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Heiligung: Dem Meister auf der Spur

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Joachim Bär

Heiligung: Dem Meister auf der Spur

Christen stecken mitten in einem spannenden Veränderungsprozess: der Heiligung. Deutlich wird: Wer die Welt verändern will, muss bei sich anfangen.

Wie kann ich so leben, dass es Gott gefällt und mein Leben gute Spuren hinterlässt? Wer wirklich als Christ leben will, wird sich diese Frage früher oder später stellen. Es gibt in der Bibel eine Reihe von Hinweisen, wie die Antwort aussehen kann. Die meisten von ihnen haben im Kern ein Thema: Heiligkeit. Im Sinne Gottes zu leben, heißt heilig zu leben.

Diesen Zusammenhang entdeckten schon die Christen der frühen Kirche. Besonders wichtig wurde das Thema Heiligung auch im 18. und 19. Jahrhundert. Damals entstand eine etliche Länder übergreifende Bewegung, die Heiligungsbewegung. Christen unterschiedlicher Konfessionen trafen sich zu damals außerordentlich großen Konferenzen von mehreren Tausend Besuchern, vornehmlich in England. Sie alle trieb der innige Wunsch an, ein Leben zu führen, wie Gott es möchte.

Warum sollte ich aber ein heiliges Leben führen? Muss ich ein moralischer Überflieger werden? Und wie sieht dieses Leben aus?

Heiligkeit ist Gottes Anspruch

Der Wunsch vieler Christen, ein heiliges Leben zu führen, ist gut begründet. Viele Passagen der Bibel rufen Gläubige dazu auf, ein heiliges Leben zu führen. „Darum heiligt euch und seid heilig; denn ich bin der Herr euer Gott“, lässt Gott seinem Volk durch Mose sagen (3. Mose 20,7). Gottes Heiligkeit ist damit der Maßstab für die, die an ihn glauben.

Im Neuen Testament ist es vor allem Paulus, der die Christen zu einem heiligen Lebensstil aufruft. Der Gemeinde in Thessalonich schreibt er: „Gott hat uns dazu berufen, ein geheiligtes Leben zu führen und nicht ein Leben, das von Sünde beschmutzt ist.“ (1. Thessalonicher 4,7) Ein heiliges Leben ist bis heute Gottes Auftrag an seine Leute.

Allerdings bekommt die Heiligung durch Jesus einen neuen Bezugspunkt. Gottgefällig zu leben, bedeutet so zu leben, wie Jesus es getan hat. Er ist das Vorbild, dem alle Christen nacheifern sollen. Oder wie Paulus es ausdrückt: „Wen Gott nämlich auserwählt hat, der ist nach seinem Willen auch dazu bestimmt, seinem Sohn ähnlich zu werden.“ (Römer 8,29; vgl. 2. Korinther 3,18)

Paulus liefert damit etwas wie eine Definition von Heiligung: Sie beschreibt eine prozesshafte Erneuerung und Reinigung von allem, was von Gott trennt. Sie beginnt mit der Hinwendung zu Gott (Bekehrung) und hat das Ziel, Jesus immer ähnlicher zu werden. Damit sind Christen nicht nur Nachfolger Jesu, sondern auch seine Nachahmer. Sie sollen ein Leben führen, das mehr und mehr Jesu Art zu denken und zu leben verinnerlicht und übernimmt.

Teamarbeit von Gott und Mensch

Nun hapert es aber mit der Heiligkeit selbst bei langjährigen Christen – womit die Frage aufkommt, wie man überhaupt heilig wird. Welchen Einsatz muss ich als Christ selbst bringen – oder ist es Gott, der allein meinen Charakter umformt und mich auf diese Weise heilig macht?

Die Meinungen gehen auseinander. Manche sind der Ansicht, dass es Gott allein möglich macht, ein Leben zu führen, das ihm gefällt. „Der Gott des Friedens aber […] rüste euch aus zu jedem guten Werk, damit ihr seinen Willen tut, indem er in euch das wirkt, was ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus […]“, schreibt der Autor des Hebräerbriefes (Hebräer 13,20-21). Und allen voran ist es der Heilige Geist, der in den Christen wohnt, ihren Charakter formt und so die Heiligung fördert. Er bewirkt die Auswirkungen des Geistes, die zu einem heiligen Leben dazugehören (Galater 5,22-23).

Das klingt eindeutig, ja einseitig. Gott sorgt für meine Heiligung. Wer aber die gesamte Bibel in den Blick nimmt, stellt fest: Ohne meinen Einsatz geht es eben doch nicht. Eindrücklich macht das eine Passage im Hebräerbrief deutlich: „Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird“ (Hebräer 12,14). Auf dringliche und ernste Weise heißt das: Ich bin gefragt, meine Heiligung weiterzuentwickeln. Sie stellt sich nicht von selbst ein.

