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14.09.2021 / Bericht / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Raus aus der EU, weniger Steuern, Burkaverbot

Der ERF-Parteiencheck: AfD.

 

Im Bundestag ist die AfD derzeit die größte Oppositionspartei. Grund genug, ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 26. September 2021 unter die Lupe zu nehmen, denn mit diesem Programm wird die AfD auch im zukünftigen Parlament Politik machen und Akzente setzen wollen. Andreas Odrich von der ERF Aktuell-Redaktion hat das Wahlprogramm der AfD im Rahmen unseres Parteienchecks unter die Lupe genommen.
 

ERF: Zunächst zur Aufmachung, wie ist das Programm aufgebaut?

Andreas Odrich: Das Parteiprogramm der AfD umfasst 210 Seiten mit 21 Themenbereichen. Es gibt einen Index mit rund 100 Stichworten von A wie Abschiebung über K wie Klima bis hin zu W wie Wohngeld. Das ermöglicht mir, schnell und unkompliziert die Themen aufzufinden, von denen ich wissen will, wie die AfD damit umgeht.
 

ERF: Gibt es denn so etwas wie einen roten Faden im Parteiprogramm der AfD?

Andreas Odrich: Ja. Die AfD nennt ihr Programm „Deutschland. Aber normal.“ Grundaussage: die von der AfD so genannten „Alt-Parteien“ gefährden unseren Wohlstand und unsere Sicherheit, etwa durch Klimahysterie, Corona- und Flüchtlingspolitik. Zudem gäbe es einen bedrohlichen Einfluss durch die EU. Und deshalb will die AfD zurückkehren zur „Normalität“, wie sie es nennt.

Damit meint sie: normal ist es, unsere Grenzen zu schützen. Normal ist ein Staat, in dem Recht und Ordnung herrschen. Auch das traditionelle Familienbild Vater, Mutter, Kinder spielt eine wichtige Rolle im AfD-Parteiprogramm und ist nach Meinung der AfD „normal“ im Gegensatz zu Genderpolitik und Vielfalt in den Formen des Zusammenlebens.

Weg mit dem Euro

ERF: Welche Bedrohung geht denn laut AfD genau von der EU aus?

Andreas Odrich: Egal ob Wirtschaft, Klimapolitik oder die Ordnung im ländlichen Raum – die AfD sieht faktisch alles durch die EU bedroht. These: die Europäische Union regiert über unsere Köpfe hinweg, sie reguliert viel zu viel und ignoriert damit alle nationalen und regionalen Interessen. Deshalb will die AfD raus aus der EU, Deutschland soll wieder ein souveräner Nationalstaat werden, die EU gehört abgeschafft, übrig bleiben soll ein lockerer Staatenbund.

Und ganz wichtig für die AfD: keine europäische Schuldenlast auf Kosten der Deutschen. Und das geht nur durch Abschaffung des Euros und durch Rückkehr zu nationalen Währungen, sagt die AfD. Übersetzt: die AfD will die D-Mark wieder haben.
 

ERF: Die AfD versteht sich selbst als Protestpartei gegen die Maßnahmen der Regierung – wie kommt dies denn im weiteren Verlauf des Programms zum Ausdruck?

Andreas Odrich: Das funktioniert zuverlässig wie ein Uhrwerk. Siehe Genderpolitik versus traditionelles Familienbild. Oder Bildung: statt Inklusion will die AfD an Förderschulen und an dem dreigliedrigen Schulsystem festhalten.

Markant ist die Ablehnung der Corona-Maßnahmen. Sie hält sie für komplett fehlgeleitet. Hier habe die Bundesregierung permanent Rechts- und Verfassungsschutz ausgehebelt und am Parlament vorbeigehandelt mit verpflichtenden Tests, schwankenden Inzidenzwerten und einem fehlenden wissenschaftlichen Diskurs. Hier fordert die AfD sogar einen Untersuchungsausschuss im neu gewählten Bundestag.

