/ Wort zum Tag
Was traue ich Gott zu?
Manfred Schultzki über Hebräer 10,35.
Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Haben Sie schon mal was von Charles Blondin gehört? Er war vor etwa 100 Jahren ein berühmter Hochseilartist. Von ihm handelt eine interessante Geschichte. Nachdem er schon allerlei Kunststücke auf dem Hochseil gezeigt hatte, fragte er seine Zuschauer: "Traut ihr mir zu, dass ich mit einer leeren Schubkarre über das Seil fahre? Selbstverständlich antwortete das Publikum mit Ja. Dann kam seine nächste Frage: "Traut ihr mir zu, dass ich mit einer Karre voller Steine rüberfahren kann?" -Wieso nicht? Natürlich antworteten wieder alle mit Ja!! Seine dritte Frage lautete - sicher ahnen Sie es schon: "Traut ihr mir zu, dass ich diese Schubkarre mit einem Menschen beladen kann und rüberfahre?" Immer noch ein lautes Ja!!! Aber auf die letzte Frage bekam er dann keine Antwort mehr: "Wer möchte mitfahren?" Keiner wollte es.
Mich beeindruckt diese Geschichte und ich habe mich gefragt, woran es liegt. Zum einen könnte es daran liegen, dass ich nicht genug Vertrauen zu mir selbst habe. Ich traue mir nicht – das meint: Ich habe keine Ahnung, ob ich nicht da oben auf dem Seil in Panik gerate und dann aus der Karre springe, also vor lauter Angst das Falsche tue. Entscheidend ist aber das andere: Ich traue ihm nicht. Ich will dem Artisten nicht mein Leben anvertrauen. Ich bin nicht sicher, ob er es immer schafft. Was, wenn eine Windböe die Schubkarre erwischt, was wenn ihn eine Mücke sticht, was, wenn … ach, es gibt so viele Möglichkeiten. Ich glaube, wenn ich damals dabei gewesen wäre, ich hätte mich auch nicht getraut.
Genauso denken viele Menschen im Blick auf Gott. Sie scheinen Gott auch nicht zu trauen. Sie trauen ihm alles Mögliche zu und sind auch sicher, dass er sich nicht von einer Windböe oder einer Mücke aus der Fassung bringen lässt. Und doch reicht ihr Vertrauen nicht aus, um Gott völlig zu glauben. Damit verdeutlicht diese Geschichte sehr gut, was zum Glauben gehört: Nicht nur, dass ich jemandem etwas zutraue. Sondern gerade, dass ich jemandem vertraue - so sehr, dass ich ihm mein Leben anvertraue.
Nun ist eine Fahrt in einer umgebauten Schubkarre auf einem Hochseil eine artistische Sensation, aber auch nicht mehr. Wenn es um den Glauben an Gott geht, dann spreche ich nicht von einer Sensation, sondern von der Zusage einer Verheißung. Und das hat noch einmal eine andere Ernsthaftigkeit.
Umgekehrt muss sich aber jeder fragen, wieweit sein Glaube reicht. Was jemand über Gott denkt, kann sehr abstrakt sein. Zum Glauben gehört das Vertrauen. Darum appelliert der Hebräerbrief an uns alle: Werft euer Vertrauen nicht weg. Ja, er lockt sogar mit einer Belohnung. Gottvertrauen lohnt sich. Auf jeden Fall.
Ihr Kommentar
Kommentare (3)
Lieber Herr Schultzki, schöne Gedanken. Die Formulierung "Werfet euer Vertrauen nicht weg" könnte Folge eines enttäuschten Vertrauens sein. Daher ist es nicht leicht, weiterhin zu vertrauen. … mehrWahrscheinlich braucht es Gott selbst, der das Vertrauen bei Enttäuschung wieder aufbaut. Ein schwieriges Thema, wenn man schon einmal erlebt hat, wie die Schubkarre auf dem Seil offensichtlich umgekippt ist. "Bittet, so wird euch gegeben" ist eben auch mit Frustration verbunden. Liebe Grüße Hagen M.
Sehr geehrter Herr Schultzki,
vielen Dank fuer die nachdenkenswerte Betrachtung.
Gott ist immer ein persoenlicher Gott, er moechte die persoenliche Beziehung, das Gespraech mit ihm (denke ich).
Er … mehrmoechte, dass ich ihm vertraue.
Sicher nicht, ohne meinen Verstand zu benutzen. Aber der HERR kann auch ungewoehnliche Wege gehen, s. Sonnenuhr Hiskia.
Trotzdem haette ich mich fuer keinen Preis dieser Welt in die Schubkarre des Artisten gesetzt, um nicht mit meinem Leben zu spielen.
Das Risiko, dass es "schief" geht, war einfach zu hoch.
Die Geschichte ist ein sehr guter Vergleich, finde ich.
Es gibt das "allgemeine" Vertrauen zu Gott.
Aber: wo zeigt er mir, in meinem Leben, wo ich ihm persoenlich fuer eine ganz bestimmte Sache vertrauen (lernen) soll (?)
Da bin ich aufgefordert, nachzudenken und mit ihm zu reden, viell. Gott zu bitten, dass er mir das zeigt? Wo ist da meine "Baustelle"?
Und: "Hoerbibel - Hebraer, Kap. 10" finde ich sehr gut.
Herzliche Gruesse und danke.
Vielen Dank für ihre Worte. Die Geschichte ist schön, ich kenne sie so, dass am Schluss ein kleiner Junge sich bereit erklärt in die Schubkarre zu steigen und als er gefragt wird, ob er keine Angst hatte sagt er, nein, das ist ja mein Papa.