Immer mehr so zu leben, wie Gott es möchte, ist damit keine schöne Zugabe zum christlichen Glauben. Heiligung gehört zum Kern. Glaube ohne Heiligung gibt es ebenso wenig wie ein Glaube ohne entsprechende Taten (Jakobus 2,17.26). Nicht umsonst fordern viele Texte des Neuen Testaments dazu auf, alles zu lassen, was einem heiligen Leben zuwider läuft (z.B. Römer 12,1-13). Christen sollen sich von allem fernhalten, was ihre Gedanken oder ihr Handeln beschmutzt (2. Korinther 7,1).

Damit gehört beides zusammen: Mein tiefster Wille und größte Anstrengung, gleichzeitig Gottes verändernde Kraft. Gott nimmt mich als sein Geschöpf ernst, gegen meinen Willen wird er mich nicht heilig machen. Gleichzeitig komme ich als Mensch und sein Geschöpf ohne Gottes Hilfe durch seinen Geist auf keinen grünen Zweig. Der eigene Wille reicht nicht aus. Heiligung ist Teamwork, das sich wohl am besten so beschreiben lässt: Weil Gott mir hilft, kann ich meinen Teil beitragen.

Mein Part unter der Lupe

Wie mein Beitrag zur Heiligung genau aussieht, ist damit aber noch nicht umrissen. Ein besonderes Geheimnis ist er aber nicht. Das braucht es auch nicht. Denn Heiligung ist die natürliche Frucht eines gesunden Glaubens. Und dafür gibt es keine besonderen Mittelchen, Handlungen, Umwege oder Abkürzungen.

Deshalb sorge ich am besten für meine Heiligung, wenn ich mich Gott aussetze. In seinem Wort (Bibel), im Gespräch mit ihm (Gebet), mit seinem Leib (Gemeinde, Gottesdienst und Abendmahl) und indem ich seine Botschaft weitergebe. Hilfreich ist es auch, meine Art, wie und wo ich Gott am liebsten begegne, genau zu kennen (z.B. in der Natur, durch genaues Nachdenken, in der Einsamkeit, …).

Diese zentralen Elemente halten meinen Glauben gesund. Wenn ich in diesen Bereichen dranbleibe und Gottes Unterstützung durch seinen Geist hinzukommt, entsteht ein fruchtbarer Boden, auf dem meine Heiligung wachsen kann.

Diese Verwandlung wird nach und nach alle Teile meiner Person umkrempeln. Ich werde Gott immer besser kennenlernen, ihn immer mehr erkennen (Philipper 1,9). Auch jeder meiner Gedanken wird sich mehr und mehr auf Gott ausrichten (2. Korinther 10,5). Ebenso wird mein gesamter Wille mehr und mehr dem entsprechen, was Gott von mir will (Philipper 2,13). Auch meine Gefühle gehören dazu. Sie werden sich verändern – in die Richtung, die Gott sich wünscht. Nicht zuletzt werde ich mit meinem Körper so umgehen, wie Gott es möchte. (Galater 5,22Römer 6,12)

So werden Christen immer mehr zu Menschen, die Gott für seine Pläne hervorragend einsetzen kann. Sie werden immer empfänglicher für das, was Gott will. Alles, was von Gott trennt (Sünde), wird immer weniger Raum in ihrem Leben einnehmen. Was Christen sind und was sie tun, wird mehr und mehr Jesus ähnlicher.

Wie weit geht Heiligung?

Diesen fortschreitenden Prozess kann man aber auch falsch einordnen. Einige Christen teilen zum Beispiel die Meinung, dass man als Christ schon in diesem Leben komplett heilig leben kann (Perfektionismus). Mit genügend Anstrengung und Hingabe an Gott sei der Sieg über die Sünde zu haben – mit makelloser Liebe zu Gott und allen Menschen, erfüllt vom Geist. Verse, wie „Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht.“ (1. Johannes 3,6) oder „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig“ (1. Thessalonicher 5,23) scheinen diesen Gedanken zu unterstützen. Das Neue Testament zeigt uns aber zwei Seiten einer Medaille auf.

Einerseits ist es richtig: Christen sind schon heilig. „Aber ihr seid rein gewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes“, schreibt Paulus an die Korinther (1. Korinther 6,11). Christen sind gerettet und gehören zu Gott, deshalb sind sie schon Heilige (Hebräer 10,10Römer 1,7).

In diesem Sinne beschreibt Heiligung erst einmal keinen besonders moralischen oder geistlich hervorragenden Lebensstil. Christen sind auch nach zehn Jahren als Christ nicht mehr gerettet als am Anfang.

