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20.10.2022 / Bericht / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Redaktion ReachAcross

Brückenbauer für Gott und für neue Techniken

Wie ein Schweizer durch regenerative Landwirtschaft die Versteppung in Ostafrika aufhalten möchte.

Die internationale Organisation Reach Across wurde im Jahr 1952 von einer Gruppe von westlichen Christen um den Arzt Dr. Lionel Gurney im Jemen gegründet. Ihr Anliegen ist es, Menschen in muslimischen Ländern und der westlichen Welt  dazu einzuladen, Jesus Christus nachzufolgen. Gleichzeitig sollen die jeweiligen Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden.

Seit 1975 sind Mitarbeiter von ReachAcross auch in Ostafrika tätig. Max1, ein Schweizer Gärtner und Theologe, versucht dort, mit einfachen Mitteln der lokalen Bevölkerung zu helfen, damit diese ihre Lebenssituation verbessern kann. Gemeinsam mit seiner Frau möchte er die Bewohner des trockenen Landes dafür schulen, wie sie durch regenerative Landwirtschaft Wasser zurückgewinnen können. Lesen Sie hier einen persönlichen Einblick in die Herausforderungen seiner Arbeit.
 

Ein großer Teil des Landes, in dem wir arbeiten, ist vulkanisch geprägt. Ungefähr 90% der Fläche bestehen aus Stein- oder Sandwüsten und unterschiedlichsten Steppenlandschaften. Das trockene Land leidet auf Grund des Klimawandels zunehmend an Wasserknappheit.

Mittlerweile gehört die Region zu den weltweit trockensten und heißesten Gebieten, in welcher Menschen ganzjährig wohnen. Die hohen Temperaturen und die spärlichen Niederschläge beschleunigen die Verwüstung zusätzlich. In den letzten Jahren sind viele Brunnen in Tälern ausgetrocknet. Von den letzten, tief in den Hügeln versteckten Bächlein sind nur noch kleine Rinnsale geblieben.

Die Verwüstung treibt die Menschen in die Städte

Die Herausforderungen der Landbevölkerung, unter solchen Umständen zu überleben, sind enorm. Das zeigt sich an der massiven Landflucht und der rapiden Verstädterung. Eine verheerende immer schneller drehende Abwärtsspirale der Verwüstung betrifft das ganze Land. Wegen rückläufiger Regenfälle der letzten Jahrzehnte haben die Böden stark an Fruchtbarkeit verloren. Darunter leiden die Viehherden.

Steppenlandschaft durch Übergrasung (Foto: Reach Across)
Steppenlandschaft durch Übergrasung (Foto: Reach Across)

Um trotzdem das gleiche Einkommen für die saisonalen Nomaden zu erwirtschaften, müssen die Herden wachsen. Dies wiederum führt zu einer fatalen Übergrasung der Steppen, die in kurzer Zeit zu Wüstensteppen verkommen. Der Baumbestand und die Biodiversität gehen massiv zurück.

Wo es vor kurzem noch kleine Wälder gab, stehen heute bestenfalls noch vereinzelt überalterte Bäume. Der Jungwuchs wird weitgehend von den großen Ziegenherden und Kamelen abgefressen. Die Übergrasung begünstigt zudem die fortschreitende Landerosion.

Der Grundwasserspiegel sinkt, Regenwasser fließt oberflächlich weg

Durch die Erosion fehlt der Vegetation der nötige Humus für Wachstum und Fortpflanzung. Zusätzlich verhindert sie die Aufnahme des spärlich fallenden Regenwassers. Dieses kann kaum mehr in den verdichteten, harten Boden eindringen.

Reißendes Wadi (Foto: Reach Across)
Reißendes Wadi (Foto: Reach Across)

Die Folgen: Der Grundwasserspiegel senkt sich immer weiter, bis er gänzlich verschwindet. Das Regenwasser fließt oberflächlich weg und fördert damit zusätzlich die Erosion. Dieser Teufelskreislauf lässt die Wadis bei Regengüssen zu gefährlich reißenden Flüssen anschwellen, welche Gärten, Häuser und Straßen mit sich reißen.

Der Mensch muss seine Verantwortung für die Schöpfung erkennen

Man könnte meinen, dass die Stadtflucht der Menschen der Vegetation auf dem Land zur Regeneration verhelfen könnte, da dadurch auch die Viehpopulation abnimmt. Doch um die Verwüstung zu stoppen und gezielt eine Regeneration des Ökosystems zu beschleunigen, bräuchte es einen großen menschlichen Einsatz, der auf verschiedenen Ebenen ansetzt.

Die verbleibende Landbevölkerung muss dafür die Mechanismen kennenlernen, welche zu einer Verwüstung des Landes führen. Sie müssten es erneut lernen, die Sprache der Natur zu lesen und ihre Zeichen richtig zu deuten.

