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© Tamarcus Brown / unsplash.com (Symbolbild)

13.07.2022 / Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Redaktion ReachAcross

„Aus meiner Erfahrung“

Ein äthiopischer Migrant über seine ersten beiden Jahre in der Schweiz.

Seit rund zwei Jahren lebt Asaf (Name geändert) in der Schweiz. Er ist in Äthiopien aufgewachsen. Als junger Mann wurde er vom Muslim zum Christen. Er ist mit einer Schweizerin verheiratet. Momentan lernt er Deutsch und arbeitet unter muslimischen Immigranten. Reach Across, eine internationale christliche Organisation, hat Asaf nach seinen Erfahrungen in der schweizerischen Kultur gefragt.

Weil seine Erfahrungen auch für deutsche Leserinnen  und Leser interessant und hilfreich sein können, haben wir angefragt, ob wir als ERF – Der Sinnsender das Interview ebenfalls veröffentlichen können. Wir danken Reach Across Schweiz für die freundliche Genehmigung dazu.


Reach Across: Sie sind nun schon seit zwei Jahren in der Schweiz. Was hat Sie am meisten erstaunt, als Sie hierhergekommen sind?

Asaf: Die Leute sind so still hier! Niemand spricht mit dem anderen. Wenn ich in einem vollen Zug sitze, ist es still. In Äthiopien würde sofort jeder mit seinem Nachbarn plaudern. Als ich hier angekommen bin, habe ich mich gefragt, warum die Leute nicht mit mir reden. Haben sie etwas gegen mich? Aber dann habe ich bemerkt, dass sie ja auch nicht miteinander sprechen.


Reach Across: Was sind die grössten Unterschiede zwischen der äthiopischen und der schweizerischen Kultur?

Asaf: Die äthiopische Kultur ist eine warme Kultur. Die Menschen sprechen miteinander, essen zusammen, spielen miteinander. Ich bin nie allein. Wir teilen alles: Das Telefon, die Decke, sogar die Schuhe. Wir essen vom gleichen Teller. Es gibt wenig Privatsphäre. Die Leute kennen sogar das Passwort deines Handys. Das ist in der Schweiz ganz anders. Hier kommt man sich nicht zu nahe.

„Über den Glauben zu sprechen ist hier schwierig“

Reach Across: Was gefällt Ihnen an den Schweizerinnen und Schweizern?

Asaf: Die Schweizer sind sehr höflich und respektvoll. Sie reden zwar nicht viel, aber sie zeigen ihre Höflichkeit in Taten. Im Bus oder Zug machen die Leute dir sofort Platz und gehen zur Seite. Und auch im Strassenverkehr sind die Menschen sehr vorsichtig.

In Äthiopien muss ich immer rennen auf der Strasse, damit ich nicht überfahren werde. In der Schweiz halten sie sogar vor dem Zebrastreifen! Und die Menschen hier halten sich generell an Vorschriften und Gesetze. Ich brauche mich vor nichts zu fürchten hier. Ausser vielleicht vor der Kälte. Ich muss immer daran denken, dass ich eine Jacke mitnehme, wenn ich das Haus verlasse.

Die Kirchen haben eine gewisse Furcht aufzufallen.
(Asaf aus Äthiopien)

Reach Across: Ist es einfacher für Sie hier in der Schweiz mit Muslimen über Jesus zu sprechen als in Ihrer alten Heimat? Was ist anders?

Asaf: Es ist nicht einfach über den Glauben zu sprechen. Die Kultur hier beeinflusst die Menschen stark und auch die Immigranten passen sich dem an. Man spricht über gewisse Dinge einfach nicht. Und man erschrickt sogar, wenn ein Fremder mit dir sprechen will. In Äthiopien ist das ganz anders. Du kannst mit jedem sprechen, auf der Strasse, im Restaurant, im Bus einfach überall.


Reach Across: Wie erleben Sie die Kirche in der Schweiz?

Asaf: Kürzlich hat ein Pastor hier in Bern gesagt: „Unsere Vision ist Bern. Wir wollen Bern erreichen.“ Das hat mich etwas erstaunt. Jesus hat uns doch aufgetragen, alle Welt zu erreichen. So darf und muss unsere Vision größer sein. Einmal habe ich im Deutschkurs Bibeln an Araber verteilt.

Da hat man mir gesagt, dass ich das nicht tun solle. Die Medien könnten berichten, dass wir evangelisieren. Ich sehe eine gewisse Furcht der Kirchen aufzufallen. Aber warum denn? Wir sollen doch Salz und Licht sein? Das Evangelium kann nicht verborgen bleiben.


Reach Across: Wie können Christen mit Muslimen ins Gespräch kommen? Welche Tipps können Sie dafür geben?

Asaf: Das ist wirklich etwas schwierig hier. Ich kann nicht einfach auf der Strasse oder im Café mit den Leuten ein Gespräch beginnen. Die Leute haben auch keine Zeit, sie müssen immer irgendwo hin. Am einfachsten für mich ist es im Deutschkurs. Oder in der Kirche. Hier haben die Leute Zeit. Eine gute Möglichkeit ist es, die Leute zu sich einzuladen. Dort kann man austauschen und von sich und seinem Glauben erzählen.
 

Reach Across: Vielen Dank für das Gespräch.
 

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Kommentare (1)

Kerstin /

Mir ist bei den Aussagen dieses jungen Mannes wieder einmal klar geworden, dass wir unterschiedlich sind aber nicht besser oder schlechter. So wie er es vermisst, einfach so mit fremden Menschen mehr

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