Klimahysterie

ERF: Beim heiß diskutierten Thema Klimaerwärmung spricht die AfD von einer Klimahysterie, was folgt daraus für ihr Programm?

Andreas Odrich: Die Klimahysterie basiert laut AfD auf wissenschaftlich nicht haltbare Thesen im Blick auf die Verantwortlichkeit des Menschen für die Klimaerwärmung. Warmzeiten hätten „menschheitsgeschichtlich sogar immer zu Wohlstand geführt“ (S. 174) Deshalb setzt die AfD auf die Eigenverantwortlichkeit der Bürger. Vorschriften seitens der Politik, wie etwa die alternativlose Einführung von E-Autos, soll es nicht geben.

Erneuerbare Energien will sie ebenfalls nicht weiter entwickeln, sondern sie setzt auf bisherige Energieträger wie Kohle- und Atomkraftwerke. Die Auflagen für Windräder und Photovoltaikanlagen in der Fläche sollen verschärft werden. Und die AfD setzt sich für die Fertigstellung der russischen Gaspipeline Nordstream 2 ein. Letzteres soll auch ein gutes Verhältnis zu Russland sichern, aus AfD-Sicht ein wichtiger Teil Deutscher Außenpolitik.

Die Menschheitsgeschichte belegt, dass Warmzeiten immer zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen führten, während Kaltzeiten mit Not, Hunger und Kriegen verbunden waren. – AfD Wahlprogramm

15 Punkte zum Asylverfahren

ERF: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Asylpolitik. Was verbirgt sich denn nun hinter A wie Abschiebung?

Andreas Odrich: Die AfD konstatiert einen besonders hohen Anteil von Ausländern bei Gewalttaten und Drogenkriminalität. Kriminelle könnten sich hier „viel zu sehr hinter Abschiebehindernissen verschanzen“. Hier müsse es dringend gesetzliche Möglichkeiten geben, Ausweisungen zu erleichtern. Das fasst sie zusammen in einem eigenen Abschnitt zum Thema Ausländerkriminalität. Doch es geht auch um Asylbewerber insgesamt.

Dazu legt die AfD unter dem Titel „Asylparadies Deutschland schließen“ ein 15 Punkte-Programm vor. Dazu gehören u.a. die Ausweitung der Zahl sicherer Herkunftsstaaten, die Eindämmung von Missbrauch des Asylverfahrens. Die Seenotrettung Geflüchteter bezeichnet sie als tödlich endenden Pull-Faktor. Sprich, Seenotrettung bringt nach AfD- Lesart Geflüchtete erst auf die Idee, sich aufs offene Meer zu wagen, wo der Tod durch Ertrinken droht.

Die „Beratung und Betreuung“ von Asylbewerbern erfolgt meist durch nichtstaatliche, freie Träger, die ein finanzielles Interesse an steigenden Flüchtlingszahlen und am Verbleib möglichst vieler Abgelehnter haben. – AfD Wahlprogramm

Islam stärker steuern

ERF: Die AfD hat in ihrem Programm auch einen eigenen Teil unter der Überschrift: Islam. Unter anderem fordert sie dort ein Burkaverbot. Was steht dahinter?

Andreas Odrich: Das Burka-Verbot ist praktisch das plakative Wahlkampf-Etikett für die Religionspolitik der AfD. Muslime, die sich integrieren, stellen kein Problem dar, schreibt die AfD knapp. Ideen, wie man ein Zusammenleben mit den integrierten Muslimen gestalten könnte, gibt es aber nicht. Dafür ein Maßnahmenpaket, zu dem, was die AfD kritisch sieht.

