/ Anstoß - Gedanken zum Tag
Teil des Ganzen
Markus Baum über Matthäus 27,32.
Und als sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug.
Der Weg zum Richtplatz vor den Mauern von Jerusalem ist gewunden, das Pflaster grob, schon innerhalb der Stadtmauer geht es mal steil bergauf, dann wieder bergab. Auch gesunde, leistungsfähige Menschen müssen da genau auf ihre Schritte achten. Erst recht ist der Weg eine Herausforderung für einen erschöpften, dehydrierten Menschen, der kurz vorher noch die Tortur der Geißelung über sich ergehen lassen musste. Und nun auch noch den Kreuzbalken zu schleppen hat.
Dreimal, so sagt es die Überlieferung, dreimal ist Jesus von Nazareth, der Wanderprediger, der Wundertäter, der Rabbi, auf dem Weg nach Golgata gestrauchelt, gestürzt, zusammengebrochen unter der Last. Beim dritten Mal hat das Hinrichtungskommando ein Einsehen: So wird das nichts. Das Problem muss rasch gelöst werden – und wird gelöst. Mit Zwang. Wie steht's im Matthäusevangelium Kapitel 27: „Unterwegs trafen sie einen Mann… - den zwangen sie, den Kreuzbalken zu tragen.“ Simon heißt der Mann, kommt gerade von der Feldarbeit, ist also eher zufällig am Ort und kommt auch gar nicht aus Jerusalem; er stammt aus der Cyrenaika, also aus Libyen.
Dass wir heute noch seinen Namen kennen, sogar Einzelheiten über seine Familie, das ist ein Hinweis: So schecklich die Umstände waren - diese Begegnung mit Jesus war schicksalhaft für Simon. Er ist Teil der Passionsgeschichte geworden. Teil der Heilsgeschichte. Teil des Ganzen. Eine Generation später sind seine Söhne namentlich in den ersten christlichen Gemeinden bekannt. Offensichtlich hat Jesus das Leben des Mannes weit über diesen dunklen Tag der Weltgeschichte hinaus geprägt.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Sehr geehrter Herr Baum,
das der Weg zur Hinrichtung eine Tortur für Jesus gewesen sein muss, darin stimme ich Ihnen zu. Doch wie kommen Sie darauf, dass Jesus 3-mal auf dem Weg zur Kreuzigung … mehrgestolpert ist? In meiner Bibel lese ich so etwas nicht.
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Heike D.
Sehr geehrte Frau D.,
Sie haben recht - in den vier Evangelien wird der Weg, den Jesus von der Residenz des Pilatus zum Galgenberg gehen musste - der buchstäbliche Kreuzweg - nicht ausführlich beschrieben. Dass Jesus unter dem Kreuz, genauer: unter dem Kreuzbalken, zusammengebrochen ist - das berichten gleichermaßen die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas. So hat Simon von Cyrene Eingang in die Passionsgeschichte gefunden.
Außerbiblisch ist einiges mehr überliefert, manches glaubwürdig, anderes eher legendenhaft. Vieles von diesem außerbiblisch Überlieferten hat sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt, verstärkt durch einschlägige Gemälde, durch altkirchliche oder hochmittelalterliche Meditationstexte, durch Literatur, durch Passionsspiele und im 20. Jahrhundert dann auch durch Filme.
Dass Jesus in den engen, an manchen Stellen steilen bzw. abschüssigen Gassen Jerusalems mehr als nur einmal gestrauchelt ist unter der Last des Kreuzbalkens, ist mehr als nur wahrscheinlich - und es ist Teil der sehr alten Tradition der Kreuzwegsprozessionen. Bei Kreuzwegen mit 14 Stationen fällt Jesus dreimal - zusätzlich zu dem einen Mal, wo Simon zur Unterstützung zwangsverpflichtet wird. Allerdings scheint die Abfolge der 14 Stationen eher liturgisch begründet und nicht logisch. Als Simon gezwungen wird, den Kreuzbalken zu schultern, liegt der längste Teil des Weges zur Hinrichtungsstätte schon hinter Jesus. Die Pointe liegt auf Simon, dem Kreuzträger, und auf der Tatsache, dass Jesus es ohne dessen Unterstützung noch nicht einmal bis zum Richtplatz geschafft hätte.