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Jakobus 5,11

"Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ende es der Herr geführt hat; denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer."

Jakobus 5,11

Gelebte Vorbilder prägen – und erziehen – viel stärker als alle möglichen Tipps, Hinweise und Regeln. Wer Kinder hat, weiß das. Ich erinnere mich noch sehr gut: Wir haben unseren Jungen deutlich zu machen versucht, dass man mit Waffen Menschen töten kann und wir deswegen auch keine Spielzeugwaffen im Haus haben wollen. Das Ergebnis: Irgendwann haben sie sich Pistolen aus Legosteinen gebaut. Offenbar war das, was sie anderswo gesehen haben, stärker als unsere Worte.
Diese Einsicht machen sich viele zunutze – nicht zuletzt Christen. Die Regale christlicher Buchhandlungen sind gefüllt mit Lebensbildern und Biographien und Berichten von besonderen Lebenserfahrungen. Und was es nicht bis zu einem gedruckten Buch schafft, findet am Ende seinen Weg wenigstens in eine christliche Zeitschrift. Leben, Eindrücke aus dem Alltag, die Praxis – dies scheint der beste Weg zu sein, um zu beschreiben, was das Christsein ausmacht.
Der Text für heute aus dem Jakobusbrief liegt also voll im Trend: „Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ende es der Herr geführt hat; denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer“. Eingeleitet wird der Abschnitt mit der Aufforderung: „Nehmt die Propheten zum Vorbild des Leidens und der Geduld!“ In diesem Zusammenhang findet auch Hiob seine Erwähnung.
Nun mal ganz ehrlich: Wollen Sie sich Hiob wirklich zum Vorbild nehmen?  Sicher, jeder hat seine mehr oder weniger großen „Hiobserfahrungen“. Aber: Alle Kinder weg? Die Frau weg (wenigstens innerlich)? Aller Besitz weg? Die Gesundheit weg? – Nur wenige werden solch ein umfassendes Leid erdulden müssen. Aber auch viel geringere  Schwierigkeiten können uns an den Rand unserer Kraft bringen. In solch einer Not auf Hiob zu verweisen, kann dann geradezu das Gegenteil bewirken: „Solch ein Held im Glauben und in der Geduld bin ich nicht. Aber offensichtlich soll ich mir Hiob zum Vorbild nehmen!“
Vorbilder sind nicht nur hilfreich, sondern häufig auch absolute Stressfaktoren. Da ist die  „wunderbare Familie“ in der Gemeinde, in der alles klappt: die Kinder benehmen sich, sind gut erzogen, sind gut in der Schule und dazu mit Eifer im Jugendkreis dabei – zumindest sieht es nach außen so aus! Wie sieht es dagegen bei uns in der Familie aus? Die vielen kleinen und größeren Reibereien, der tägliche Ärger mit den Heranwachsenden, die Ungeduld, die einen überfällt – all dies scheint ja nur bei mir und in meiner direkten Umgebung der Fall zu sein!
Warum werde ich nicht von dem befreit, was mich gefangen hält? Warum kommt bei mir – im Übrigen wie bei Hiob – vielleicht noch das eine oder andere hinzu? Glaube ich fest genug? Habe ich die nötige Geduld?
Da möchte  ich am liebsten den Satz aus dem Jakobusbrief ausstreichen! Vielleicht reicht es aber auch aus, nur etwas genauer hinzuschauen: Worauf läuft alles hinaus? Auf den einen Satz, der die ganze Hiobsgeschichte zusammenfasst: „Der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer!“
Hiob ist ja keineswegs ein Vorbild an Geduld und Glauben. Er klagt Gott an! Er sieht keinen anderen Ausweg, als zu sterben. Seine Freunde, die ein – ach so großes – Vorbild der Rechtgläubigkeit sind, lässt er reden, bis er es nicht mehr aushält. Er fährt ihnen über den Mund: „Was schwatzt ihr für ein unnützes Zeug? (Hi 26,12). Das alles stimmt mit meiner Wirklichkeit nicht überein!“
Wie steht es nun mit dem Vorbild Hiob? Er ist ehrlich. Er lässt sich nichts vormachen und macht sich auch selbst nichts vor. Er ist am Ende seiner Weisheit! – Und das ist gut so! So erlebt er Gott neu! Und zwar als denjenigen, der sich erbarmt. Dieses Erbarmen ist nicht ein Ergebnis von Hiobs Geduld, die er gar nicht hat, auch nicht seines Glaubens, dass Gott am Ende doch hilft; auch diesen hat er nicht mehr. Er erlebt Gott neu, weil Gott mit seinem Erbarmen Hiob entgegen kommt. Erst so ist aller Stress weg – nicht die Not, aber der Stress! Dass zum Schluss auch die Not ein Ende hat, ist nicht das Ziel der Geschichte, sondern noch der „Sahneklecks“ obendrauf.
Gott erbarmt sich – über uns und auch über die noch so großen wirklichen oder scheinbaren Vorbilder. Dies ist die Botschaft, die Jakobus uns heute mitgeben will.
 

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