DITIB und andere staatlich unterstütze Organisationen dürfen nicht mehr durchs Ausland finanziert werden. Imame sollen mindestens den B2 Deutschstatus haben und nach Möglichkeit in Deutsch predigen. Keine Lehrstühle für islamische Theologie und keinen islamischen Religionsunterricht, sondern Islam als Sachkunde im Ethikunterricht, keine Minarette und Muezzinrufe. Das Kopftuch als religiös-politisches Zeichen soll ebenfalls verboten werden und damit auch Burka und Niqab.

Familie – was „normal“ ist

ERF: Zum Einstieg hast du die Familienpolitik der AfD erwähnt. Die Familien sollen gestärkt werden – was versteht die AfD unter Familie?

Andreas Odrich: Familie ist bei der AfD die traditionelle Konstellation von Mutter, Vater, Kindern. Diese klassische Familienformation soll gefördert und in den Fokus gerückt werden. Die AfD geht sogar so weit, dass sie die Dreikindfamilie ausdrücklich als Ideal anstrebt. Dazu soll es steuerliche Erleichterungen geben.

Frauen, die ihre Zeit in die Erziehung ihrer Kinder investieren, sollen 20.000 Euro pro Kind auf ihre Rentenanwartschaft angerechnet bekommen. Dass Väter zu Hause bleiben könnten, um sich um die Kinder zu kümmern, ist hier nicht auf dem Schirm. In Betrieben und Institutionen sollen Familienbeauftragte installiert werden, die darauf achten, dass die Familien gewürdigt und gefördert werden. Dafür sollen die Gleichstellungsbeauftragten abgeschafft werden.

Der Paragraph 218 wird interessanterweise nicht erwähnt, obwohl dessen Abschaffung in verschiedenen anderen Parteiprogrammen explizit gefordert wird – zum Paragraphen 218 schweigt die AfD.

Mehr Wohneigentum

ERF: Zum Thema Familie gehört auch die Bereitstellung von geeignetem Wohnraum. Wie will die AfD in diesem Zusammenhang Familie unterstützen?

Die AfD will Familien ermöglichen, Wohneigentum zu schaffen. Sprich: Jeder soll sein eigenes Haus bauen können, zum Wohnen und als Kapitalanlage. Dazu soll zum Beispiel die Grunderwerbssteuer abgeschafft werden, allerdings wäre dies natürlich nur ein kleiner Teil des Finanzierungsaufkommens.

Von sozialem Wohnungsbau will die AfD aber nichts wissen, obwohl dies eine wichtige Lösung für Ballungsräume wäre. Stattdessen sollen die Menschen Wohngeld erhalten, das letztlich den Betreibergesellschaften, also auch den privatwirtschaftlichen Wohnungsbauunternehmen, zugutekäme. Umgekehrt will die AfD aber auch Wohngenossenschaften fördern und das Erbbaurecht als preisgünstige Basis für den Bau von Wohnungen fördern.

Religion kein Thema

ERF: Du hast bereits von der Auseinandersetzung der AfD mit dem Islam berichtet, inwieweit ist denn im Wahlprogramm der AfD das Thema Glaube, Religion und Kirchen vertreten?

Andreas Odrich: Religion und Kirche kommen schlicht und einfach nicht vor. Der Islam ist die einzige Ausnahme und auch hier geht es nicht um kreative Formen, wie man etwa, wie schon erwähnt, eine Gesellschaft mit den liberalen Kräften des Islam gestaltet, sondern es geht ausschließlich um Einhegung und Abgrenzung von islamistischen Bestrebungen.

Außerdem wendet sich die AfD gegen die Einführung von Konfuzianischen Instituten an deutschen Universitäten, die laut AfD durch die Volksrepublik China finanziert werden. Aber einmal kommt Kirche dann doch vor. Und zwar in Zusammenhang mit dem Kirchenasyl. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Kirchen unter Missbrauch des Kirchenasyls Abschiebefristen aushebeln.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kirchen unter Missbrauch des Kirchenasyls die Fristen für Abschiebungen in EU-Länder aushebeln. – AfD Wahlprogramm

ERF: Wenn du das Wahlprogramm der AfD abschließend zusammenfasst, welchen Eindruck hast du gewonnen?

