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/ Bibel heute

Gebet in Bedrängnis

Michael Nitzke über Psalm 86.

Ein Gebet Davids. HERR, neige deine Ohren und erhöre mich; denn ich bin elend und arm. Bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu. Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich. Herr, sei mir gnädig; denn ich rufe täglich zu dir.

Psalm 86

„Hör mir doch mal zu!“ – Manchmal brauche ich jemanden, der nicht viel redet, sondern einfach zuhört. Ich sehne mich nach einem Gegenüber, dem ich alles sagen kann, wenn es mir schlecht geht. Es gibt Tage, da liegt mir viel auf dem Herzen. Manchmal ist es ein Gefühl der Leere. Dann fühle ich mich wie ein leerer Ballon, der die Luft verloren hat. An solchen Tagen ist bei mir buchstäblich die Luft raus. Dann kann ich gerade noch erkennen, dass sich vor mir ein riesiger Berg aufgetürmt hat. Eine Menge Dinge, die liegen geblieben sind, und schon wieder von neuen Aufgaben überdeckt werden. Dazu eine Reihe von Fragen, die sich durch langes Lagern nicht klären, und dann zu großen Problemen werden.

Dann brauche ich jemanden, der einfach da ist und mir zuhört. Wem soll ich mich anvertrauen? Ich habe Angst, dass jemand bei so einem Gespräch schnell ein Patentrezept aus der Tasche zieht: „Du musst einfach nur anfangen, am besten mit dem Schwierigsten zuerst, dann erledigt sich der Rest wie von selbst, und Probleme kommen erst gar nicht auf.“ Ich bewundere Menschen, die das können. Aber mir hilft das jetzt gerade nicht. Ich fühle mich elend und arm, da brauche ich keine flotten Sprüche.

Elend und arm fühlt sich auch der Beter des Psalms 86. Er betet zu Gott: „HERR, neige deine Ohren und erhöre mich; denn ich bin elend und arm. – „Ein Gebet Davids“ steht darüber. Spricht da der König David von sich selbst? Oder hat er als Dichter einfach nur die Fähigkeit, Gefühle zu beschreiben? Gefühle, Sorgen und Ängste trugen die Menschen schon vor dreitausend Jahren mit sich, und viele müssen sie auch heute ertragen. Was den Menschen in unseren Tagen auf der Seele liegt, ist sicherlich anders als die Probleme, die einem König im alten Israel 1000 Jahre vor Christus das Leben schwer gemacht haben. Aber die Frage, wie ich damit umgehen soll, scheint mir die gleiche zu sein. Ich kann mich nur jemandem anvertrauen, der mir wirklich zuhört. Jemandem, dem ich vertraue, und dem ich mein Herz öffnen kann.

3 Herr, sei mir gnädig; denn ich rufe täglich zu dir.  4 Erfreue die Seele deines Knechts; denn nach dir, Herr, verlangt mich. 5 Denn du, Herr, bist gut und gnädig, von großer Güte allen, die dich anrufen.

Die Hilferufe, die im Psalm wiedergegeben werden, drücken Vertrauen aus. Gott ist für den Beter kein Unbekannter. Jeden Tag ist er mit Gott durch das Gebet im Gespräch, das führt zu einer großen Nähe, und das ist die Grundlage für Vertrauen. So wird aus Vertrauen ein tiefer Glaube. Und dieser Glaube ermöglicht eine innere Freude. Mit dieser Freude kann ich dann auch Ratschläge annehmen, die mir durch das Gebet vermittelt werden. Dann kann ich die Hindernisse, die mir den guten Start in den Tag verbauen, Schritt für Schritt aus dem Weg räumen. Und mit der Freude des Glaubens, die mich trägt, kann ich dann sogar das schwerste Problem zuerst angehen. Dann ist dieser Ratschlag für mich auch keine daher gesagte Lebensweisheit wie aus einem gedruckten Ratgeber für alle Lebenslagen.

Das Gespräch mit Gott hat mir die Angst genommen, dass bei mir die Luft raus ist. Die Freude des Glaubens, die mir Gott so ermöglicht, ist die Antwort auf mein Gebet zu ihm, so wie es im Psalm steht:

6 Vernimm, HERR, mein Gebet und merke auf die Stimme meines Flehens! 7 In der Not rufe ich dich an; du wollest mich erhören!

