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/ Bibel heute

Bundesschluss und Bundespflichten

Eckehard Graubner über 2. Mose 34,27-35.

Und der HERR sprach zu Mose: Schreib dir diese Worte auf; denn aufgrund dieser Worte schließe ich mit dir einen Bund und mit Israel. Und er war allda bei dem HERRN vierzig Tage und vierzig Nächte und aß kein Brot und trank kein Wasser. Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte. Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.[...]

2. Mose 34,27–35

Gibt es für Sie einen Ort, an dem Sie lange verweilen können, ohne dass die Zeit lang wird?

Ich erinnere mich an eine Wanderung im Gebirge. Ich war allein. Der Aufstieg war mühsam. Nach mehreren Stunden hatte ich es geschafft. Ich war auf dem Gipfel in 2700 m Höhe angekommen. Eine wunderbare Aussicht bot sich mir über das ganze Gebirgsmassiv hinweg … und eine Stille! In solchen Augenblicken verfalle ich oft wie von selbst ins Gebet. Staunen, Gebet, Frieden kommen bei mir zusammen. So war es dort auf dem Gipfel. Mir war, als ob die Zeit stehen blieb. Eine Uhr hatte ich nicht bei mir. Irgendwann zeigte mir der Sonnenstand an, dass ich wieder hinab ins Tal musste. Ich musste mich vom Gipfel losreißen, von der Zeitlosigkeit zurück in die Zeit.

Im zweiten Buch Mose wird der Gipfelaufstieg eines Mannes berichtet. Der hatte allerdings keinen touristischen Anlass. Gott hatte Mose hinauf gerufen auf den Berg Sinai. Es war schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass Mose auf den Berggipfel steigen musste. Der Anlass war kein schöner. Mose mag mit weichen Knien zum zweiten Mal aufgestiegen sein. Vom ersten Aufenthalt auf dem Berg wenige Tage zuvor hatte Mose die Steintafeln mit den 10 Geboten hinab ins Tal gebracht. Doch dem Volk hatte Moses Abwesenheit zu lange gedauert. So hatten sie ein Kalb aus Gold angefertigt und es angebetet. Gerade zu dem Zeitpunkt war Mose mit den Tafeln ins Lager des Volkes zurückgekehrt. Er warf voller Wut die Tafeln auf den Boden. Sie zerbrachen. So hatte das Volk den Bund zerbrochen, kaum dass Gott ihn mit dem Volk geschlossen hatte.

Was wird Mose nun oben auf dem Berg erwarten? Mit Bangen und Hoffen ging er den Weg. Auf dem Gipfel würde er Gott begegnen. Er wusste, dass Gott zornig war. Nur durch intensive Fürbitte hatte er Gott davon abhalten können, das Volk zu vernichten. Aber war Gottes Zorn besänftigt? Es hatte Gott in höchstem Maß beleidigt, dass das Volk dieses Kalb angebetet hatte, anstelle ihres Gottes, der sein Volk aus Ägypten befreit hatte. Das Volk hatte Gott zurückgewiesen, ihn kalt abtreten lassen. Was würde Mose auf dem Berg noch mit Gott erleben? Was würde er sich anhören müssen? Oder würde er persönlich von Gott zur Verantwortung gezogen werden?

Andererseits: Gott hatte ihm gesagt, dass er vorhat, ihm noch einmal die Gebote zu geben. Deshalb sollte er zwei behauene Steintafeln mit auf den Berg nehmen. Ein Lichtblick, ein Hoffnungsschimmer, dass die Sache gut ausgeht. Vielleicht gibt es für Mose und das Volk eine zweite Chance.

Oben angekommen, redete Gott mit Mose. Und Gott diktierte ihm die zehn Gebote in die Steintafeln. Dieses Mal musste Mose sie selbst eingravieren. Beim ersten Mal hatte Gott ihm die Tafeln fertig übergeben. Vierzig Tage und Nächte verbrachte Mose auf dem Berg. Die Gebote bestehen aus nur wenigen hundert hebräischen Schriftzeichen. Das war eine Steinmetzarbeit von vielleicht zwei bis drei Tagen. So schätze ich es ein. Aber 40 Tage war Mose auf dem Berg. Er fastete. Die Zeit muss stehen geblieben sein. Es war eine Zeit der intensiven Begegnung mit Gott. Gott und Mose haben von Angesicht zu Angesicht miteinander gesprochen. Und Mose wurde bei der Begegnung mit Gott nicht von der Erde ausgelöscht. Mit einem zornigen Gott hätte Mose nicht fast sechs Wochen verbringen können. Mose hätte nicht einmal eine Minute überstanden. Mose erlebte einen Gott, der barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Gnade und Treue ist. Schon bei der Begegnung am ersten Tag auf dem Berg sagte Gott zu Mose: Siehe, ich will einen Bund schließen: Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie nicht geschaffen sind in allen Landen und unter allen Völkern, und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll des HERRN Werk sehen; denn wunderbar wird sein, was ich an dir tun werde.

Dieses Wunder erlebte Mose in den 40 Tagen auf dem Berggipfel. Er erlebte einen Gott, der unter die vergangene Schuld des Volkes einen Schlussstrich zieht und noch einmal anfängt. Noch einmal redet Gott mit Mose. Noch einmal schließt er mit dem Volk einen Bund. Noch einmal vertraut Gott ihm seine Gebote an. Noch einmal offenbart er dem Volk seinen Willen. Noch einmal traut er dem Volk zu, dass es diesen Willen, Gottes Worte, beherzigt und danach lebt. Noch einmal sagt Gott dem Volk zu, es ins verheißene Land zu bringen. Mose erlebt in den 40 Tagen einen barmherzigen Gott und einen tiefen Frieden mit ihm. Da kann die Zeit schon stehen bleiben und 40 Tage wie im Flug vergehen. Vielleicht musste Mose sich auch vom Berggipfel losreißen, als Gott ihn mit den beschriebenen Tafeln wieder zurück in die Zeltstadt der Israeliten schickte.

Aber Gottes Herrlichkeit, die Mose dort erlebt hatte, war an ihm haften geblieben. Sie strahlte aus seinem Gesicht.

Haben Sie mal ein Kind über das ganze Gesicht strahlen sehen? Oder ein verliebtes Paar?

Das ist anziehend, das steckt an.

Das Volk Israel wurde davon jedoch zunächst abgestoßen. So viel Gottes-Herrlichkeit konnte es nicht aushalten. Denn im Licht von Gottes Herrlichkeit erkenne ich immer zuerst einmal ungeschönt, wer ich selbst bin und wie es um mich bestellt ist. So wie ich meine schmutzigen Hände im Licht sehe, so den Dreck in meiner Seele im Licht von Gottes Gegenwart. Das weckt Furcht.

Mose bedeckte sein Angesicht, wenn er sich unter dem Volk aufhielt. Er schonte es. Aber er hatte sein Angesicht aufgedeckt, immer wenn er dem Volk Gottes Worte sagte. Es ist diese Botschaft von Gottes Gnade, die Botschaft, dass Gott trotzdem zu seinem Volk steht. Sie ist Ausdruck von Gottes Herrlichkeit, einer Herrlichkeit, die nicht abstößt, sondern anzieht, die nicht nur aufdeckt, sondern bereinigt, nicht nur bloßstellt, sondern erneuert.

Ich wünsche mir, dass wir Christen und unsere Gemeinden auch diese Herrlichkeit Gottes in unserer Gesellschaft ausstrahlen.

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