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Hoch hinaus

Hartmut Bärend über Psalm 51,19.

Ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

Psalm 51,19

Auf dem Vorplatz des Kulturbahnhofs in Kassel steht das Kunstwerk "Man Walking to the Sky" von Jonathan Borofsky. Mann, der in den Himmel läuft. Es wurde im Jahr 1992 zur documenta 9 errichtet. Bei mir steht es auch schon seit Jahren als Miniaturausgabe im Bücherschrank. Es zeigt einen Mann, der auf einem schlanken Rohr nach oben steigt, immer weiter. Die Gefahr, abzustürzen ist immer gegeben, aber sie scheint den Menschen da auf dem Rohr nicht zu schrecken. In „blindem Fortschrittsoptimismus strebt der Mann gen Himmel, ohne sich um die Umstände seines Vorwärtsstürmens zu kümmern“, heißt es in einer Beschreibung des Werkes.

Erstaunlich, dass die Stadt Kassel dieses Kunstwerk solange ertragen hat, ja offenbar nach wie vor will. Es ist sogar zu einer Art Hoffnungssymbol geworden. Immer weiter, immer vorwärts, auf nach oben, das ist die Losung. Das ist der moderne Fortschrittsglaube, nicht nur in Kassel, sondern in weiten Teilen der Welt. Dass bei diesem Drive nach oben etliche runterfallen, nimmt dieser Optimismus billigend in Kauf. Dass viele gar nicht nach oben kommen und überhaupt unten bleiben müssen, ist kaum im Blick. Für Verlierer kann ein solches Symbol nur negativ und entmutigend wirken.

Die Welt, in der wir leben, ist geprägt von Leistungsdruck und Wachstumserwartungen. Fast jede Nachrichten-Sendung informiert uns über die Börsenwerte. Es soll immer weiter, immer höher gehen, auch dann, wenn der Höhepunkt des Wachstums vielleicht längst überschritten ist. Die Schere zwischen Reichtum und Armut geht immer mehr auf, ja, auch und gerade in Deutschland, unserem reich gewordenen Land. Projekte wie die Berliner Tafel passen da gar nicht, obwohl sie unverzichtbar geworden sind. Es sind eben nicht alle reich, deshalb muss für die gesorgt werden, die keinen Anschluss an den Wohlstand gefunden haben.

Aber viele andere werden einfach übersehen. Wer immer nach vorn und nach oben strebt, hat keinen Blick mehr für die, die unten sind. Wie anders ist die Perspektive, die Blickrichtung Gottes. Wie anders sieht er den Menschen! Er kennt die Gefahren des Reichtums, er weiß, dass äußerer Reichtum blenden und von Gott trennen kann. Gott ist nicht gegen den Reichtum, aber er sieht das Herz an. Die Botschaft Jesu ist tief geprägt von einem Gott, der für die Armen und Schwachen, für die Verachteten und Vergessenen da ist.

Wunderbar sehen wir das in einer Geschichte, die der Evangelist Johannes uns überliefert hat. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Da wird er zu einem großen Fest erwartet. Aber davor hat er noch etwas anderes vor. Er hat erfahren, dass abseits von der Straße nach Jerusalem viele Menschen in Lagerhallen liegen, teilweise schon jahrelang. Sie sind krank, verkrüppelt und siechen dahin. Jesus lässt Fest Fest sein und macht einen Umweg. Genau dieses Krankenlager will er besuchen. Und kaum ist Jesus angekommen, da hört er von einem, der schon 38 Jahre lang daliegt, gelähmt, verachtet und vergessen. Nun geht es Jesus nur noch um diesen Mann. Für ihn hat er Zeit, um ihn kümmert er sich, ihn heilt er.

So ist Gott, das will uns die Geschichte in Johannes 6 sagen. Er ist nicht bei den Fortschrittsoptimisten, sondern bei denen, die unten sind. Die anderen brauchen ihn ja nicht. Das ist ein großer Trost für alle, die bei uns ständig übersehen werden. Gleichzeitig ist es eine stille Aufforderung an die unter uns, die Jesus ihr Leben übergeben haben. So wie Jesus selbst Menschen an seinem Wege nicht übersieht, so sollen auch wir die im Blick behalten, die nicht mitkommen können, und uns für sie einsetzen.

In einem Vers aus dem Liederbuch der Bibel, den Psalmen heißt es: „Ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Das also wusste damals sogar der große David, von dem der Bußpsalm 51 und damit auch dieser Vers 19 stammt. Er hatte es lernen müssen: Gott ist nicht bei den Hochmütigen, den Egoisten, die nur sich selber sehen. Nein, Gott ist bei dem, was klein und unscheinbar vor der Welt ist. Er ist aber auch bei denen, die zu ihm umkehren. David weiß: Mit äußeren Werten, mit Geld und Besitz braucht er Gott gar nicht zu kommen. Darum betet er, auch in diesem Psalm: „Schaffe in mir, Gott ein reines Herz.“ Der Mensch sieht, was vor Augen ist. Gott sieht das Herz an.

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Kommentare (1)

Helene O. /

Sehr schöne Kurzandacht. Auf dass unser Herz Jesus seinem immer ähnlicher wird. Vielen Dank :)