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Erinnerungen filtern

Ulrich Mack über 5. Mose 32,11.

Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, breitete der HERR seine Fittiche aus und nahm sein Volk und trug es auf seinen Flügeln.

5. Mose 32,11

Wenn ich älteren Menschen zuhöre, komme ich manchmal ins Staunen. Erinnerungen werden laut an gute, oft aber auch an schwere Zeiten, an Arbeit und Mühe, an Krankheiten und Enttäuschungen. Wie viel Leid füllt den Weg, wie viel Unversöhntes blieb liegen. Manch älterer Mensch kann ein Lied davon singen.

Die Bibel erzählt einmal von einem alt gewordenen Mann, der sein Lied singt. Er kann auf ein bewegtes Leben zurücksehen, auf Glanzzeiten und auf Wüstenwege, auf Kriege und Durststrecken. Mose heißt der Mann, und er weiß: seine Zeit hier auf der Erde ist bald zu Ende. Jetzt steht er auf dem Berg Nebo, sieht nur noch hinüber ins gelobte Land. Lang hat er das Volk Israel geleitet, erst raus aus Ägypten und dann 40 Jahre lang durch die Wüste. Nein, leicht war es nicht gewesen. Wie oft hat das Volk gemurrt, hat Gott misstraut, hat sich zu Götzen hin verrannt. All das weiß Mose. Er zählt es auf, beschönigt nichts. Aber trotzdem, so hält Mose fest, trotz allem hat uns Gott bewahrt. Er hat Israel „behütet wie seinen Augapfel“.

Und dann lesen wir im Lied des Mose – in 5. Mose 32: „Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, breitete der HERR seine Fittiche aus und nahm sein Volk und trug es auf seinen Flügeln.“

Gott wie ein Vogel, der seine Jungen im Nest bewacht, der für sie sorgt, ihnen Nahrung bringt und sie ins Leben führt – immer wieder taucht dieses Bild im Alten Testament auf. Gott liebt und trägt sein Volk wie ein Adler auf seinen Flügeln - wenn der seine breiten Schwingen ausbreitet; wie er achtet auch Gott auf den Jungvogel, der sich in die Lüfte wagt, und wenn dieser zu fallen droht, bringt er ihn auf seinen Fittichen wieder in die Höhe. Ein dramatisch schönes Bild.

Das hebräische Wort für Adler kann hier auch einen Geier bezeichnen, und Ornithologen meinen, das hier im Lied des Mose Beschriebene sei bei einer bestimmten Geier-Art zu beobachten. Aber wichtig ist, dass es in unserem Leben zu beobachten ist. Wie sehen wir auf unsere Jahre und Jahrzehnte zurück?

Lassen wir unseren Blick gefangen nehmen von dem, was wir nicht erreicht haben? Dann landen wir bald in Selbstvorwürfen und Verzweiflung. Sehen wir vor allem das, was uns nicht vergönnt war im Vergleich zu anderen? Wo Krankheiten oder ein Unglück uns gebremst und manche Wege verhindert haben? Und dann das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Sich von solchen Rückblicken fesseln zu lassen, gehört zu den Gefahren des Altwerdens, und sie lassen Verbitterung und Traurigkeit im Herzen wachsen.

Was der altgewordene Mose über sich und sein Volk singt, macht den Blick weit, öffnet das Herz, macht Mut. Den Mut nämlich, Gottes Spuren zu entdecken. Sein Segenswirken im eigenen Leben nicht zu übersehen. Ja, Mose zählt auch die Irrwege auf, die sein Volk gegangen ist, die Wüstenwege und Durststrecken, auch alles Schuldigwerden vor Gott. Aber er stellt eben dies vor Gott und seine Gnade. Und da wird der Blick frei zu sehen: Gott hat trotz allem gut geführt. Er hat manchmal über Bitten und Verstehen hinaus getragen, geliebt, gesegnet.

Noch etwas in dem Bild von den Adlerflügeln fasziniert mich: Wenn ein Jungvogel weiß: mein Vater- oder Mutter-Vogel fängt mich auf, wenn ich falle, dann macht das dem jungen Vogel Mut, das Fliegen zu probieren. Er bleibt nicht voller Angst im Nest hocken. Er wagt das Fliegen. Das höre ich aus dem Bibelwort für uns heraus: Wage das Vertrauen. Bleibe nicht im Nest der Verbitterung hocken, nicht im Gestrüpp der Selbstanklagen. Auch wenn manches im Rückblick dunkel und der Blick ins Morgen grau erscheint: Wage heute zu glauben. Und im Rückblick zu sehen und wie Mose zu singen: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet?“

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Anstoß

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Kommentare (1)

Dr. Lothar B. /

Lieber Herr Mack,
Ihr Wort zum Tag fällt in die Kategorie „Mentaldoping“ und wäre im Sport sogar zulässig und (!) sehr Erfolg versprechend - für das tägliche Leben sowieso. Hier wäre allerdings das mehr