Ein tiefes Gefühl sagt mir, Gott hat mein Gebet erhört. Er begleitet mein Leben und lässt mich nicht allein. Er hat mein Leben geschaffen und will auch, dass ich dieses Leben bewältigen kann.

Nein, die Luft ist nicht raus aus mir. Gott hat die entstandene Leere mit seinem Atem gefüllt. Von diesem Atem erzählt die Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel: „Da nahm Gott, der HERR, Staub von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen.“ (1. Mose 2,7 GNB)

Und so wie Gott mit seinem Atem einen lebendigen Menschen geschaffen hat, so kann er mich auch immer neu mit seinem Geist beatmen. Dieser Geist erfüllt mich wieder mit Leben, so kann ich mein Leben wieder mit Gott gestalten.

Der Psalmbeter richtet sein Gebet an den lebendigen Gott: 11 „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.“

Der Beter spricht über den Namen Gottes, aber er nennt ihn nicht. Der Name Gottes hat eine besondere Würde. „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen!“, so heißt es in den zehn Geboten (2. Mose 20,7). Das hat das Volk Gottes dazu gebracht, den Namen niemals auszusprechen, sondern stattdessen immer einen anderen ehrenvollen Ausdruck zu nennen. Martin Luther hat das beim Übersetzen der Bibel respektiert. Er schreibt immer dort den Ausdruck „Herr“, wo in der hebräischen Bibel der Name Gottes steht, so wie hier:

12 Ich danke dir, Herr, mein Gott, von ganzem Herzen und ehre deinen Namen ewiglich.

Für mich heißt das: Wer zu Gott betet, braucht nicht viele Worte zu machen, er muss nur das eine Wort in Ehren halten, den Namen Gottes. Und auf diese Weise darf er sich Gott vollkommen anvertrauen. Dies ist mir besonders in einer Geschichte deutlich geworden, die der Schweizer Pfarrer Kurt Marti überliefert hat:

Rabbi Chama war ein gelehrter Gottesmann. Er hatte in Schriften seinen Glauben zum Ausdruck gebracht. Doch in der Mitte seines Lebens fragte er sich, ob manche dieser Gedanken Gott wirklich gerecht werden. Mit Fleiß begann er in seinen eigenen Büchern vieles durchzustreichen, von dem er nicht mehr uneingeschränkt überzeugt war, bis er schließlich alle seine Schriften vernichtet hatte. Dennoch war er bis zum Ende seines Lebens fröhlich und heiter. Seine Schüler fanden bei ihm später nur einen Zettel, auf dem stand: „Der Name, geheiligt sei er!“ und sie erkannten: „In dem einen und heilig-unaussprechlichen Namen Gottes blieb alles bewahrt und gegenwärtig, was ihr Lehrer gelebt, geglaubt, gedacht hatte.“ (nach: Kurt Marti, Fromme Geschichten, Stuttgart 1994, Seite 69.)

Diese Geschichte zeigt mir: Das eigene Wort steht hinter dem Namen Gottes zurück, auch im Gebet. Wenn ich zu Gott spreche, brauche ich nicht viele Worte, sondern tiefen Glauben und großes Vertrauen. Wenn ich diesen Glauben in mir spüre, erfahre ich von Gott Hilfe zum Leben.

Doch manchmal spüre ich nicht nur den Atem Gottes, sondern erfahre kräftigen Gegenwind von Menschen, die dem Glauben fern sind. So erging es auch David, wie er im Psalm schreibt:

14 Gott, es erheben sich die Stolzen gegen mich […] und haben dich nicht vor Augen.

In solchen Situationen hilft nur noch Beten:

17 Tu ein Zeichen an mir, dass mir’s wohl gehe, dass es sehen, die mich hassen, und sich schämen, weil du mir beistehst, HERR, und mich tröstest.

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Kommentare (2)

Wolf Dieter W. /

Die Bibel Worte geben Kraft, Mut und Zuversicht. Doch noch besser ist es, man denkt dabei einen bestimmten, lieben Menschen.

Wolf Dieter W. /

Die Bibel Worte geben Trost und Zuversicht.