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© Ilyass SEDDOUG / unsplash.com

24.10.2022 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Trotzdem Frieden schaffen

Zur Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945.

 

Die UNO sollte nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges eine Art Weltregierung werden, die den Krieg abschaffen und die Staaten zur Vernunft zwingen konnte. Am 24. Oktober 1945 wurde das Gründungsdokument, die Charta der Vereinten Nationen, von 193 Staaten unterzeichnet. Andreas Odrich von der ERF Aktuell-Redaktion hat eine Einschätzung zum heutigen Jahrestag vorgenommen.


ERF: Andreas, die Welt ist seitdem nicht friedlicher geworden. Mal ehrlich, braucht es die UNO überhaupt?

Andreas Odrich: Ich mache mal die Gegenprobe und frage: was wäre, wenn es die Institution der Vereinten Nationen nicht gäbe. Man müsste sie glatt erfinden. Denn der Grundgedanke, dass sich alle Nationen in Konfliktfällen an einen Tisch setzen, ist ja goldrichtig. Miteinander reden, statt sich gegenseitig abzuschlachten, für mich ist das die einzig gangbare Alternative. Die Ausführung allerdings könnte man im Zensurendeutsch eher als „ausreichend bis ungenügend“ bezeichnen.

Hindernis Staatenegoismus

ERF: Woran liegt das denn?

Andreas Odrich: Weil die UNO nicht direkt durchgreifen kann. Sie kann keine Staatschefs oder Regierungen absetzen, die gerade Krieg führen. Da wird man sich auch gegenseitig nicht in die Suppe spucken. Die nationalen Interessen stehen immer höher als das globale Gemeinwohl. Das ist leider höchst menschlich, und nennt sich Egoismus. Und den gibt es nicht nur im persönlichen Leben, sondern auch auf Staatenebene.

Das kann man in der Gründungsgeschichte der UNO gut nachvollziehen. Ihr Vorläufer, der Völkerbund, der aufgrund des Ersten Weltkrieges entstehen sollte, war genau daran gescheitert. Die einzelnen Staaten fürchteten zu wenig Einfluss, weshalb die USA dem Völkerbund gar nicht erst beigetreten waren.


ERF: Aber es gibt doch den sogenannten UN-Sicherheitsrat. Warum äußert der sich so selten einstimmig?

Andreas Odrich: Man musste alle Großmächte an einen Tisch bekommen, auch wenn sie sich misstrauisch beäugten. Also bekam auch ein selbst betroffenes Mitglied Stimmrecht. Jüngstes Beispiel: die UN-Resolution gegen den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Natürlich hat das Sicherheitsratsmitglied Russland dagegen gestimmt, und damit die Resolution verhindert.

Aber China hat sich, anders als von Russland erhofft, enthalten. Ein wichtiges Signal. Moskau kann sich der Unterstützung Pekings nicht so sicher sein, wie ursprünglich erhofft. Das ist in Diplomatensprech ein deutliches Zeichen. Auch wenn der Krieg Russlands gegen die Ukraine dadurch nicht zu Ende ist. Mehr über die Einstimmigkeit von UN-Resolutionen findet sich z.B. auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.

Hoffnungszeichen UNICEF und UNHCR

ERF: Gibt es trotzdem sinnvollen Aufgaben, die die UNO erfüllen kann?

Andreas Odrich: Da gibt es zum Beispiel die UN-Blauhelmmissionen. Sie sollen in Konfliktregionen für Frieden zwischen den Fronten sorgen. Insgesamt 15 werden derzeit gelistet. Auch die Bundeswehr beteiligt sich daran, etwa im Libanon, in Mali und im Südsudan. Auch diese Einsätze sind nicht nur von Erfolg gekrönt und zum Teil auch umstritten, aber sie sind meiner Meinung nach immerhin ein Anfang. Davon abgesehen gibt es neben den militärischen Einsätzen das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR oder etwa das Kinderhilfswerk UNICEF.

Auch wenn der Mensch kein absolutes Friedensreich auf Erden schaffen kann, ist die gemeinschaftliche Bemühung um Frieden ganz in Gottes Sinne. 
Andreas Odrich, ERF Aktuell-Redaktion

ERF: Eine geistliche Einschätzung am Schluss. Ist es nicht vermessen, wenn der Mensch glaubt, eine Art globales Friedensreich auf Erden schaffen zu können?

Andreas Odrich: Die tägliche Praxis zeigt von allein, dass dies offenbar nicht möglich ist. Die Zeit, in der alle Tränen abgewischt werden und Heulen und Zähneklappern ein Ende haben, finden wir in der Bibel erst dann, wenn Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde geschaffen hat. Aber wir sind eingeladen, überall wo es geht, schon jetzt Gottes Friedensreich zu errichten.

Ich denke etwa an die wiederholte Aufforderung in der Bibel, Schwerter zu Pflugscharen zu schmieden. Denn auch wenn der Mensch kein absolutes Friedensreich auf Erden schaffen kann, ist die gemeinschaftliche Bemühung um Frieden ganz in Gottes Sinne und eine der größten Aufgaben, zu der wir als einzelne Menschen und Nationen aufgefordert und eingeladen sind.
 

ERF: Danke für das Gespräch.
 

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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