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Riskant

Christoph Wolf über Psalm 5,2.3.

HERR, höre meine Worte, merke auf mein Seufzen! Vernimm mein Schreien; denn ich will zu dir beten.

Psalm 5,2.3

Die Losung der Herrnhuter Gemeine aus Psalm 5, Verse 2-3 lautet:

HERR, höre meine Worte, merke auf mein Seufzen! Vernimm mein Schreien; denn ich will zu dir beten.“

Ich sehe ihn vor mir. Mit letzter Kraft hat er es bis in den Hof des Tempels geschafft. Nun liegt er dort mit dem Gesicht zur Erde, die Hände weit ausgebreitet und schreit zu Gott: „HERR, höre meine Worte, merke auf mein Seufzen! Vernimm mein Schreien; denn ich will zu dir beten.“ Aus seinem Seufzen ist ein Schreien geworden. Die Not muss groß sein und die Erwartung an die Hilfe Gottes noch größer. Ihm allein traut er zu, seine Situation zu kennen. Ihm allein traut er Hilfe und Rettung zu.

Wer so schreit und wer solche Erwartungen hat, der muss auch Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Was sonst könnte ihn ermutigen, sich in seiner Not so ausschließlich an Gott zu wenden; ihn anzuflehen und alles von ihm zu erwarten?

Der Beter des Psalms hat diese Erfahrungen mit Gott offenbar gemacht. Und er bringt sie sich selbst in Erinnerung und er erinnert Gott daran: Du bist ein Gott, dem Unrecht missfällt, der Schlechtigkeit nicht übersieht. Du verachtest Lügner und Übeltäter. Falschheit und Rachegedanken verabscheust du. Im Psalm 5 können Sie nachlesen, was der Beter alles aufzählt. Aber er redet nicht nur von dem, was Gott verabscheut, sondern er redet auch von den guten Erfahrungen, die er selbst mit Gott gemacht hat, mit seiner Treue, seiner Führung und Bewahrung. Der Beter weiß: Gott ist ein Gott, der mich sieht, der mich hört und der es gut mit mir meint. Deshalb kann er sich mit all seiner Not Gott auch voll Vertrauen überlassen. Das nennt man glauben.

Wer in eine Notlage gerät, auch wenn sie vielleicht gar nicht so dramatisch ist, wie die des Beters, der muss wissen, an wen er sich wenden kann in seiner Not und warum. Die Erfahrung kann er nicht erst dann machen, er muss sie mitbringen. Es heißt „Not lehrt beten“, das mag ja stimmen. Aber die Frage bleibt: an wen wende ich mich in der Not und warum? Mitunter führt die Not ja auch in die Verzweiflung und lehrt eher fluchen als beten.

Wird sich ein Mensch voll Vertrauen an Gott wenden, wenn Gott bisher in seinem Leben keine Rolle gespielt hat? Wenn er keine Erfahrungen mit Gott gemacht hat? Vertrauen aus dem Nichts heraus? Gott als Notnagel oder Strohhalm, an den man sich klammert, weil sonst nichts mehr hilft? Gott kann auch dann rettend eingreifen. Aber ehrlich, mir wäre das zu unsicher.

Der südafrikanische Geistliche und Menschenrechtler Desmond Tutu hat einmal gesagt: „Natürlich ist Glaube ein Risiko – aber eines, ohne das zu leben, ich nicht riskieren würde.“ Und ehrlich, ich möchte das auch nicht riskieren.

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Kommentare (5)

Hans-Heinrich S. /

Kleine Korrektur erbeten: Desmond Tutu war SüdAFRIKANER.

Simon /

Danke für den Denkanstoß, aber ich habe zwei kleine kritische Einwände:
1.Dieser Psalm ist wahrscheinlich von David und da gab es keinen Tempel in Jerusalem, den bekanntlich erst Salomo bauen durfte.
2. Desmond Tutu war Südafrikaner. War bestimmt keine böse Absicht.

Jörg L. /

Mir haben die beiden Beiträge von Herrn Wolf gut gefallen. Er spricht den Kontext mit an und hinterfragt feinfühlig. Auch sein Redetempo finde ich angenehm.

Norbert H. /

Hallo, Desmond Tutu ist aus Südafrika und nicht aus Südamerika.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert H.

Gerhard B. /

Großartig ! : Dieses Bibelwort so toll „auslegen“, verkündigen zu dürfen.
Gibt Kraft, da: „Aus der Praxis - für die Praxis“.
Danke.