Andererseits sind Christen weder auf Anhieb ganz frei von Sünde, noch spiegelt ihr Wesen schon vollständig den Charakter Jesu wider. Die Hingabe an Gott muss immer wieder neu geschehen. Die Heiligung und letztlich die Befreiung von den Auswirkungen der Trennung zu Gott bleibt ein lebenslanger Prozess. Deshalb verwundert es nicht, wenn Paulus die schon genannten „Heiligen“ aufruft, die Sünde nicht herrschen zu lassen (Römer 6,14). Christen, also Heilige, sollen sich immer wieder Gott verschreiben und sich ihm hingeben (Römer 6,12-13) – ein unnötiger Aufruf, wenn sie schon komplett heilig wären. Zehn Jahre nach ihrem Start als Christ sollte ihr Leben anders aussehen. Jesus-ähnlicher.

In anderen Worten bedeutet das: In Bezug auf ihren Status vor Gott, sind Christen geheiligt (Rechtfertigung). Gleichzeitig werden sie geheiligt und arbeiten weiter an ihrer praktischen Heiligung. Diese Spannung fasst Paulus innerhalb eines Verses folgendermaßen zusammen: „Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben“ (Römer 6,22).

Das bedeutet, dass Christen nicht perfekt sein müssen. Auch nicht generell sein können (Römer 7,19). Gott steht trotzdem zu ihnen und kann sie gebrauchen, was ein kurzer Blick in die Bibel zeigt. David begeht Ehebruch und mordet. Petrus bekommt es mit der Angst zu tun und verleugnet Jesus. Salomo hat ein Problem mit schönen Frauen. Mose ist nicht gehorsam und schlägt auf den Felsen, anstatt zum Felsen zu sprechen (4. Mose 20,8-13).

Die Bibel ist voller Vorbilder, die im Glauben scheitern. In Bezug auf die Heiligung machen sie klar: Gott ist weniger auf der Suche nach perfekten Menschen, sondern nach Menschen, die sich immer wieder auf den Weg mit ihm einlassen und sich verändern lassen (Kolosser 3,9-10). Gott kann mich nicht erst dann gebrauchen, wenn meine Heiligung abgeschlossen ist.

Nach meinem Tod aber wird Gott meine Rettung vollkommen machen, ebenso meine Heiligung. Denn nur was heilig ist, kann vor Gott bestehen (z.B. Offenbarung 21,27). Nach ihrem Tod werden Christen zu vollendeten Gerechten, sprich vollständig Heiligen (Hebräer 12,23).

Was heiliges Leben bedeutet

Auch wenn ich als Christ kein völlig heiliges Leben führen kann – in verschiedenen Bereichen meines Lebens bewirkt Gott durch die Heiligung gute Veränderungen. Deshalb zeigt ein heiliges Leben beispielsweise einige der folgenden Symptome: Ich werde mit anderen Menschen ehrlich umgehen, ebenso mit meinem Geld (Epheser 4,28). Ich bin bereit, anderen zu vergeben und mit ihnen in Frieden zu leben (Hebräer 12,14). Ich urteile nicht über andere (Matthäus 7,1-2) und versuche, meine Zunge als gutes Werkzeug zu gebrauchen (Jakobus 3,1-12).

Da ein heiliges Leben vor allem durch die Kraft des Heiligen Geistes möglich ist, sind die Auswirkungen seines Wirkens in mir ebenfalls gute Anzeichen. Dazu gehören Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit (Galater 5,22-23). Ebenso gehört ein guter Umgang mit Sexualität zu einem heiligen Leben (1. Thessalonicher 4,3).

Insgesamt versuche ich als Christ alles zu meiden, was von Gott trennt und jedes seiner Gebote zu halten. Ich werde meinen Alltag mit Gottes Augen sehen und mit Blick auf seine geistliche Dimension einordnen.

Heiligkeit bedeutet damit auch, mein Leben mehr und mehr Gott und anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Sich selbst in Gott und im Anderen zu verlieren – und wiederzufinden. Heiligkeit bedeutet, Gott und seinen Willen von ganzem Herzen zu lieben und zu suchen. Gott den notwendigen Respekt zu zollen, aus Dankbarkeit ihm gefallen wollen und ein Leben zu führen, das ihn ehrt.

Durch meine Heiligung bin ich mitten in dem Prozess, in dem Gott alles Zerbrochene und in Unordnung geratene schon jetzt wiederherstellt – wenn auch erst in der Ewigkeit auf perfekte Weise.

Heiligkeit bedeutet damit letztlich nicht weniger als das: mich selbst und dann die Welt zu verändern.

 Joachim Bär

Joachim Bär

Joachim Bär war Unit Lead von erf.de und hat die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF koordiniert. Er ist Theologe und Redakteur, verheiratet und hat zwei Kinder.