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/ Wort zum Tag

Inbegriff des Sünders

Ansgar Hörsting über Lukas 18,13.

Der Zöllner stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Lukas 18,13

Da steht er. Ein Zöllner, Inbegriff des Sünders im Neuen Testament, Kollaborateur mit den verhassten Römern, Profiteur des Steuereintreibens, Unrein. Er geht zum Tempel, aber sieht ein, dass er dort nicht hinpasst. Der Heilige Gott und der Sünder, das sind zwei Welten, deswegen bittet er um Gnade.

Der andere steht auch da. Der fromme Pharisäer, der die Gebote hält. Gut so. Sein Problem, er bildet sich etwas drauf ein. Er vertraut seiner Frömmigkeit und missachtet den Sünder.

Jesus erzählt die Geschichte, weil er mit genau solchen Leuten umgeben ist. Seine Quintessenz lautet: Der Zöllner geht gerecht nach Hause. Er empfängt Gnade und die reicht aus, um ihn vor Gott gerecht zu machen. Der Pharisäer bleibt bei sich, weil er auf sich vertraut und ist von Gott weit entfernt.

Man könnte sich darüber aufregen. Man könnte mit guten Gründen sagen: Jesus, förderst du damit nicht das Sündersein. Ist das nicht billig? Die Leute werden ja immer so weitermachen, mit ihren schlechten Taten. Sie werden Geld in die eigene Tasche stecken, Morden, Menschen unterdrücken, ausbeuten und ihnen schaden. Du hättest den Pharisäer mehr loben können.

Und man könnte fragen: was passiert eigentlich nach der Szene. Erzähl mal weiter? Wird der Zöllner seinen Job schmeißen, oder macht er weiter, um nächste Woche wieder um Gnade zu bitten? Wie lang soll das so gehen? Ist das nicht fahrlässig. Förderst du damit nicht geradezu die Ausbeuterei und unheiligen Allianzen mit den Mächtigen? Der Zöllner muss den Job schmeißen, sonst verdient er die Gnade nicht. Ist das auch Ihre Reaktion?

Von all dem erzählt Jesus nichts. Ist es Fahrlässigkeit? Kennt er das Herz der Menschen nicht?
Doch, er kennt es, und zielt genau darauf ab.
Das macht er ständig. Und so steht die Frage im Raum:Wie ist deine Haltung? Selbstgerecht und überheblich?
Oder demütig, um Gnade bittend, nicht verurteilend.
Es geht nicht darum, das Sündigen schön zu reden.
Aber es geht darum, den Sünder nicht von oben herab zu verurteilen.

Und heute? Im Jahr 2023?

Nun, wir sprechen nicht von Sünde. Wer kommt denn heutzutage auf die Idee und sagt zu Gott: Ich bin ein Sünder. Sei mir gnädig. Martin Luther suchte einen gnädigen Gott. Wir suchen Achtsamkeit und Frieden, aber ohne Gott. Wir suchen unsere Rechte, aber keine Gnade. Wir suchen spirituelle Momente, aber keinen heiligen Gott.

Deswegen erscheint der Text fremd. Aber vielleicht sagt er gerade deswegen, was wir dringend brauchen, ohne es zu wissen. Nämlich die Erkenntnis, dass wir Sünder sind. Und das heißt: wir sind getrennt von Gott. So sehr, dass wir uns nicht aus eigener Kraft und Wohlverhalten mit ihm verbinden können. So sehr, dass Jesus Christus sterben musste. Er starb für die Sünden der Welt. In ihm finden wir den gnädigen Gott.

Zweitens: überhebliche Verachtung des verwerflich Handelnden ist allerorts zu finden – und menschlich. Der Pharisäer tat es. Und wir tun es. Abhängig davon, welche politische oder weltanschauliche Meinung wir haben, verachten viele den SUV-Fahrer oder Würstchenesser. Oder den Menschen, der sich nicht im Griff hat, sei es im Sexualverhalten oder beim Essen. Die zu Dicken oder zu Dünnen, die Ungebildeten, die AfD-Wähler, die roten Socken, die bürgerlichen Spießer. Die Liste ist unendlich. Wir schauen herab auf andere, und fühlen uns dadurch besser!

Übrigens: All diese Verurteilungen entstehen, weil wir Werte haben. Wir sagen, dass das eine gut, das andere schlecht ist. Das ist normal und nötig. Wer sich ethisch orientieren will, braucht das.

Jesus aber erzählt diese Geschichte, um seinen Zuhörern deutlich zu machen.

Sucht euer Heil, euren Frieden und euer Leben nicht bei euch selbst, sondern in der Gnade Gottes. Wer das tut, wird bescheiden und hört auf, andere von oben zu verurteilen.

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Anstoß

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Kommentare (6)

Mina W. /

Sehr deutliche Andacht,vielen Dank. War sehr lehrreich. Herr segne sie für die Verbreitung des Gottes Wortes.

Pfr. i. R. Dietrich T. /

Eine super Andacht. Weil sie versucht den Text konkret in heutige Zeit umzusetzen. Der Biblische Text wurde weiter gedacht und zur Sprache
gebracht. Danke dafür. Jesus segne den Verkünder weiterhin so stark.
Nochmals Danke ! Dietrich T./ Pfr. i.R. aus Groß Kreutz b. Brdbg./Havel

Ann /

Danke!
So ehrlich und klar!
Ohne um den heißen Brei herumzureden.
Das rückt mich zurecht.
Gott, sei mir Sünder gnädig.

A. J. /

Ausgesprochen gut. Vielen Dank!

Gisela K. /

Sehr gut. Sehr eindrücklich. Vielen Dank für den guten Impuls.

Volker B. /

Vielen Dank für dieses Zurecht weisen! Werde versuchen es zu beherzigen!