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06.12.2016 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Michael Klein

Bischof oder Werbefigur?

Die „Legende“ vom Heiligen Nikolaus im Wandel der Zeit.

Heute ist Nikolaustag. Kinder früherer Generationen sahen diesem Tag bisweilen mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn der Mann im Bischofsornat mit dem weißen Rauschebart und dem dicken Buch im Arm wurde gern als „Erziehungshelfer“ benutzt. Michael Klein beleuchtet in diesem Interview die Geschichte und Entwicklung der „Legende vom Nikolaus“.
 

ERF: Gab es einen echten Nikolaus überhaupt?

Michael Klein: Ja, und ob! Es gab sogar zwei Nikoläuse. In Myra, einer Stadt in der heutigen Türkei, lebte im 4. Jh. ein Bischof dieses Namens, der sich vor allem um die Armen kümmerte. Er soll am 6. Dezember 343 gestorben sein. In Lykien – auch das in der heutigen Türkei – lebte im 6. Jahrhundert ein Abt dieses Namens. Aus den Lebensläufen beider Personen ist wohl die Nikolaus-Legende vom Wohltäter und Kinderfreund entstanden. Dass er Seeleute vor dem Sturm gerettet und Schiffbrüchige versorgt haben soll, führte dazu, dass ihn die Seefahrer und Kaufleute zu ihrem Patron machten. In jeder norddeutschen Hafen- oder Hansestadt gibt es deshalb eine Nikolaikirche.
 

ERF: Wie wurde er zu dem Mann, der braven Kindern Geschenke bringt?

Michael Klein: Da haben sich regionale Traditionen entwickelt. In meiner Heimat zum Beispiel kommt der Nikolaus traditionell schon am 5. Dezember abends in die Häuser. Als ich Kind war, musste man ein Gedicht oder Gebet aufsagen oder ein Lied vorsingen. Dann guckte der Heilige Mann in seinem Buch nach, in dem angeblich alle Verfehlungen des abgelaufenen Jahres eingetragen waren. Danach gab’s kleine Geschenke aus dem Sack, meistens Süßigkeiten. Und – in einer Zeit als die Tracht Prügel noch in vielen Familien ein gängiges Erziehungsmittel war – auch mal einen kräftigeren Klaps. Dazu hatte der Nikolaus seinen „schwarzen Mann“ dabei – in Süddeutschland hieß er „Krampus“, bei uns daheim im Linksrheinischen „Knecht Ruprecht“. Der konnte einen fünf- oder sechsjährigen Lausbuben schon das Fürchten lehren.

Menschenfreund statt Werbeonkel

ERF: Wie kam es dazu, dass aus dem Bischof Nikolaus der Weihnachtsmann mit rotem Gewand, Schlitten und Rentiergespann wurde?

Michael Klein: Diese Entwicklung verdanken wir dem „Wirtschaftswunder“ und den USA. Dort wurde der Nikolaus schon zwischen den Weltkriegen vom Kommerz mit Beschlag belegt. Um das „Weihnachtsgeschäft“ anzukurbeln, ließen Kaufhausketten und Konzerne Weihnachtsmänner auftreten, die die Kinder nach ihren Geschenkwünschen für das Fest befragten und den Eltern dann gleich sagten, in welcher Abteilung des Kaufhauses man sie bekommt. Die Firma Coca-Cola war es, die für eine gleichmäßige Uniformierung sorgte, indem sie ihre Firmenfarbe Rot für das Kostüm standardisierte und die bischöfliche Mitra durch eine Zipfelmütze ersetzte. 
 

ERF: Genau so erlebt man heute oft die „Weihnachtsmänner“ in den Einkaufsmeilen und Fußgängerzonen. Gibt es eine „Gegenbewegung“ zum Kommerz?

Michael Klein: Ich habe den Eindruck, dass eine Trendwende begonnen hat. In den kirchlichen Kindergärten ist die Tradition nie abgebrochen, den legendären Bischof als Kinderfreund und nicht als den „hohoho“ rufenden Wunschautomaten aus dem Supermarkt darzustellen. Inzwischen gibt es auch entsprechende Initiativen in beiden großen Kirchen. Man ruft – natürlich mit einem Augenzwinkern – „weihnachtsmannfreie Zonen“ aus. Auf jeden Fall betonen die Kirchen, dass der „echte“ Nikolaus ein Bischof und Menschenfreund war – und kein Prügelpädagoge oder Werbeonkel. Seine Legende erinnert daran, dass wir alle uns für Arme und Hilflose einsetzen sollten. Der Nikolaus als Zeichen der Güte Gottes – so kann er Kindern heute vermittelt werden.
 

ERF: Vielen Dank für diese Informationen über den Nikolaus.

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