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/ Wort zum Tag

Zugang zu Gott

Ulrich Ahrens über Psalm 22,2.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

Psalm 22,2

Diese Worte lassen mich unvermittelt an Karfreitag denken. Dieses Gebet aus Psalm 22 betet, ja schrie Jesus am Kreuz heraus im letzten Moment, bevor er elendig starb.

Jesus war zuhause im Wort Gottes des Alten Testaments. So wurden diese Worte der alttestamentlichen Gemeinde ihm zur Hilfe, sein Leid herauszuschreien.

In vielen Jahren und Jahrzehnten zuvor schon war dieses Lied Unzähligen zur Hilfe geworden. In was für einer großen Not auch immer sie waren, sie konnten ihr Leid mit Hilfe dieses Psalms in Worte fassen.

Was für ein Leid, was für eine Last muss dies sein, wenn ein Mensch seine Not nur noch so aus sich herausbrüllen kann, wie das in diesem Psalm geschieht!

Es mag unheilbare Krankheit sein. Es mag die Einsamkeit sein, die nicht auszuhalten ist. Oder sogar körperlich spürbare Anfeindung durch andere Menschen.

Doch letztlich besteht die eigentliche Not nicht in diesen Schicksalslagen. Das, was wirklich Not macht und zu diesem Verzweiflungsschrei führt: Der Gott, dem man sich anvertraut hatte, ist so unendlich weit weg. Da scheint kein Zugang mehr zu sein. Da ist nur noch Ferne, unendliche Ferne.

„Wo ist nun dein Gott?“ - so wird ein Beter an anderer Stelle spöttisch gefragt. „Der kann offenbar jetzt nicht mehr helfen. Aussichtslos bist du auf dich allein gestellt.“

Eine solche Erfahrung ist ganz bitter. Menschen der Bibel und Christen bis heute machten diese belastende Erfahrung. Und keiner bewahrt mich davor, dass dergleichen auch mir noch widerfahren könnte.

Das ganze Volk Israel hat diese Erfahrung gemacht: Gott bemerkt ihnen gegenüber einmal: „Ich habe dich für einen kleinen Augenblick verlassen…“

Wir können tatsächlich Gottes Handeln nicht immer verstehen. Gott ist in seinem Tun für uns unverfügbar. Wir haben auch kein Recht, ihn zu hinterfragen. Wir können Gott auch nichts vorschreiben oder ihn gar drängen, jetzt endlich zu handeln, weil es uns so und so ergeht.

Kein Geringerer als der Prophet Jeremia wäre sogar fast an Gott irre geworden. Der Psalm endet insofern im Dunkeln, ohne dass diese Frage danach, wo Gottes Hilfe bleibt, beantwortet würde.

Doch trotz dieser Ferne Gottes, die der Beter durchleidet – er ruft Gott an mit einer erstaunlichen Anrede: Eli, Eli, mein Gott, mein Gott – so schreit er es hinaus.

Mit dieser Anrede an seinen Gott ruft der Beter den an, der seinem Volk einst diese feste Zusage gegeben hatte: „Ihr sollt mein Eigentum sein!“  Sein Schrei zu Gott erinnert seinen Gott an diese ewige Zusage, die er jetzt ganz persönlich in Anspruch nimmt.

Obwohl er im Augenblick seinen Gott so fern erlebt, weiß er doch: Gottes Zusage steht! Er ist der, der sein Wort nicht bricht.

Eine eigenartige Mischung: hier die Verzweiflung über die Ferne Gottes – und dort ein sich stellen auf den Bund, den Gott mit seinen Leuten geschlossen hat. Den Gott selbst nicht aufgibt. Niemals!

Darum denkt der Beter zurück und bringt seinem Gott vor, was er doch in der Vergangenheit Großartiges getan hat für die, die ihm gehören. Er schöpft Hoffnung und Vertrauen aus der Tatsache, dass die Väter Israels auf ihr Klagegebet hin doch Antwort und Rettung erfuhren.

Und schließlich erlebt er es sogar persönlich, was im Buch des Propheten Jesaja so klingt: „Für eine kleine Weile habe ich dich verlassen. Aber mein Erbarmen mit dir ist so groß, dass ich dich wieder heimhole.“ (Jesaja 54, 7 BasisBibel)

Davon will er seinen Brüdern und Schwestern erzählen, im Kreis der Gemeinde will er seinen Gott loben.

Schwere Tage und schwere Last wünscht sich niemand von uns. Doch leider müssen manche solche Wege gehen. Dann scheint Gott fern zu sein, weil wir meinen, unser Gebet hülfe nicht.

Die Erfahrung des Beters des Psalm 22 jedoch macht mir Mut, trotz allem das Vertrauen nicht aufzugeben und zu rufen: „Du bist doch mein Gott“ – mein Gott, der einmal seine Zusage gegeben hat und daran in aller Ewigkeit festhält. Unabhängig davon, wie mein Tag gerade aussieht. Er ist und bleibt mein Gott.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Sigrid K. /

Lieber Bruder Ahrens, danke, für Ihe sehr einfühlsamen Worte.
Solche Zeiten der scheinbaren Gott Verlassenheit kenne ich gut.
Wenn ich sie durchleben musste war schlimm! Das „ dennoch bleibe ich mehr

Doris K. /

Guten Morgen!
Ihre Andacht hat mich sehr angesprochen, da ich selbst auch gerade in einer schwierigen Situation bin, (Krebserkrankung und meine Ehe).
Jedenfalls zeigt es mir einmal mehr, dass ich mehr