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Sehen, trösten, gehen

Ruth Bai-Pfeifer über Apostelgeschichte 16,40.

Da gingen Paulus und Silas aus dem Gefängnis und gingen zu der Lydia. Und als sie die Brüder und Schwestern gesehen und sie getröstet hatten, zogen sie fort.

Apostelgeschichte 16,40

Im Frühling dieses Jahres erhielt ich ein E-Mail von meiner Freundin aus den USA. Ihre schwer behinderte Tochter war ganz unerwartet gestorben. Ich spürte ihren tiefen Schmerz und ihre Trauer aus jeder Zeile des Mails. Beim Lesen wünschte ich mir, näher bei ihr zu sein und sie schnell besuchen zu können. Ich hatte das Bedürfnis, sie zu sehen, sie zu umarmen und mit ihr über diesen grossen Verlust und ihre Gefühle zu sprechen.

Ist es nicht so? Wenn jemand in unserem näheren Bekanntenkreis etwas Schweres erlebt, haben wir das Bedürfnis, möglichst bald eine Begegnung mit dieser Person zu haben: Wir wollen bei ihr sein, sie ermutigen und trösten.

Dem Apostel Paulus ging es genau so, als er in Philippi im Gefängnis saß. Weil er eine junge Sklavin im Gebet von Dämonen befreit hatte, wurde er ins Gefängnis gesteckt. Er hatte nichts verbrochen. Er hatte nichts getan, was falsch war. Weil die Frau aber nicht mehr wahrsagen konnte, versiegte für den Besitzer der Sklavin eine wichtige Geldquelle. Es kam zu einem Aufruhr in der Stadt. Aus Wut und Rache wurden Paulus und Silas hinter Schloss und Riegel gesetzt. Da saßen sie nun in der sichersten Zelle des Gefängnisses: misshandelt, verprügelt, verwundet und ungerecht behandelt. Ihre Gefühle fuhren zweifellos Achterbahn.

Kurz zuvor hatten sie in Philippi einen geistlichen Aufbruch erlebt. Menschen waren zum Glauben gekommen und eine kleine Gemeinde rund um die Purpurkrämerin Lydia war entstanden. Und jetzt das! Die Gläubigen von Philippi hatten alles miterlebt und waren geschockt. Aber Paulus und Silas ließen sich nicht unterkriegen. Die beiden Gefangenen entschieden sich – trotz allem Unverständnis – Gott anzubeten und ihm Loblieder zu singen. Sie sangen und beteten gegen die Angst, laut und inbrünstig. In ihrem Hinterkopf hatten sie vielleicht das Bild der jungen Gemeinde rund um Lydia, die jetzt traurig und entmutigt war.

Plötzlich bebte die Erde, ihre Ketten sprangen auf, und die Türen des Gefängnisses öffneten sich. Paulus und Silas waren plötzlich frei. Sie hätten eigentlich fliehen können. Aber sie blieben im Gefängnis und stellten sich dem Gefängnisaufseher. Dieser wollte sich wegen des Vorfalls umbringen, aber sie konnten ihn daran hindern. Nachdem sich auch noch der Gefängnisaufseher und seine Familie bekehrt hatten, gingen Paulus und Silas zuerst zum Hause der Lydia. Diesen Moment beschreibt unser heutiger Vers des Tages:

Da gingen Paulus und Silas aus dem Gefängnis und gingen zu der Lydia. Und als sie die Brüder und Schwestern gesehen und sie getröstet hatten, zogen sie fort.“ (Apg. 16,40).

Paulus und Silas gingen zu den Gläubigen. Sie wollten sie sehen, sich ihnen zeigen und erzählen, was sie alles erlebt haben. So konnten sie die Gemeinde trösten. Erst dann zogen sie weiter. Auch wir brauchen ab und zu jemanden, der uns besucht und tröstet. Und ein anderes Mal sind wir aufgefordert, jemanden zu besuchen und zu trösten – vielleicht gerade heute. Unser Sehen, Trösten und Weitergehen: Wer in unserm Umfeld könnte das gerade heute brauchen?

Übrigens: Ich werde meine Freundin in den USA nächstes Jahr besuchen. Ich möchte sie sehen, trösten und mit ihr zusammen Zeit verbringen. Bevor sich unsere Wege dann wieder trennen werden.

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