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/ Bibel heute

Vom Sinn der Gleichnisse

Andreas Hornung über Markus 4,10-20.

Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen nach den Gleichnissen. Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen draußen aber widerfährt es alles in Gleichnissen, auf dass sie mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.[...]

Markus 4,10–20

Das Gleichnis Jesu vom Sämann oder vom vierfachen Ackerfeld, gehört mit zu den bekanntesten Reden Jesu.Der Vorspann hingegen wird meist bei der Auslegung weggelassen, weil er etwas schwieriger zu verstehen ist. Deshalb möchte ich heute auf diesen Vorspann den Fokus legen.

Es heißt: „Als Jesus mit dem Kreis der Zwölf und den anderen Jüngern allein war, wollten sie wissen, warum er in Gleichnissen sprach.“ (Vers 10 GNB) Er, Jesus, sagte: „Euch hat Gott das Geheimnis seines Reiches anvertraut“ (NeÜ) oder anders überbesetzt: „Euch ist es von Gott gegeben, das Geheimnis seines Reiches zu verstehen“ (NGÜ).

Soweit ist Jesu Aussage noch verständlich. Aber dann sagt er: „Jenen draußen aber wird alles in Gleichnissen zuteil, auf dass sie sehend sehen und doch nicht schauen, und hörend hören und doch nicht verstehen, um nicht umzukehren und Vergebung zu finden.“ (JB) Hier stellt sich die Frage: Wen meint Jesus mit denen „draußen“? Wer sind diese verstockten Außenstehenden? Um das zu klären, lade ich Sie ein, mit mir zu schauen, was unmittelbar zuvor geschehen war.

Im Markusevangelium, Kapitel 3, Vers 22 liegt für mich der Schlüssel zum Verständnis dieser Aussage. Dort heißt es: „Die Schriftgelehrten aber, die von Jerusalem herabgekommen waren, sprachen: „Er hat den Beelzebul, und: Durch den Obersten der Dämonen treibt er die Dämonen aus.“

Was war geschehen?

Der oberste Gerichtshof der Juden, der Sanhedrin oder Hohe Rat, hatte eine Untersuchungskommission von Schriftgelehrten nach Kapernaum herabgesandt[1], um ein für alle mal zu klären, ob Jesus tatsächlich der verheißene Messias oder ein Scharlatan sei. Heute würde man sagen, sie hatten den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen. Ihr abschließendes Urteil lautete, dass Jesus seine Vollmacht nicht von Gott, sondern vom Teufel habe. Mit dieser Ablehnung hat sich die religiöse Führungselite der Juden selber ins Abseits gestellt. Die da „draußen“ sind also die Leute, die dieses Grundsatzurteil gefällt haben, das bis in unsere Tage unter etlichen Juden nachwirkt.

Und dann zitiert Jesus auszugsweise aus dem Propheten Jesaja: „… auf dass sie mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde“ (aus Jes 6,9-10)

Die Parallelüberlieferung dieses Textes beim Evangelisten Matthäus berichtet, dass der Expertenrat der jüdischen Theologen in Kapernaum miterlebte, wie Jesus einen „stummen und blinden Besessenen“ heilte. Matthäus schreibt, dass die anwesenden des jüdischen Volkes „außer sich waren vor Staunen“ und sagten: „Ist dieser etwa der Sohn Davids? (also der Messias?)“ (Mt 12,22-23)

Diese Schlussfolgerung des Volkes war nicht aus der Luft gegriffen, denn sie wussten, dass nach Arnold Fruchtenbaum nur der Messias in der Lage sein würde, auch einen „stummen Dämon“ auszutreiben.

Pharisäer waren damals durchaus in der Lage, Dämonen auszutreiben, wie Jesus selber im Matthäusevangelium, Kapitel 12, Vers 27 zugibt, aber gegenüber „stummen Dämonen“ waren sie machtlos.[2]

Dieses Zeichen blieb nach meiner Überzeugung allein dem kommenden Messias vorbehalten. Jesus handelte im Geist Gottes, das war demzufolge ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Jesus tatsächlich der Messias ist (Mt 12,28). Wider besseres Wissen [3] und Gewissen, trotz eindeutiger Beweislage, lehnten die Experten die Messianität Jesu ab und sagten:„Wir wollen nicht, dass dieser König über uns sei!“ (nach Lk 19,27)

Die Untersuchungskommission der Schriftgelehrten sah, was Jesus tat und vermochte dabei nicht zu erkennen, dass dies ein messianisches Zeichen war. Sie haben rein akustisch gehört, was Jesus sagte, und haben doch nicht verstanden, was er damit sagen wollte.