Lösungsansätze und ein Verantwortungsbewusstsein sind bei vielen der Landbewohner aber (noch) nicht angekommen. Weder die nomadisch-islamisch schicksalsgeprägte Kultur noch die westliche Welt nimmt es ernst, dass der Mensch von Gott, dem Schöpfer selbst, für das Wohl der Natur in die Pflicht genommen wird. Gerade an diesem wunden Punkt der vernachlässigten Schöpfungsethik finden wir eine offene Türe für unsere Arbeit.

Unser Ansatz: Veränderungsmöglichkeiten behutsam aufzeigen

„Wenn Gott will, dass hier Gras wächst, dann lässt er es wachsen. Wenn du es pflanzt, dann wird er dich dafür bestrafen“. Diese Aussage eines Einheimischen vor über 20 Jahren, lässt den lokalen, tiefsitzenden Glauben ans Schicksal erahnen – ein großes Hindernis, um den Schöpfungsauftrag umzusetzen.

Einige haben dann aber am gelebten Beispiel erkannt, dass Gott den eigenen Einsatz für Veränderungen mitnichten bestraft. Einige Gartenbesitzer haben es damals schließlich selbst gewagt, Gras anzubauen und können bis heute mit dem Anbau und Verkauf desselben etwas dazu verdienen.

Ein Verständnis für den Wasserkreislauf schaffen

Heute sind die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung zum Thema "regenerative Landwirtschaft zur Wasserrückgewinnung" erneut ähnlich. Das Bewusstsein fehlt, dass Grundwasser zuvor Regenwasser war. Eine Vorstellung des Wasserkreislaufs fehlt.

Viele stellen sich vor, dass das Erdinnere voll Wasser ist. Darum stört es auch niemand, wenn zunehmend Tieflochbohrungen ins fossile Grundwasser gemacht werden. Doch dies sind fatale Notlösungen, die das Austrocknen des Oberflächengrundwassers noch beschleunigen können.

Steinmäuerchen zur Wasserrückhaltung (Foto: Reach Across)
Steinmäuerchen zur Wasserrückhaltung (Foto: Reach Across)

Wasserrückgewinnung ist leider noch kein Thema. Wieder geht es darum, anhand konkreter Beispiele zu zeigen, wie die Methoden der regenerativen Landwirtschaft bei der Wasserrückgewinnung helfen können. Doch viele trauen sich nicht, ihr Schicksal zu ändern, weil sie fürchten, damit Gott zu erzürnen.

Da braucht es den Fremden, der es wagt, in den Teufelskreislauf einzugreifen. Das ist unsere Aufgabe. Auf diese Art und Weise versuchen wir, für die betroffene Landbevölkerung eine Brücke zur regenerativen Landwirtschaft zu bauen.

Brücken bauen – zu Gott, zu Menschen und zu neuen Techniken

Aber noch eine Brücke möchten wir bauen: Diejenige zu Gott als dem liebenden Vater im Himmel und zu seinem Verständnis von der Verantwortung des Menschen. Denn Gott möchte nicht, dass sein Wunderwerk der Schöpfung verwüstet wird, sondern dass die Menschen es bewahren. Gott lässt es sogar ab und zu regnen und er möchte nicht, dass dieses Regenwasser ungenutzt bleibt.

Deswegen ist es hilfreich, wenn die Menschen einfache Maßnahmen kennenlernen, wie sich das bewerkstelligen lässt: So hilft es, kleine Gruben an Baumwurzeln zu graben, damit das Wasser versickern kann und nicht einfach oberflächlich abfließt. Auch der Bau von Steinmäuerchen ist effektiv, weil diese verhindern, dass das Wasser zu rasch ins Tal abfließt.

Eine weitere Brücke ist diejenige zu den Menschen. Meine Frau und ich sind beeindruckt, wie sehr es die Leute schätzen, dass wir nach einem langjährigen, familienbedingten Aufenthalt in der Schweiz wieder zu ihnen zurückkehrt sind. Sie haben dadurch erkannt, dass es uns um sie geht und nicht bloß um ein bestimmtes Arbeitsprojekt.

Solche Projekte sind auch eine wichtige Brücke. Doch sie tragen nur richtig, wenn sie in Liebe zum Schöpfer und dem Nächsten verrichtet werden. Ich bin gerne mit Leuten unterwegs und komme über die praktische Arbeit mit ihnen ins Gespräch. Dabei fordere ich sie oft auch betreffend ihrer Verantwortung gegenüber Gottes Schöpfung heraus. Darüber stoßen wir wiederum schnell auf tiefe Glaubensfragen.
 

Dieser Artikel ist erstmalig erschienen in ReachAcross Aktuell 04/2022. Wir danken der Redaktion für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung. 

1 Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

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