus sich wieder um die Sorgen und Bedenken der Menschen zu kümmern. Denn „es ist nicht gut, wenn wir das Einzelnen am rechten Rand überlassen.“ Dabei sieht der Theologe auch die Kirchen am Zug.

Bischöfe haben zu lange geschwiegen

Bischöfe hätten zu lange geschwiegen und zu wenig Widerspruch geübt, etwa bei der drastischen Einschränkung der Religionsfreiheit oder bei ethischen und seelsorgerlichen Fragen, die die Corona-Krise mit sich bringt. „Wir brauchen jetzt wieder inhaltliche Debatten und da sind die großen gesellschaftlichen Kräfte gefragt. Und wenn diese Kräfte wie Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmensverbände, zivilgesellschaftliche Organisationen und Stiftungen sich nicht kümmern, dann kommen Rattenfänger, die ganz bewusst die Unsicherheit der Stunde nutzen wollen.“

„Rattenfänger, die die Unsicherheit der Stunde nutzen.“

Deshalb sei es jetzt an der Zeit, so Löffler, Menschen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. „Wir haben eine hohe emotionale Stresssituation für viele Menschen, aber am Ende müssen wir aus dieser schwierigen Situation gemeinsam herauskommen.“ Jetzt sei es wichtig, sachlich zu bleiben und Schritt für Schritt wieder in den Dialog einzutreten. „Dabei müssen wir so viele Menschen wie möglich auf allen Kanälen, die denkbar sind, beteiligen.“ Und so plädiert Roland Löffler dafür, Freiräume zu nutzen, die durch die Corona Lockerungen neu entstehen.

Christen dürfen jetzt nicht zögern und Räume der Begegnung schaffen

Kirchengemeinden könnten jetzt eine wichtige Rolle spielen, denn als Moderatoren hätten sie sich in der Vergangenheit besonders in Ostdeutschland in Krisenzeiten mehrfach bewiesen. Löffler: „Christen dürfen jetzt nicht zögern, denn die Menschen suchen Antworten, sie wollen ihre Gedanken sortieren.“ Es sei jetzt wichtiger denn je, Orte der Begegnung zu schaffen, die in den vergangenen Wochen des Lock-Downs verloren gegangen sind. „Denn Menschen dürfen jetzt nicht abrutschen in Verschwörungstheorien, die sich im Moment breitmachen wie Unkraut im Garten.“

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Sie ist für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs mit dem Schwerpunkt Aktuelles/Gesellschaft. Sie ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.

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