Dieses Phänomen nennt man Verblendung oder Verstockung. Auch der Apostel Paulus erkennt später, dass ein Großteil der Juden verstockt ist. (Röm 11,7-10; vgl. 1Thess 2,14b-16; Jes 29,10; 5Mo 29,3).

Die „draußen“ bleiben wollen, trifft nach dem Wort des Propheten Jesaja ein göttliches Verstockungsgericht. Das ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung, die sie getroffen haben. Der Reformator Osiander erklärte diesen tragischen Sachverhalt mit den Worten: „Wenn sich die Menschen nicht selbst verstockten, würden sie nicht ins Gericht der Verstockung geraten.“ (vgl. Mt 13,13-15)

Die Wurzel der Uneinsichtigkeit liegt oft in der Selbstgerechtigkeit, wenn man sich z. B. immer wieder anmaßend selbst erhöht (vgl. Lk 18,9-14). Der Selbstgerechte sieht nicht, dass er selbstgerecht ist. Er lebt in einer „Ich-Blindheit“. Wer davon befreit werden will, sollte Gott um Selbsterkenntnis bitten. Diese Bitte erhört Gott gern und wird uns recht bald einen Spiegel vor Augen halten (Offb 3,17-19!).

Und dann kommt Jesus auf das Gleichnis vom Sämann zurück und sagt im Vers 13: „Versteht ihr dieses Gleichnis nicht? Wie werdet ihr da alle Gleichnisse verstehen?“ Das Gleichnis vom Sämann will uns das Reich Gottes erklären. Es ist das erste Gleichnis von der Königsherrschaft [4] Gottes, das die Basis für das Verstehen aller weiteren Gleichnisse bildet.

Im Lukasevangelium Kapitel 17, Vers 21 sagt Jesus, dass das Reich Gottes „inwendig in“ uns ist (wörtlich [5]); das heißt es ist in den Herzen der Menschen. Und dort besteht es „in Gerechtigkeit (das heißt in einem Gott-gemäßen Verhalten), sowie in Friede und Freude im Heiligen Geist“. So definiert es Paulus im Römerbrief.[6]

Jesus lehrt im Gleichnis vom Sämann über die verschiedenen Herzenszustände. Vom Samen, der „auf guten Boden fällt und Frucht bringt“ (Mk 4,8), heißt es im Lukasevangelium: Sie nehmen das Wort Gottes mit „aufrichtigem“ [7] und „willigem“ [8] Herzen an, „bewahren“ und befolgen es und „bringen Frucht in Beharrlichkeit“[9] (Lk 8,15). Jesus sagt: „Nicht jeder, der zu mir 'Herr, Herr' sagt, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“ (Mt 7,21)

Unsere wichtigste Aufgabe ist also, uns um unseren Herzenszustand zu kümmern. Unser Herzensboden muss weich, locker und aufnahmebereit sein und genügend Feuchtigkeit in sich haben, damit die neuen Verhaltensweisen wachsen können.

[1]„Herabgesandt“ heißt es deshalb, weil Jerusalem 955 m höher als Kapernaum liegt.

[2]Vielleicht weil sie bei ihrem Exorzismus den Dämon nach seinem Namen fragten, weil man dann Macht über ihn

bekommt (wie im Märchen Rumpelstilzchen). Von einem „stummen Dämon“ sprach man, wenn er sich nicht äußerte.

[3]Joh 3,1-2

[4]So wörtlich ist griechischen Urtext.

[5]= Luther 1912, Luther 1964-Anm., Schlachter, DaBhar, Tilmann, Wiese; „im Innern von euch“ (Pfleiderer); „innen in euch“ (KNT); „innerhalb von euch“ (Fotteler); „in euch“ (NGÜ-Anm.).

[6]Röm 14,17

[7]NGÜ, Werner, HFA, NeÜ, NLB, EÜ

[8]GNB; „bereitwilligem“ (HFA, NGÜ, NeÜ)

[9]NGÜ: „lassen sich nicht entmutigen“

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Karla M. /

Herzlichen Dank für diese tiefgründige und umfassende Auslegung des Bibeltextes mit Fokus genau auf die Stelle, die mir persönlich sehr wichtig ist. Jenen da draußen, wer sind diese; ebenso die mehr

Silke /

Lieber Herr Hornung,
haben Sie Dank für diese Auslegung
Gottes Segen