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/ Wort zum Tag

Kein Grund zum Neid – Freude soll geteilt werden

Rolf Hille über Matthäus 20,10-12.

Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben.

Matthäus 20,10-12

Im Hintergrund ist verhaltenes Murmeln zu hören. Doch dann vernimmt man laute Rufe der Begeisterung. Zahlen schwirren durch den Raum. Bilanzen werden hochgerechnet. Die Leute sind aus dem Häuschen. Das ist doch ein Sechser im Lotto. Wenn man bedenkt, dass für eine Arbeitsstunde ein veritabler Silbergroschen ausbezahlt wird, dann müssen bei zehn Stunden mindestens fünf Silberstücke herausspringen – eigentlich weit mehr.

Aber nichts dergleichen. Als sie nacheinander ins Lohnbüro kommen, werden die Gesichter immer länger. Werden am Ende alle über einen Kamm geschert? Jeder bekommt seinen Silbergroschen, und zwar egal, ob sie einen langen Tag in der heißen Sonne geschuftet haben oder erst kurz vor Feierabend eingestellt wurden. Das ist nicht fair. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Jetzt schlägt die Stimmung um. Widerspruch wird laut. So geht das wirklich nicht.

Im heutigen Bibeltext aus Matthäus 20,10-12 erzählt Jesus eine Skandalgeschichte: „Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.“

Wenn Menschen den Eindruck gewinnen, sie würden ungerecht behandelt, dann hört die Freundschaft schnell auf. Das ist schon bei Kindern so.

Beim Einstellungsgespräch waren alle hoch zufrieden. Ein Silbergroschen, das ist ein großzügiger Tageslohn. Damit kann man eine große Familie satt bekommen und am Ende bleibt sogar noch etwas übrig. Der Gutsherr geht Stunde für Stunde auf den Marktplatz, um zusätzliche Arbeitskräfte anzuheuern. Er verspricht jedem gerechte Bezahlung und sie sind damit einverstanden.

Am Abend fängt er damit an, die zuletzt Gekommenen auszuzahlen – und zwar jeden mit einem Silberstück. Das ist sensationell. Eine Lohnerhöhung um tausend Prozent. Die Leute auf dem Hof sind elektrisiert. Was werden dann diejenigen bekommen, die schon bei der Frühschicht eingestiegen sind? Aber dann die Enttäuschung – auch nur ein Silbergroschen? Jetzt gibt es heftigen Protest. Der Chef weist die Klagen freundlich - aber bestimmt - zurück. Dieser Lohn war vereinbart und diesen Lohn habt ihr auch erhalten. Wenn ich weit über Tarif bezahle, dann ist das meine freie Entscheidung. Warum rebelliert ihr, nur weil ich so großzügig bin?

Gott rechnet anders als wir Menschen. Er bemisst das Entgelt nicht nach Arbeitsstunden und Leistung, sondern nach seiner überschwänglichen Güte. Neider werden abgewiesen. Alle haben Grund zur Dankbarkeit. Der mittelalterliche Kirchenlehrer Thomas von Aquin stellt treffend fest: „Neid ist die Traurigkeit über das Wohlergehen eines anderen.“ In dem Gleichnis fragt der Besitzer: „Ist dein Auge böse, weil ich so gut bin?“ Bei Gott ergeht Gnade vor Recht. Allen Beteiligten ist Gerechtigkeit widerfahren. Aber viele dürfen staunen, weil Gott sie unverhofft mit Güte überschüttet.

Und wir? Stimmen wir Gottes Freundlichkeit zu? Gönnen wir allen, die im Weinberg des Herrn arbeiten, das Übermaß göttlicher Gnade? Denn wer sich nicht an Gottes Barmherzigkeit mit anderen freuen kann, der lehnt seinen Nächsten im Grunde seines Herzens ab. Er pocht auf sein Verdienst und ärgert sich über Gottes Gnade.

Gehen Sie, liebe Hörerin und lieber Hörer, heute in diesen Tag mit der frohen Zuversicht, dass es ein Vorrecht ist, dem himmlischen Vater zu dienen.

Amen.

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Kommentare (2)

Wolfgang H. /

Danke für die Erinnerung, wie gut es uns geht, egal wo wir hier in Deutschland sind. Wir vergessen so schnell.

Rainer /

"Allen Beteiligten ist Gerechtigkeit widerfahren. Aber viele dürfen staunen, weil Gott sie unverhofft mit Güte überschüttet."
Ich finde das trifft den Kern sehr gut. Alle sind nach den Maßstäben von mehr