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/ Wort zum Tag

Der verborgene Gott – dennoch bei uns

Rainer Kunick über Jesaja 45,15.

Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland.

Jesaja 45,15

Am Tag seiner Konfirmation stehe ich mit dem Sohn am Sterbebett seiner Mutter. Am Gottesdienst konnte sie nicht mehr teilnehmen. Ihr Ehemann und die jüngeren Kinder schauen mich fragend an. Ich denke: Gott, wo bist du?

Ein junger Mann hatte die schwere Operation gut überstanden. „Glück gehabt“, sagt er. Ich denke: Gott sei Dank, dass du da warst und den Ärzten Weisheit und handwerkliches Geschick geschenkt hast.

Solche und ähnliche Situationen fallen mir ein, wenn ich unser Gotteswort für heute bedenke: Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland (Jesaja 45,15).

Meistens finden wir in schweren Lebenssituationen auf die Frage: Gott, wo bist du? keine Antwort. So ist Gott für uns ein verborgener Gott, dessen Walten wir nicht verstehen. Haben nicht Jesu Jünger am Karsamstag die Verborgenheit Gottes auch erlebt? Doch - sie waren von Gott nicht verlassen, wie die Auferstehung Jesu ihnen dann klar gemacht hat. Gott kann verborgen sein in Abschnitten unseres Lebens, doch wir sind wegen Jesus Christus doch nicht von ihm verlassen.

Jesaja spricht in unserem Gotteswort von dem verborgenen Gott als dem Heiland. Das klingt wie ein Widerspruch. Doch diese beiden Aspekte gehören untrennbar zusammen. In seiner Verborgenheit ist und bleibt Gott der Heiland und Retter seiner Leute. So konnte auch Martin Luther von dem verborgenen und sich gleichzeitig offenbarenden Gott sprechen.

Verbergen wir Gott nicht auch sehr oft? Jesaja musste in seiner Zeit immer wieder das Volk davor warnen, Gott zu vergessen, sich eigene Götter zu machen und eigene Wege zu gehen. Es hat nicht mehr an Gott gedacht und ihn so verborgen, aus dem Leben verdrängt und dann auch vergessen. Gibt es nicht Gottvergessenheit auch in unserem eigenen Leben? Haben viele vergessen, dass sie Gott vergessen haben?

Wir denken, reden und handeln außerhalb des Gottesdienstes oft so, als ob es Gott nicht gäbe. Wir verbergen ihn und „geben ihm darin nicht die Ehre“, weil wir Gott nicht hinreichend unter den Bedingungen menschlichen Verstandes, menschlicher Rede und menschlicher Erfahrung zur Sprache bringen wollen. Die Rede von Gott gehört aber mitten ins Leben, mitten in den Alltag, mitten in unsere alltägliche Sprache. Das ist nicht leicht, ungeschützt von Kirche und Gemeindehaus von Gott zu erzählen, denn ich erzähle dann auch von mir und meinen Glaubenserfahrungen.

Dabei wissen wir, dass Gott sich all unserem Reden auch immer wieder entzieht, weil er unserem Zugriff auf ihn selbst heilsame Grenzen setzt. Denn wir sind nicht Gottes Ratgeber, er sprengt unser menschliches Denken und Reden. Wir können nicht über Gott, sondern nur von dem reden, was er uns zu erkennen gibt. Dann erkenne ich auch in allem Auf und Ab meines Lebens die Führung Gottes, wie sie auch das Volk Israel zur Zeit Jesajas trotz allem erkannt hat. Ich kann ihm sogar auch meinen Zweifel benennen und ihm sagen, wo ich ihn nicht verstehe.

Dietrich Bonhoeffer fasst das so zusammen: „Alle Gedanken, die wir über Gott denken, dürfen nie dazu dienen, dies Geheimnis aufzuheben, Gott zu etwas allgemein Begreiflichem, Geheimnislosen zu machen, sondern vielmehr muss alles Denken über Gott nur dazu dienen, sein uns gänzlich überlegenes Geheimnis sichtbar zu machen, Gottes heimliche, verborgene Weisheit in ihrer Heimlichkeit und Verborgenheit sichtbar zu machen, sie nicht dieser zu berauben, dass vielleicht durch dies Geheimnis die Heimat sichtbar werde, aus der es kommt. Jedes Dogma der Kirche ist nur Hinweis auf das Geheimnis Gottes. Aber die Welt ist gegen dieses Geheimnis blind. Sie will einen Gott, den sie verrechnen und ausnutzen kann oder sie will gar keinen Gott. Das Geheimnis Gottes bleibt ihr verborgen. Sie will es nicht. Sie macht sich Götter nach ihrem Wunsch, aber den nahen, heimlichen, verborgenen Gott erkennt sie nicht.“

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Kommentare (4)

Gerhard S. /

Wenn alle Verborgenheit Gottes so wäre wie sie die Jünger am Karsamstag erlebt haben, dann wäre es das, was man sich nur wünschen kann. Nur einen Tag lang müssen sie das durchstehen.
Lieben Gruß Gerhard

Helmar K. /

Gott in der Tiefe erfahrbar. Danke für den Hinweis, dass es Widerwärtiges gibt, dass Gott aber da ist und heilt. So habe ich Gottesferne verstanden, die aber keine ist.

Constanze G. /

Auf das ich gott in meinem Leben erkenne und sein Geheimnis für mich sichtbar mache..

Gerlinde W. /

Danke für dieses Zeugnis. Es ist für unsere Zeit notwendig und zutreffend.