Andreas Odrich: Ich fühle mich in meiner These bestätigt – man muss ein Wahlprogramm einfach selbst lesen, daraus wird vieles ungefiltert klar. Es macht also auch dieses Programm den Kurs der AfD deutlich. Sie wendet sich gegen Linksextremismus und Islamismus – die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus habe ich trotz Hanau, Halle, Kassel, NSU nicht gefunden.

Ansonsten sehe ich in diesem Wahlprogramm über allem ein Bedrohungsszenario liegen, dem sich die AfD von außen ausgesetzt sieht. Da ist wie schon beschrieben die EU ein Bedrohungsfaktor, und die Begriffe Ausland und Ausländer tauchen fast durchgängig in negativem Zusammenhang auf. Die Rettung vor den Zukunftsproblemen liegt, wie ich finde, in Konzepten der Vergangenheit. Ich habe aber so gut wie keine eigenständigen, innovativen Ideen gefunden, die etwas wirklich Neues, also eine echte Alternative darstellen, sieht man einmal davon ab, dass die AfD im Gesundheitswesen die Fallpauschalen in den Krankenhäusern und die Budgetregeln für niedergelassene Ärzte abschaffen will.

Es wird Wähler geben, die sich vom Familienbild der AfD angesprochen fühlen. Und es wird Menschen geben, die sich wundern, alarmiert oder bestätigt fühlen, dass die AfD in ihrem Programm für die Bundestagswahl 2021 dafür eintritt, dass der deutsche Kaiser und das Deutsche Kaiserreich wieder in einem besseren Licht dargestellt werden (siehe S. 161).

Die AfD legt zur Bundestagswahl am 26. September 2021 ihr Wahlprogramm vor. Andreas Odrich hat es für uns gelesen. Weitere Informationen finden Sie dazu bei uns im Internet in unserer wöchentlichen Wahlserie in der Rubrik Gesellschaft auf ERF.de Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Machen Sie sich daher unbedingt selbst ein Bild; es ist Ihre Stimme.

Alle weiteren Parteienchecks

Weitere Informationen

Die hier aufgeführten Wahlprogramme entsprechen nicht der Meinung oder politischen Auffassung der Redaktion. Wir wollen Sie mit den Beiträgen zu den Parteiprogrammen lediglich dazu einladen, sich jenseits von oberflächlicher Berichterstattung intensiv mit den Inhalten der Parteien zu beschäftigen.

Unsere Liste soll zeigen, dass es neben den großen, derzeit im Bundestag vertretenen Parteien weitere Parteien gibt, die sich mit unterschiedlichen Ansätzen und Gesellschaftskonzepten zur Wahl stellen. Ihnen fehlt eine Partei in dieser Liste – bitteschön, die Liste mit allen 53 Parteien, die zur Bundestagswahl 2021 antreten, finden Sie u.a. in der hier verlinkten Aufstellung von Wikipedia, grundsätzliche Informationen zur Bundestagswahl und ihrem Verfahren finden Sie u.a. auf der offiziellen Homepage des Bundeswahlleiters:

Liste aller Parteien, die zur Bundestagswahl 2021 antreten

Informationen zur Bundestagswahl 2021 beim Bundeswahlleiter

Zum Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2021

 

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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Kommentare (2)

Gisela H. /

Vielen Dank für diesen Beitrag. Mitglieder und Wähler der AfD stammen aus den bürgerlichen Parteien, die oft mit der Politik von SPD, CDU oder anderen Altparteien nicht mehr zufrieden sind. Es gibt mehr

Manfred S. /

Die Politik ist Teil dieser Welt. Gott der Welt ist nach der Bibel der Satan. Sollten wir Christen uns wirklich mit dem Ziel, die richtige Partei zu wählen, beschäftigen? Wir können nur das kleinere mehr

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